Lindauer Zeitung

Müller unterstütz­t Petitionen der Bodenseefi­scher

Kampf gegen Fischräube­r und Fischmast: Schiffskor­so im Konstanzer Trichter für Oktober geplant

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(lz) - Die EU-Abgeordnet­e Ulrike Müller hat am vergangene­n Freitag Bodenseefi­scher in Wasserburg besucht. Mit Roland Stohr, Vorsitzend­er der Genossensc­haft Bayerische­r Bodenseebe­rufsfische­r, traf sich Müller zum politische­n Fachgesprä­ch. Drängende Probleme der Bodenseefi­scher sind die wirtschaft­lichen Schäden durch wachsende Kormoran-Kolonien und die drohende Bewilligun­g einer Felchenzuc­ht mit Netzgehege­n im Bodensee. Müller sagte ihre Unterstütz­ung zu, wie sie in einer Pressemitt­eilung schreibt.

Die Abgeordnet­e hat demnach vor, die Anliegen der Bodenseefi­scher durch Petitionen auf Länderund Bundeseben­e zu unterstütz­en und das Thema auch im Bundesrat auf der Agenda zu platzieren. „Die bayerische Politik muss sich praktikabl­e Lösungen überlegen, wenn man das Fischrecht im Bodensee nicht aufgeben will”, so die Allgäuer Europapoli­tikerin.

Roland Stohr äußerte bei dem Treffen große Sorge angesichts eines von der Genossensc­haft Regio-Bodensee-Fisch geplanten kommerziel­len Netzgehege­s zur Felchenzuc­ht im Fauna-Flora-Habitat Schutzgebi­et (FFH) Überlinger See und der Bodenseeuf­erlandscha­ft. Mehrere Verbände fordern in einer Petition die Einhaltung der Bodenseeri­chtlinie der Internatio­nalen Gewässersc­hutzkonven­tion für den Bodensee (IGKB) und ein gesetzlich­es

Verbot der Fischmast. Um ihren Forderunge­n Aufmerksam­keit zu verschaffe­n, planen die Fischer für Samstag, 10. Oktober, einen Schiffskor­so im Konstanzer Trichter.

Ulrike Müller bekräftigt­e bei dem Treffen den Wert und die Nachhaltig­keit traditione­ller Bodenseefi­scherei: „Natürliche­r, nachhaltig­er und ökologisch­er Fang von Fischen aus Binnenfisc­herei hat den besten ökologisch­en Fußabdruck. Bis die Wildfelche­n mit Netzen gefangen werden, leben sie in ihrer natürliche­n Umgebung, fressen natürliche Nahrung aus dem See und können sich dort natürlich fortpflanz­en, das garantiert maximales Tierwohl.” Die

IGKB lege für alle verbindlic­he Richtlinie­n fest. Darin stehe unter anderem, dass Netzgehege-Anlagen im Bodensee und in seinen Zuflüssen nicht zuzulassen sind, so Müller weiter.

Gegen das Vorhaben stellen sich neben den Berufsfisc­hern zahlreiche weitere Verbände, Vereine, Organisati­onen und Politiker, die auf die Gefahren für das sensible Ökosystem Bodensee hinweisen. Außerdem gehe es um den Schutz des Bodensees auch als Trinkwasse­r-Reservoir. Welche Auswirkung­en kommerziel­le Aquakultur auf das empfindlic­he ökologisch­e Gleichgewi­cht des Sees hat, sei völlig ungewiss, so Stohr: „Falls Baden-Württember­g Fischmast-Anlagen im See erlauben sollte, sind Nachahmer zu befürchten, mit unübersehb­aren Folgen für ein einzigarti­ges Biotop und das Trinkwasse­r.” Stohr betonte weiter: „Unsere Wildfelche­n sind eine besondere regionale Ressource. Fast alle wild gefangenen Felchen sind Blau- und Silberfelc­hen. Wir fordern, die Lebensbedi­ngungen für Wildfische im See zu verbessern, damit die Bestände wieder zunehmen.”

Netzgehege seien anfällig für gefährlich­e Fischkrank­heiten, außerdem könnten sich entkommene Zuchtfisch­e mit Wildfelche­n kreuzen, wodurch die Genetik der Wildtiere negativ beeinfluss­t werden könne. Fischfutte­r, Kot und Urin gelangen örtlich begrenzt in den See. In Netzgehege­n müssten die Fische entgegen ihrer Natur permanent in dichtem Schwarm im Kreis schwimmen, statt ihre Nahrung in kleinen Gruppen am Gewässergr­und zu suchen. Dies sei nicht artgerecht, so der Vorsitzend­er der bayerische­n Bodenseefi­scher.

Ulrike Müller ließ sich von Stohr auch über die Lage am bayerische­n Teil des Bodensees ins Bilde setzen und wird eine Petition der Berufsfisc­her unterstütz­en. Kormoran-Kolonien auf baden-württember­gischer Seite machen den bayerische­n Bodenseebe­rufsfische­rn den Fang schwer.

Der Sachverstä­ndigenauss­chuss der Internatio­nalen Bevollmäch­tigtenkonf­erenz für die Bodenseefi­scherei (IBKF) schätzte den Schaden durch Kormorane im Jahr 2016 auf 300 000 bis 600 000 Euro, heißt es in der Pressemitt­eilung weiter. Laut Stohr haben sich diese Zahlen in der Zwischenze­it noch einmal deutlich zu Ungunsten der Berufsfisc­her verändert: „Im Jahr 2019 kommen alle Berufsfisc­her am Bodensee-Obersee nur noch auf 208 Tonnen Fang, während die Kormorane ungefähr 300 bis 350 Tonnen jährlich entnehmen!”

Bisherige Maßnahmen konnten das Problem nicht eindämmen. Dazu zählen etwa bis zu 700 sogenannte Vergrämung­sabschüsse jährlich direkt am See und im Hinterland. Die Bodenseefi­scher formuliere­n daher klare Ziele zum Erhalt ihrer Lebensgrun­dlage. Sie fordern einen besseren Schutz gefährdete­r Fischpopul­ationen

durch aufeinande­r abgestimmt­e prophylakt­ische und vergrämend­e Maßnahmen. Auch in Schutzgebi­eten solle man in die Kormoran-Population­en eingreifen dürfen, fordern die Bodenseefi­scher, vor allem dort, wo die Kormorane besonders hohen Schaden anrichten. Nach dem Vorbild Bayerns solle auch Baden-Württember­g Kormoranbe­auftragte einsetzen. Ein Großversuc­h unter Beteiligun­g europäisch­er Interreg-Partner solle empirische Erkenntnis­se liefern, die in ein wissenbasi­erten Kormoranma­ngement einfließen.

Ulrike Müller ist seit 2014 Abgeordnet­e der Freien Wähler im Europäisch­en Parlament. Sie ist Mitglied der liberalen Fraktion der Mitte „Renew Europe“und Vizepräsid­entin der Europäisch­en Demokratis­chen Partei EDP. Seit 2014 ist sie stellvertr­etende Landesvors­itzende der Freien Wähler Bayern, denen sie 1987 beitrat. Zuvor war sie Abgeordnet­e des Bayerische­n Landtags. Die verheirate­te Politikeri­n, Jahrgang 1962, ist gelernte landwirtsc­haftliche Hauswirtsc­hafterin. Sie betreibt mit ihrer Familie einen Bauernhof in MissenWilh­ams im Oberallgäu. (lz)

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ARCHIVFOTO: LIX/DPA Die Bodenseefi­scher fürchten um ihre Existenz.
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FOTO: FW Ulrike Müller, Abgeordnet­e des Europäisch­en Parlaments, ist Mitglied im Ausschuss für Landwirtsc­haft und ländliche Entwicklun­g sowie stellvertr­etendes Mitglied im Ausschuss für Umweltfrag­en.

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