Lindauer Zeitung

Eine Schatzkist­e, die bleibt

Basketball-Bundesligi­st ratiopharm Ulm stellt sein neues Leistungsz­entrum Orange Campus vor

- Jürgen Schattmann

- Es gibt nichts, was es nicht gibt in diesem 8000 Quadratmet­er großen Orange Campus am alten Donaubad, zwei Kilometer entfernt von der Ratiopharm Arena. Es gibt drei Hallen, in der größten, die 550 Sitzplätze fasst und von einer 160 Meter langen Umlaufbahn oben an der Empore umrandet wird, trainieren seit Wochen täglich die Profis, von hochauflös­enden Kameras beäugt, die Drittligab­asketballe­r spielen sogar dort. Es gibt eine Yoga-Wall, bei der sich Sportler getrost einmal hängen lassen können. Acht Büroräume, in denen nach neuesten Digitalmet­hoden konferiert werden kann – oder Hausaufgab­en betreut werden. Allerhand Foltermasc­hinen, die über 800 Quadratmet­er im „Athletic Lab“verstreut sind, einem öffentlich­en Fitnessstu­dio, in dem physisches und kognitives Lernen verschmelz­en. Wellnessrä­ume mit Saunen und einen Corona-Spezial-Raumentlüf­ter, der 99 Prozent aller Keime in der Luft filtert. Bald, ab November, gibt es auch eine Gastronomi­e, in der angesichts des US-Flairs im Haus relativ sicher auch Burger gebraten werden dürften. Ach ja, es gibt einen Staubsauge­r namens CR700, der auch die größte Halle in zwei Stunden von Unrat befreit und den die Basketball­er netterweis­e Cristiano tauften. Und überrasche­nderweise gibt es auch Duschköpfe, die 2,40 Meter über den Boden ragen und in denen vermutlich auch Giraffen duschen könnten. „Wenn Per Günther duscht, so wurde mir gesagt, sei das

Wasser bereits wieder kalt, wenn es endlich unten ist“, sagt Pressechef Martin Fünkele – im Spaß natürlich, denn ganz so klein ist Ulms Kapitän mit seinen 1,84 Metern auch nicht, zumindest nicht für normale Menschen.

Die Basketball­er von ratiopharm waren gut gelaunt, ja geradezu enthusiast­isch, als ihr 23,5 Millionen Euro teures Traumproje­kt am Freitag im Beisein von Landesspor­tministeri­n Susanne Eisenmann der Öffentlich­keit vorgestell­t wurde – ein Leistungsz­entrum, das in seiner Größe und Exklusivit­ät einzigarti­g in Europa ist. Es mag 30 Clubs geben, die auf dem Erdteil derzeit besser spielen als die Ulmer – aber keiner hat so einen modernen Tempel, in dem die Zukunft des Sports geprägt wird und der auch dem Breitenspo­rt dient.

Es wundert nicht, dass die Ulmer Macher, Manager Thomas Stoll und Finanz-Geschäftsf­ührer Andreas Oettel, bei ihren Ansprachen den Tränen nah waren. Seit 2013 hatte Soll seine Vision des Campus unnachgieb­ig verfolgt, war anfangs belächelt, eine Zeit lang sogar angefeinde­t worden – und vor allem im Ulmer Stadtrat auf große

Skepsis gestoßen. „Es reicht nicht, eine Idee zu haben – man braucht auch Mut und Durchhalte­vermögen, auch wenn die Leute sagen: Das ist viel zu groß, das wird sowieso nichts“, schilderte Katrin Albsteiger, Neu-Ulms Oberbürger­meisterin, und schwärmte: „Das hier ist mehr als nur eine Sporthalle. Der Orange Campus ist ein Aushängesc­hild für die Region, vielleicht für das ganze Land, und ein Meilenstei­n für den Sport. Hier wird Gemeinscha­ft gelebt, Integratio­n und Inklusion.“Der Ulmer OB Gunther Czisch wirkte noch immer skeptisch:

„Wir haben uns zusammenge­rauft, sind jetzt eine Schicksals­gemeinscha­ft und werden weitere Partner brauchen – jetzt braucht es mehr als ein Quäntchen Fortune“, sagte Czisch, auch auf die Corona-Krise bezogen. Tatsächlic­h erschwert die Pandemie dem Verein die Finanzieru­ng des Baus. Er leistet 6,5 Millionen Euro Eigenantei­l, 4,5 Millionen über langfristi­ge Darlehen. „Beim Rest haben wir derzeit ein Delta“, sagt Oettel, eine mittlere sechsstell­ige Summe überbrückt­en die Mitglieder durch Kredite selbst, da die Partnersuc­he zuletzt mühsam war. „Man konnte sich nicht treffen, nichts zeigen, Sponsorens­uche ist da schwer. Ursprüngli­ch wollten wir schon im Juli mit Events starten, auch dieses Geld fehlt“, sagt Oettel. Immerhin 1,7 Millionen Euro Spenden kamen dennoch zusammen.

Stoll, der über die Jahre von Las Vegas bis Leipzig Dutzende Leistungsz­entren sichtete, um die besten Details zu kopieren, wollte nicht mehr auf die Grabenkämp­fe von einst eingehen, die Debatten um Ausmaße, Millionen und Sicherheit­en. „Als Sportler versucht man unmögliche Dinge, da gibt man nicht auf, und das haben wir auch nie. Das, was heute hier steht, bedeutet mehr als Siege oder Niederlage­n – das wird Bestand haben. Ich träume davon, dass der Campus zum Inventar in dieser Stadt wird wie das Donaubad, an das sich alte Ulmer immer erinnern werden, weil es der Ort ihres ersten Kusses war. Wir wollen die Kinder hier begeistern, das zählt. Wenn ein paar starke Basketball­er herauskomm­en, umso besser.“

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FOTO: JÜRGEN SCHATTMANN Polsterses­sel vor dem Spind – die Kabine der Ulmer Basketball­profis im Orange Campus.
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