Streit um Geige landet vor Gericht
Ein Instrumentenbauer soll Schulden vorsätzlich nicht beglichen und sich in dubiose Geschäfte verwickelt haben
- Immer wieder müssen Richter, Staatsanwältin und Verteidiger den Angeklagten unterbrechen und ihn bitten, gezielt auf eine Frage zu antworten: Der Mann – weißes Hemd, karierte Weste, beigefarbene Jeans – bleibt in seinen Erzählungen oft ungenau. Es geht um ein privates Darlehen in Höhe von 50 000 Euro, um Geigen mit einem angeblichen Wert von 65 000 Euro, um Barockbratschen und eine Trompete. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann Betrug in zwei Fällen und veruntreuende Unterschlagung – ebenfalls in zwei Fällen – vor. Am Amtsgericht in Kempten wurde er nun zu einer Haftstrafe verurteilt. Vor Jahren war der Angeklagte Inhaber eines Geschäftes für Instrumentenbau am Bodensee. Nach eigenen Angaben war ein Teil seiner Arbeit, teure Geigen zu erwerben, zu restaurieren und wieder zu verkaufen. Die Geschädigten – insgesamt vier – gehörten zu seinen Kunden, teilweise pflegten diese ein freundschaftliches Verhältnis zu dem Mann.
Mit Geldsorgen sei er auf eine der Geschädigten, eine Musikprofessorin, zugegangen und habe um ein Darlehen in Höhe von 50 000 Euro gebeten. Nach Angaben der Zeugin wollte der Instrumentenbauer damit Steuerschulden begleichen. „Mein Partner und ich haben ihn gut gekannt, wir wollten helfen“, sagte die Geschädigte vor Gericht. Der Angeklagte habe das Paar immer wieder vertröstet und die Summe bis heute nicht zurückgezahlt. Außerdem hat er der Musikprofessorin eine wertvolle Geige für 45 000 Euro verkauft. Weil das Streichinstrument nach ein paar Monaten Mängel aufzeigte, brachte sie die Geige zurück in das Geschäft. Bis heute habe sie die Geige, die der Angeklagte reparieren wollte, allerdings nicht zurückbekommen. Er soll das Instrument sogar wieder an den ursprünglichen Händler zurückgegeben haben.
Der Mann, der zuletzt in Untersuchungshaft in Kempten saß, wies die
Vorwürfe vor Gericht zurück. Seine Version: Das befreundete Paar wollte ihn dazu drängen, in Kryptowährungen zu investieren, eine Bank zu gründen und auch gemeinsam mit anderen wertvolle Geigen zu kaufen. Für die zu reparierende Geige habe er ein Ersatzinstrument ausgegeben – überhaupt habe die Geschädigte viele wertvolle Geigen von ihm. In zwei weiteren Fällen geht es ebenfalls um Instrumente, die der Angeklagte nicht zurückgegeben haben soll. Eine Frau habe ihm aus einem Nachlass Barockbratschen und eine Trompete überlassen. Er sollte die Instrumente begutachten und auf Kommission weiterverkaufen. Die beiden haben sich laut Anklageschrift auf 1000 Euro geeinigt. Auch in diesem Fall habe der Angeklagte den ausstehenden Betrag nicht bezahlt. Wo die Instrumente sind, ist unklar. Außerdem soll der Mann in seinem Besitz noch eine weitere Geige einer Kundin haben. Das Instrument ist laut Anklageschrift 20 000 Euro wert. Weil die ursprüngliche Besitzerin zwischenzeitlich verstorben ist, konnten die Umstände vor Gericht nicht geklärt werden. Während des Prozesses tauchte dabei immer wieder die Frage auf, ob die gehandelten Geigen überhaupt echt seien oder ob es sich um Fälschungen handelte.
Nicht zuletzt durch das lange Vorstrafenregister – hauptsächlich wegen
Vermögensdelikten und Betrugs – sah der Richter die Anklagepunkte größtenteils als bestätigt an. Er verurteilte den Mann zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen gewerbsmäßigen Betruges und veruntreuender Unterschlagung. Der Richter bezeichnete die Aussagen des Angeklagten als „bloße Schutzbehauptungen“. Er habe nie die Absicht gehabt, „die hohe Summe“zurückzubezahlen. Die Geschädigten hätten immer wieder Kontakt aufgenommen, um an Instrumente und Geld zu kommen, nie sei etwas passiert. Nur im Falle der 20 000-EuroGeige sprach der Richter den Angeklagten aus Mangel an Beweisen frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.