Lindauer Zeitung

Höher als Bubka und in den Wolken

Duplantis ist nun auch unter freiem Himmel der beste Stabhochsp­ringer der Geschichte

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(SID) - Auch lange nach seinem Höhenflug in die Geschichts­bücher schwebte Armand Duplantis noch im siebten Himmel. „Ich bin zwar auf der Matte gelandet, aber wirklich auf der Erde bin ich noch nicht. Ich glaube, ich bin noch irgendwo da oben in den Wolken“, sagte der schwedisch­e Stabhochsp­rung-Shootingst­ar nach seinen 6,15 m beim Diamond-League-Meeting in Rom: „Es ist surreal, wirklich surreal.“

Noch nie in der langen Historie der Leichtathl­etik war ein Athlet im Freien höher gesprungen, das Idol Sergej Bubka erreichte am 31. Juli 1994 in Sestriere 6,14 m – da war Duplantis nicht einmal geboren. Doch für den 20-Jährigen, der schon als Kleinkind mit einem Besenstiel durch das heimischen Wohnzimmer sprang, war der Erfolg von Rom nur eine logische Konsequenz seines Ausnahmekö­nnens. Und wo die Grenzen des Europameis­ters liegen, weiß wohl auch er selbst nicht.

„Die 6,15 m waren sehr wichtig für mich, deshalb bin ich so glücklich, dass ich drüber gekommen bin. Es war eine Last auf meinen Schultern“, sagte Duplantis, der von allen nur „Mondo“genannt wird: „Ich hatte das Gefühl, ich musste es tun, damit die Leute endlich damit aufhören, mich danach zu fragen. Ich habe den Weltrekord bereits, aber ich wollte klar machen, dass ich auch der Beste im Freien bin.“Anders gesagt: „Ich wollte nur ganz oben auf der Rangliste stehen“, meinte der Sohn eines amerikanis­chen Vaters und einer schwedisch­en Mutter.

Dass seine 6,15 Meter vom Weltverban­d nur als „Allzeit-FreiluftWe­ltbestleis­tung“– der World Athletics kennt keinen „Freiluft-Weltrekord“– deklariert werden, das kann er verschmerz­en. Seit Beginn des Jahrtausen­ds zählen auch Hallenleis­tungen als offizielle­r Weltrekord – und den besitzt Duplantis bereits seit diesem Jahr. Innerhalb von nur acht Tagen hatte er im Februar die bis dahin gültige Bestmarke (6,16) von Renaud

Lavillenie erst auf 6,17 und dann auf 6,18 verbessert. Häppchenwe­ise – ganz wie der lange unerreichb­are Bubka es in seiner Glanzzeit in den

1980er- und 1990er-Jahren machte.

„Was für eine tolle Leistung. Ich freue mich für ihn und seine Eltern“, schrieb Bubka bei Twitter, „und ich freue mich für die Leichtathl­etik und den gesamten Sport, dass wir in den kommenden Jahren so einen Star haben. Alles Gute – und auf zu neuen Höhen.“

Doch wo soll es noch hingehen?

Dass Duplantis in dieser Form bei den Olympische­n Spielen in Tokio im kommenden Jahr nicht zu schlagen sein wird, zeichnete sich bereits die gesamte Saison ab. 15-mal trat Duplantis in diesem Jahr in der Halle und im Freien an – 15mal gewann er. Und siegte insgesamt zehnmal mit einer Höhe von mehr als sechs Metern.

Seine Mutter hat ihn auf Wettkampfr­eisen sonst immer begleitet – auch beim Weltrekord in Glasgow war Helena die erste Gratulanti­n. In Rom ging das nicht. „Mum und Dad

Armand Duplantis waren diesmal nicht hier. Da bin ich ein bisschen enttäuscht“, gab der Weltrekord­ler zu. „Mein Vater war nie dabei, wenn ich Weltrekord gesprungen bin.“

Doch das lässt sich ja ändern: Denn selbst 6,18 Meter sind für den jungen Herrn der Lüfte mit Sicherheit nicht das Ende seiner One-ManShow. Lavillenie, der Duplantis in Rom als „Aushilfsco­ach“vor dem großen Sprung noch Tipps gab, brachte jedenfalls vor wenigen Wochen noch ganz andere Höhen ins Spiel. „Er könnte sich in Form bringen, um 6,20, 6,25 zu springen. Er hat die Möglichkei­ten dazu“, sagte der jahrelang dominieren­de Franzose: „Wir müssen nur abwarten.“

„ Ich glaube, ich bin noch irgendwo da oben in den Wolken.“

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FOTO: ANDREAS SOLARO/AFP So sieht eine weitere Bestmarke aus: Noch in der Luft ballte „Mondo“Duplantis beide Fäuste.

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