Buschfleisch als Virenherd
Mediziner und Naturschützer warnen vor dem Verzehr tropischer Wildtiere – Pauschale Verbote aber helfen nicht weiter
Eine Fledermaus für den Kochtopf, ein Stück Antilopenfleisch, einen Braten vom Stachelschwein? Oder darf es als besondere Delikatesse vielleicht ein Schimpanse sein? Tropische Märkte, auf denen Wildtierfleisch verkauft wird, sind in CoronaZeiten in Verruf geraten. Zu leicht können dort immer neue Erreger vom Tier auf den Menschen überspringen, so die Argumentation.
„Tatsächlich sind durch Buschfleisch schon etliche gefährliche Krankheiten von Tieren auf Menschen übertragen worden“, sagt Fabian Leendertz, der sich am RobertKoch-Institut (RKI) in Berlin mit solchen Zoonosen (so der Fachbegriff) beschäftigt. Im Fall des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 wisse man zwar noch nicht genau, was passiert sei. Doch bei HIV sei die Sache klar: HIV-1 habe über Schimpansen den Sprung zum Menschen geschafft, HIV-2 über eine westafrikanische Affenart, die Rauchmangabe. Auch bei Ebola gibt es einen Zusammenhang zur Zubereitung oder dem Verzehr von Wildtierfleisch.
„Wie leicht man sich anstecken kann, hängt natürlich von der Stabilität des jeweiligen Erregers ab“, erklärt der RKI-Experte. Ebola-Viren sind zum Beispiel relativ sensibel und sterben leicht ab, wenn ihr Wirt getötet wird. Gefährlich werden sie daher vor allem für die Jäger, die Kontakt zu noch frischem Blut und Organen von infizierten Tieren haben. Oder für Menschen, die das rohe Fleisch zerlegen oder zubereiten. Etwas weniger riskant ist das Hantieren mit getrocknetem oder geräuchertem Fleisch, weil solche Konservierungsmethoden etliche Erreger abtöten. Und das Kochen zerstört dann meist den Rest. „Da haben nur absolute Überlebenskünstler wie die Sporen des Milzbrand-Bakteriums eine Chance“, sagt Fabian Leendertz.
Allerdings unterscheidet sich das Infektionsrisiko nicht nur zwischen den Erregern. Auch die Art des Buschfleischs spielt eine Rolle. „Besonders riskant ist zum Beispiel der
Verzehr von Primaten“, sagt Fabian Leendertz. „Schließlich sind wir ja selber welche.“Und je enger verwandt zwei Arten sind, umso leichter fällt den Erregern oft der Sprung von einer zur anderen.
Affen gehören aber nicht nur aus medizinischer Sicht zu den Tiergruppen, die nicht im Kochtopf landen sollten. Schließlich sind viele Arten ohnehin schon gefährdet. Und da sie sich nur langsam vermehren, verkraften ihre Bestände einfach keine starke Bejagung. „Schon ein paar geschossene Tiere können zu viel sein“, betont Mona Bachmann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Deshalb sei der Handel und Verzehr von Primaten auf jeden Fall ein Problem. Auch wenn diese Tiere auf dem Buschfleisch-Markt nur einen relativ geringen Anteil haben.
Solche Erkenntnisse haben Mona Bachmann und ihre Kollegen gerade in einer der bisher umfassendsten Studien zum afrikanischen Wildfleischhandel veröffentlicht. Im Umfeld des Taï Nationalparks an der westafrikanischen Elfenbeinküste haben sie rund 350 Jäger, 200 Händlerinnen und 1000 Konsumenten von Buschfleisch nach ihren Motiven und Vorlieben befragt.
Da dieses Geschäft oft mit illegalen Aktivitäten verbunden ist, hält sich die Auskunftsbereitschaft der Betroffenen zu diesem Thema normalerweise in engen Grenzen. Entsprechend wenig ist darüber bekannt, welche Tiere aus welchen Gründen auf den Markt kommen. „Genau das ist aber wichtig, wenn wir den Wildtierhandel nachhaltiger gestalten und die Übertragung von Krankheiten eindämmen wollen“, findet Mona Bachmann. Mithilfe von Vertrauenspersonen vor Ort haben sie und ihre Kollegen daher versucht, möglichst viel
Licht ins Dunkel zu bringen. Zu den beliebtesten Buschfleischlieferanten gehören demnach verschiedene Nagetiere. Auch die können theoretisch eine ganze Reihe von Krankheitserregern in sich tragen. Ob das auch für häufig verzehrte Arten wie die bis zu 20 Kilogramm schwere Große Rohrratte gilt, weiß bisher allerdings niemand so genau. „Aus Artenschutzsicht ist diese Jagd jedenfalls unkritisch, weil die Tiere nicht gefährdet sind und sich rasch vermehren“, erklärt Mona Bachmann.
Das gleiche gilt auch für einige Arten der kleinen DuckerAntilopen. Solche häufigen Arten liefern vor allem auf dem Land vielen Menschen ihre ganz alltäglichen Mahlzeiten.
Und Mona Bachmann glaubt nicht, dass es sinnvoll ist, diese Fleischquelle im Rahmen von Entwicklungsprojekten durch Fisch oder Vieh zu ersetzen. Denn das könnte zur Überfischung beitragen und dafür sorgen, dass noch mehr Regenwald in Weiden umgewandelt wird.
Fabian Leendertz vom RKI über Buschfleisch
Fabian Leendertz vom RKI sieht das ähnlich. „In vielen kleinen Dörfern im Kongo leben die Menschen seit Generationen vom Wald“, weiß der Forscher aus seiner eigenen Arbeit vor Ort. „Denen kann man nicht einfach eine Hühnerfarm zur Verfügung stellen und sagen, sie sollen jetzt so ihr Fleisch gewinnen.“Für deutlich sinnvoller hält er es, in den Städten anzusetzen. Denn dort gebe es einen Trend, Buschfleisch als Luxusprodukt zu konsumieren. „In Städten wie Brazzaville oder Kinshasa ist es oft teurer als ein Filetsteak“, sagt der Wissenschaftler.
Das gilt vor allem für das Fleisch von seltenen Arten. So hat die Befragung an der Elfenbeinküste ergeben, dass dort selbst stark bedrohte Primaten wie Schimpansen und Rote Stummelaffen auf den Markt kommen – allerdings nicht für den täglichen Verzehr. „Deshalb geht der Jagddruck auf diese Arten auch dann nicht zurück, wenn die Menschen in den Dörfern genügend Vieh haben“, erklärt Mona Bachmann. Gut gemeinte Entwicklungsprojekte, die auf Nutztierhaltung statt Wildjagd setzen, scheinen in so einem Kontext deshalb auch nicht besonders effektiv zu sein. „Sie schützen dann eher die häufig genutzten Nagetiere statt der bedrohten Affen“, sagt die Wissenschaftlerin.
Auch andere bewährte Strategien zur Eindämmung des Wildtierhandels wirken nicht immer so wie erhofft. So gilt eine Bildungsoffensive generell als gute Möglichkeit, Menschen vom Konsum bedrohter Arten abzuhalten. In verschiedenen Regionen der Welt hat das auch schon geklappt. In den Befragungen an der Elfenbeinküste aber berichteten gerade die gebildeteren Menschen von einem häufigeren Verzehr von Affenfleisch – vermutlich, weil sie mehr Geld für derartigen Luxus zur Verfügung hatten.
„Es gibt also keine Patentlösung, die überall funktioniert“, resümiert Mona Bachmann. Wer den Wildfleischhandel natur- und gesundheitsverträglicher gestalten wolle, müsse die Situation vor Ort genau analysieren. Dann gelte es, eine maßgeschneiderte Kombination von Instrumenten zu entwickeln. Entwicklungsund Bildungsprojekte könnten dabei ebenso sinnvolle Bausteine sein wie kulturelle Ansätze.
Bei den Konsumenten sieht die MPI-Forscherin die vielversprechendsten Möglichkeiten. Während Jäger und Händlerinnen in vielen ländlichen Regionen Afrikas unter enormem wirtschaftlichem Druck stehen, haben die Verbraucher eher die Wahl. Sie müssen keinen Affen essen, wenn sie nicht wollen.