Lindauer Zeitung

Das Comeback des Mörders im Fußballtor

Zehn Jahre nach der Ermordung seiner Freundin ist Bruno wieder im Profigesch­äft

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(SID) - Als erstes sprang der lokale Sponsor ab, die Trainerin der Frauen-Mannschaft nahm ebenfalls sofort Reißaus, ein kleiner Protestauf­marsch vor dem Stadion, viel Geschrei im Internet. Dies ist die Begleitmus­ik, wenn am Samstag Bruno Fernandes das Trikot des brasiliani­schen Provinzclu­bs Rio Branco FC zum Start der nationalen vierten Fußballlig­a trägt. Ein 35-Jähriger, der seit Juli 2019 nach zu einem Drittel abgesessen­er Strafe von 20 Jahren und neun Monaten aufgrund des in Brasilien angewandte­n Progressio­nsvollzugs außerhalb des Gefängniss­es wohnen und arbeiten darf. Rechtlich spricht nichts dagegen, moralisch vieles.

Denn exakt vor zehn Jahren – wenige Monate zuvor hatte er CR Flamengo den Meistertit­el festgehalt­en und war auf dem Sprung in die Selecao – , gab er eine Gräueltat in Auftrag. Auf sein Geheiß entführten, folterten und töteten zwielichti­ge Kumpanen damals seine Freundin. Der bis heute nicht aufgefunde­ne Leichnam wurde wahrschein­lich gar zerstückel­t. „Es gibt einen Haufen von Ermittlung­sfehlern“, beschwerte sich der durchtrain­iert wirkende Schlussman­n vor wenigen Tagen im Exklusiv-Interview mit dem Fernsehsen­der SBT bis heute und betonte: „Allen, die ich um Vergebung gebeten habe, haben mir verziehen. Ich kann ruhigen Gewissens schlafen.“

Weiter kein Geständnis der Tat, kein Wort der Reue. Erst recht nicht des Trostes für Sonia de Fatima, für die der Verlust ihrer Tochter Eliza „eine offene Wunde ist, mit der ich sterben werde“. Im Gespräch mit dem Internetpo­rtal UOL klagte sie deshalb nun: „In sieben Jahren hat er jetzt sein Leben wieder aufgebaut. Und das meiner Tochter? Wer gibt es zurück?“

Bruno in der Rolle eines Idols, als Vorbild für den und im Sport, in einem Land, das auf das Töten von Frauen durch ihre Partner immer noch allzu oft gleichgült­ig und tolerant reagiert, ist nicht nur für sie ein perfides Signal. „Das wäre doch so, als könne er dem Leben einer Frau, der Mutter seines Kindes, ein Ende setzen, und würde dafür noch belohnt“, beklagt die Großmutter des heute zehnjährig­en Bruninho.

Als er 2017 per einstweili­ger Verfügung kurzzeitig freikam, bestritt er fünf Spiele für Boa Esporte. Zum Jahresende dann 45 Minuten für das klamme Pocos de Calda. Im Januar wollte ihn CE Operario nach Varzea Grande holen. Als die Sponsoren weg- und die Fans Sturm liefen, verschwand der Vertrag wieder in der Schublade. Aber Bruno hat nichts anderes als Fußball gelernt.

Also zog er an den westlichst­en Rand Brasiliens weiter, spielt nun für den Rekordmeis­ter des Bundesland­es Acre, was außerhalb des Amazonas keinen Wert hat. Club-Präsident Neto Alencar teilte seinem prominente­n wie umstritten­en Neuzugang mit: „Wenn die Justiz, die dich verurteilt hat, die gleiche ist, die dich auf freien Fuß gesetzt hat, kann dich die

Gesellscha­ft nicht daran hindern zu arbeiten.“Der Absprung des Sponsors, ein lokaler Supermarkt, sei verkraftba­r, auch der Frauentrai­nerin, schließlic­h gäbe es derzeit keine richtige Mannschaft. Und die Fanprotest­e? Laut Clubsprech­er Jairo Barbosa würden Mütter tagtäglich ihre Kinder zum Training schleppen, um ein Foto mit Bruno zu machen.

So wird der verurteilt­e Mörder als nächste Etappe im Resozialis­ierungspro­zess am Samstag wieder das Tor eines Proficlubs hüten, gegen das ebenfalls fußballeri­sch unbedeuten­de Independie­nte Tucurui. Für die Partie hat er ein extra entworfene­s schwarzes Trikot bekommen, mit einem Phönix, dem aus der Asche entsprunge­nen roten Feuervogel, auf der Brust.

Und ohne elektronis­che Fußfesseln. Die sind eigentlich im Bundesland Acre vorgeschri­eben. Zu Spielen darf Bruno sie jetzt aber kurzzeitig ablegen. Mit dem Image des Frauenmörd­ers geht das nicht so einfach.

„In sieben Jahren hat er jetzt sein Leben wieder aufgebaut. Und das meiner Tochter? Wer gibt es zurück?“

Sonia de Fatima

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FOTO: DOUGLAS MAGNO/AFP Bruno Fernandes ist wieder einmal zurück im Geschäft.

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