Aus Träumen geboren
Der VfB setzt im Derby auf die Emotionen seiner Fans, Freiburg auf seine Neuzugänge
- Roland Kaiser dürfte am Donnerstag seine helle Freude gehabt haben, seine Plattenverkäufe könnten zumindest in Südbaden wieder kräftig angekurbelt werden. Santamaria spielt künftig beim SC Freiburg, Baptiste Santamaria genauer, ein Spieler, der aus Träumen geboren wurde – respektive aus der Sehnsucht von Trainer Christian Streich nach einem Sechser. Der 25-Jährige mit dem wohl klangvollsten Namen in der Bundesliga soll alles mitbringen, was man von einem Strategen auf dieser Position erwartet: Zweikampfstärke, Umsicht, Ruhe. Nicht umsonst ist er mit zehn Millionen Euro Ablöse teuerster Spieler der SC-Geschichte vor Vincenzo Grifo, der für sieben Millionen von Hoffenheim (zurück)kam.
Wieder mal haben es die Freiburger offenbar geschafft, aus schlechten Ausgangsbedingungen – den Abgang ihrer Stützen Robin Koch, Luca Waldschmidt und Torhüter Alexander Schwolow, der gebürtige Wangener Janik Haberer könnte noch hinzukommen – das Beste zu machen, trotz Corona-Sparzwängen. Neben Santamaria holten sie für kleines Geld (0,9 Millionen Euro für zwei Leihjahre) den holländischen Nationalspieler Guus Til, zudem Ermedin Demirovic, den Torjäger aus St. Gallen. Auch die böse Verletzung von Torhüter Mark Flekken, der sich am Sonntag die Ellbogensehne riss und sieben Monate ausfällt, kompensierte der SC noch – für 200 000 Euro Leihgebühr kam der Mainzer Florian Müller (22), der immerhin 40 Erstligaspiele auf dem Buckel hat. Müller hat gute Chancen, beim Bundesliga-Auftakt am Samstag (15.30 Uhr) beim VfB Stuttgart gleich zu spielen – zum Leidwesen von Reservist Benjamin Uphoff, dem ExStuttgarter, der im Juli vom KSC kam.
Tatsächlich scheint Freiburg erneut gut aufgestellt zu sein, um die fünfte Saison in Folge im Oberhaus in Serie zu überleben. „Es ist schwierig, wenn du Achter geworden bist, zu sagen, wir wollen jetzt 15. werden. Aber natürlich sind wir darauf bedacht, drei Mannschaften hinter uns zu lassen. Das wird schwer genug“, sagt Streich, der übrigens noch nie beim VfB gewonnen hat, vor dem Neustart.
Sein Kollege Pellegrino Matarazzo adelte Streich vor dem ersten gegenseitigen Aufeinandertreffen. „Ich kenne ihn leider noch nicht persönlich. Aber das, was ich sehe, finde ich faszinierend“, sagte Matarazzo. „Es imponiert mir, wie Streich es schafft, immer authentisch zu bleiben. Auch die Leistung, die er in den letzten Jahren abgerufen hat, finde ich faszinierend. Freiburg so in der Bundesliga zu etablieren, ist eine großartige Leistung.“
Womöglich sind die ruhigen, bodenständigen Freiburger sogar eine Art Vorbild für den großen VfB, der sich ebenfalls als Ausbildungsclub definiert, auf entwicklungsfähige Spieler setzt und hinter Leipzig das zweitjüngste Team der Liga stellt mit 24,0 Jahren im Schnitt. Wie der SC schaut sich auch der VfB inzwischen mit Vorliebe im benachbarten Frankreich um, wo sich eine Vielzahl an Talenten tummelt – und wo ein altes neues Trainertalent zum Club stieß. Matthieu Delpierre, Ex-Abwehrchef des VfB und Meister von 2007, wird Athletiktrainer bei der U15 der Stuttgarter. Der 39-Jährige wohnt schon seit zwei Jahren in Bad Cannstatt, der Job sei eine Riesenchance für ihn, sagte er.
Eine Riesenchance auf einen positiven Saisonstart hat auch der VfB, der den Impuls der Rückkehr von immerhin 8000 Fans für sich nutzen will – auch wenn diese aufgrund der Neufassung der „Corona-Verordnung Sport“des Landes auch auf der Tribüne Mund-Nasen-Masken tragen müssen. „Ich freue mich über jeden Zuschauer im Stadion“, sagte Matarazzo: „Diese Emotionen und die Rückendeckung sind enorm wichtig.“Vor allem, weil es für viele Spieler der erste Bundesliga-Einsatz werden dürfte. Immerhin: Die Ansprüche sind realistischer geworden beim VfB im Vergleich zum Aufstiegsjahr 2018, vom Ziel, ästhetisch zu spielen, redet keiner mehr – allein der Klassenerhalt zählt. Ex-Nationalspieler Andreas Beck traut dem Aufsteiger noch mehr zu. „Der VfB kann überraschen, vor allem wenn er nicht mit einer übertriebenen Erwartungshaltung herangeht wie vor zwei Jahren, als am Ende der Abstieg stand“, sagte der 33-Jährige, der für den KAS Eupen spielt. Der VfB habe fast denselben Kader wie im Vorjahr, sagt Beck: „Aber diese Beständigkeit kann einen Schub und Kraft geben. Es gibt viele junge Leute, die einen Sprung machen können. In der Bundesliga könnten die schnellen jungen Spieler mehr Raum bekommen als in der zweiten Liga, wo es mehr um Ballbesitz ging. Nun könnten sich Kontermöglichkeiten bieten.“
Personell hat Matarazzo neue Optionen: Linksverteidiger Borna Sosa ist wieder fit, sein rechtes Pendant Pascal Stenzel, gerade Papa geworden, auch, ebenso Offensivmann Mateo Klimowicz, den der Coach als „einen Gewinner der Vorbereitung“bezeichnet. Abwehrmann Konstantinos Mavropanos dagegen braucht noch Zeit.
Ins Sturmzentrum dürfte Silas Wamangituka für Sasa Kalajdzic rücken, der Torschütze vom Pokalsieg in Rostock: „Für Silas spricht sein Tempo und sein Tiefgang gegen eine Verteidigung, die vielleicht nicht das allerhöchste Tempo hat. Man kann Freiburg wehtun im Konterspiel“, sagt Matarazzo. Auch Wamangituka kam aus Frankreich, und, gut für die VfBFans: Im Klang seines Namens steht er Santamaria in nichts nach.