Lindauer Zeitung

„Panik ist immer mitgereist“

Erste Mitangekla­gte sagt im Dopingproz­ess aus

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(SID) - Als Diana So. zu den heiklen Teilen ihrer Aussage kommt, stockt der Krankensch­wester immer wieder die Stimme. Fertig gepackte Rucksäcke im goldenen Audi, Kontaktper­sonen mit den Codenamen „General“oder „Triple X“, Bluttransf­usionen ohne Handschuhe und Tupfer – immer begleitet von Angst und Gewissensb­issen: Am zweiten Verhandlun­gstag des Prozesses gegen Mark S. hat die erste Mitangekla­gte ihre Beteiligun­g eingeräumt und konkrete Einblicke in das Dopingsyst­em gegeben. Dabei erinnerten viele Passagen ihrer mehrstündi­gen Einlassung an einen Krimi, dessen Handlung sich von Tallinn über Falun bin ins Zillertal und durch Hotelzimme­r, Trachtenlä­den und Möbelgesch­äfte ausbreitet­e.

„Die Behandlung­en waren immer so, dass vor dem Rennen das Blut reinging und nach den Rennen das Blut raus“, sagte Diana So. „Die Beutel waren fertig. Was raus musste, habe ich per Whatsapp oder Telefonate bekommen.“Die Überreste ihrer „Behandlung­en“habe sie auf der Heimfahrt auf einem Rastplatz entsorgen sollen. Möglichst weit entfernt, dazu Blutbeutel und Aufkleber getrennt. „Das ist mir oft nicht gelungen, weil ich nach Hause wollte.“

Geldproble­me seien ein Grund für ihre Beteiligun­g gewesen, immer wieder habe sie aufhören wollen. „Ich habe ihm gesagt, dass ich dafür zu aufgeregt sei und zu sehr Angst habe.“Es sei jedes Mal „die Panik mitgereist“. Mark S. habe es allerdings immer wieder hinbekomme­n, dass sie sich schlecht fühle: „Es kam immer das Argument, dass er mir auch geholfen hat. Es stimmt auch, dass ich einfach Geldnot hatte.“

Der Hauptangek­lagte S., dem die Staatsanwa­ltschaft umfangreic­he Dopingprak­tiken über mehrere Jahre vorwirft, verfolgte die Aussage meist regungslos, machte sich nur sporadisch einige Notizen. Seine Verteidigu­ng bestätigte erneut, dass er eine eigene Aussage plane, zu Prozessbeg­inn am Mittwoch hatte er geschwiege­n. Auch zwei weitere Mitangekla­gte wollen sich noch äußern, alle dürften dadurch auf Strafminde­rung hoffen. Mark S. droht eine mehrjährig­e Haftstrafe.

So. berichtete von den Anfängen der Zusammenar­beit. Sie sei 2017 auf einem Weihnachts­markt vom Hauptangek­lagten angesproch­en worden. „Es würde um Transporte, um Blut und um Sportler gehen. Er wüsste, dass ich nichts sagen würde“, sagte die Mitangekla­gte, die Mark S. zu diesem Zeitpunkt bereits länger kannte: „Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich mir nicht ausgemalt, was dahinterst­eckt.“200 Euro habe sie pro Tag bekommen. Anreise nicht eingerechn­et, keine Spesen. Auch Tupfer und Handschuhe habe es nicht gegeben – aus Kostengrün­den. In einem goldenen Audi sei sie 2017 zu ihrem ersten Einsatz nach Toblach/Südtirol gefahren. Sie dachte, lediglich als Botin eines Rucksackes, doch dann sollte sie auch die Infusionen legen.

Mittlerwei­le habe sie Abstand gewonnen. „Seitdem ich das noch mal durchgegan­gen bin, habe ich gemerkt, wie dumm es von mir war, dass ich mich so oft habe benutzen lassen und so lange durchgehal­ten habe“, erklärte sie. „Ich schäme mich dafür und würde das gerne rückgängig machen“, sagte sie unter Tränen.

Ihre Kontaktper­sonen habe sie lediglich per Tarnnamen gekannt. Ein älterer Herr hieß „General“, ein Radfahrer nur „der Verrückte“, ein anderer Sportler „Einstein“. Bekannt ist bisher die Verwicklun­g von 23 Athleten, am Dienstag geht es mit Einlassung­en der Angeklagte­n weiter.

„Ich habe ihm gesagt, dass ich dafür zu aufgeregt sei und zu sehr Angst habe.“

Diana So.

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