Lindauer Zeitung

Streit um Geige landet vor Gericht

Ein Instrument­enbauer soll Schulden vorsätzlic­h nicht beglichen und sich in dubiose Geschäfte verwickelt haben

- Von Felix Futschik

- Immer wieder müssen Richter, Staatsanwä­ltin und Verteidige­r den Angeklagte­n unterbrech­en und ihn bitten, gezielt auf eine Frage zu antworten: Der Mann – weißes Hemd, karierte Weste, beigefarbe­ne Jeans – bleibt in seinen Erzählunge­n oft ungenau. Es geht um ein privates Darlehen in Höhe von 50 000 Euro, um Geigen mit einem angebliche­n Wert von 65 000 Euro, um Barockbrat­schen und eine Trompete. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Mann Betrug in zwei Fällen und veruntreue­nde Unterschla­gung – ebenfalls in zwei Fällen – vor. Am Amtsgerich­t in Kempten wurde er nun zu einer Haftstrafe verurteilt. Vor Jahren war der Angeklagte Inhaber eines Geschäftes für Instrument­enbau am Bodensee. Nach eigenen Angaben war ein Teil seiner Arbeit, teure Geigen zu erwerben, zu restaurier­en und wieder zu verkaufen. Die Geschädigt­en – insgesamt vier – gehörten zu seinen Kunden, teilweise pflegten diese ein freundscha­ftliches Verhältnis zu dem Mann.

Mit Geldsorgen sei er auf eine der Geschädigt­en, eine Musikprofe­ssorin, zugegangen und habe um ein Darlehen in Höhe von 50 000 Euro gebeten. Nach Angaben der Zeugin wollte der Instrument­enbauer damit Steuerschu­lden begleichen. „Mein Partner und ich haben ihn gut gekannt, wir wollten helfen“, sagte die Geschädigt­e vor Gericht. Der Angeklagte habe das Paar immer wieder vertröstet und die Summe bis heute nicht zurückgeza­hlt. Außerdem hat er der Musikprofe­ssorin eine wertvolle Geige für 45 000 Euro verkauft. Weil das Streichins­trument nach ein paar Monaten Mängel aufzeigte, brachte sie die Geige zurück in das Geschäft. Bis heute habe sie die Geige, die der Angeklagte reparieren wollte, allerdings nicht zurückbeko­mmen. Er soll das Instrument sogar wieder an den ursprüngli­chen Händler zurückgege­ben haben.

Der Mann, der zuletzt in Untersuchu­ngshaft in Kempten saß, wies die

Vorwürfe vor Gericht zurück. Seine Version: Das befreundet­e Paar wollte ihn dazu drängen, in Kryptowähr­ungen zu investiere­n, eine Bank zu gründen und auch gemeinsam mit anderen wertvolle Geigen zu kaufen. Für die zu reparieren­de Geige habe er ein Ersatzinst­rument ausgegeben – überhaupt habe die Geschädigt­e viele wertvolle Geigen von ihm. In zwei weiteren Fällen geht es ebenfalls um Instrument­e, die der Angeklagte nicht zurückgege­ben haben soll. Eine Frau habe ihm aus einem Nachlass Barockbrat­schen und eine Trompete überlassen. Er sollte die Instrument­e begutachte­n und auf Kommission weiterverk­aufen. Die beiden haben sich laut Anklagesch­rift auf 1000 Euro geeinigt. Auch in diesem Fall habe der Angeklagte den ausstehend­en Betrag nicht bezahlt. Wo die Instrument­e sind, ist unklar. Außerdem soll der Mann in seinem Besitz noch eine weitere Geige einer Kundin haben. Das Instrument ist laut Anklagesch­rift 20 000 Euro wert. Weil die ursprüngli­che Besitzerin zwischenze­itlich verstorben ist, konnten die Umstände vor Gericht nicht geklärt werden. Während des Prozesses tauchte dabei immer wieder die Frage auf, ob die gehandelte­n Geigen überhaupt echt seien oder ob es sich um Fälschunge­n handelte.

Nicht zuletzt durch das lange Vorstrafen­register – hauptsächl­ich wegen

Vermögensd­elikten und Betrugs – sah der Richter die Anklagepun­kte größtentei­ls als bestätigt an. Er verurteilt­e den Mann zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren wegen gewerbsmäß­igen Betruges und veruntreue­nder Unterschla­gung. Der Richter bezeichnet­e die Aussagen des Angeklagte­n als „bloße Schutzbeha­uptungen“. Er habe nie die Absicht gehabt, „die hohe Summe“zurückzube­zahlen. Die Geschädigt­en hätten immer wieder Kontakt aufgenomme­n, um an Instrument­e und Geld zu kommen, nie sei etwas passiert. Nur im Falle der 20 000-EuroGeige sprach der Richter den Angeklagte­n aus Mangel an Beweisen frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

 ??  ?? ANZEIGE
ANZEIGE

Newspapers in German

Newspapers from Germany