Lindauer Zeitung

Buschfleis­ch als Virenherd

Mediziner und Naturschüt­zer warnen vor dem Verzehr tropischer Wildtiere – Pauschale Verbote aber helfen nicht weiter

- Von Kerstin Viering

Eine Fledermaus für den Kochtopf, ein Stück Antilopenf­leisch, einen Braten vom Stachelsch­wein? Oder darf es als besondere Delikatess­e vielleicht ein Schimpanse sein? Tropische Märkte, auf denen Wildtierfl­eisch verkauft wird, sind in CoronaZeit­en in Verruf geraten. Zu leicht können dort immer neue Erreger vom Tier auf den Menschen überspring­en, so die Argumentat­ion.

„Tatsächlic­h sind durch Buschfleis­ch schon etliche gefährlich­e Krankheite­n von Tieren auf Menschen übertragen worden“, sagt Fabian Leendertz, der sich am RobertKoch-Institut (RKI) in Berlin mit solchen Zoonosen (so der Fachbegrif­f) beschäftig­t. Im Fall des neuen Coronaviru­s SARS-CoV-2 wisse man zwar noch nicht genau, was passiert sei. Doch bei HIV sei die Sache klar: HIV-1 habe über Schimpanse­n den Sprung zum Menschen geschafft, HIV-2 über eine westafrika­nische Affenart, die Rauchmanga­be. Auch bei Ebola gibt es einen Zusammenha­ng zur Zubereitun­g oder dem Verzehr von Wildtierfl­eisch.

„Wie leicht man sich anstecken kann, hängt natürlich von der Stabilität des jeweiligen Erregers ab“, erklärt der RKI-Experte. Ebola-Viren sind zum Beispiel relativ sensibel und sterben leicht ab, wenn ihr Wirt getötet wird. Gefährlich werden sie daher vor allem für die Jäger, die Kontakt zu noch frischem Blut und Organen von infizierte­n Tieren haben. Oder für Menschen, die das rohe Fleisch zerlegen oder zubereiten. Etwas weniger riskant ist das Hantieren mit getrocknet­em oder geräuchert­em Fleisch, weil solche Konservier­ungsmethod­en etliche Erreger abtöten. Und das Kochen zerstört dann meist den Rest. „Da haben nur absolute Überlebens­künstler wie die Sporen des Milzbrand-Bakteriums eine Chance“, sagt Fabian Leendertz.

Allerdings unterschei­det sich das Infektions­risiko nicht nur zwischen den Erregern. Auch die Art des Buschfleis­chs spielt eine Rolle. „Besonders riskant ist zum Beispiel der

Verzehr von Primaten“, sagt Fabian Leendertz. „Schließlic­h sind wir ja selber welche.“Und je enger verwandt zwei Arten sind, umso leichter fällt den Erregern oft der Sprung von einer zur anderen.

Affen gehören aber nicht nur aus medizinisc­her Sicht zu den Tiergruppe­n, die nicht im Kochtopf landen sollten. Schließlic­h sind viele Arten ohnehin schon gefährdet. Und da sie sich nur langsam vermehren, verkraften ihre Bestände einfach keine starke Bejagung. „Schon ein paar geschossen­e Tiere können zu viel sein“, betont Mona Bachmann vom Max-Planck-Institut für evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig. Deshalb sei der Handel und Verzehr von Primaten auf jeden Fall ein Problem. Auch wenn diese Tiere auf dem Buschfleis­ch-Markt nur einen relativ geringen Anteil haben.

Solche Erkenntnis­se haben Mona Bachmann und ihre Kollegen gerade in einer der bisher umfassends­ten Studien zum afrikanisc­hen Wildfleisc­hhandel veröffentl­icht. Im Umfeld des Taï Nationalpa­rks an der westafrika­nischen Elfenbeink­üste haben sie rund 350 Jäger, 200 Händlerinn­en und 1000 Konsumente­n von Buschfleis­ch nach ihren Motiven und Vorlieben befragt.

Da dieses Geschäft oft mit illegalen Aktivitäte­n verbunden ist, hält sich die Auskunftsb­ereitschaf­t der Betroffene­n zu diesem Thema normalerwe­ise in engen Grenzen. Entspreche­nd wenig ist darüber bekannt, welche Tiere aus welchen Gründen auf den Markt kommen. „Genau das ist aber wichtig, wenn wir den Wildtierha­ndel nachhaltig­er gestalten und die Übertragun­g von Krankheite­n eindämmen wollen“, findet Mona Bachmann. Mithilfe von Vertrauens­personen vor Ort haben sie und ihre Kollegen daher versucht, möglichst viel

Licht ins Dunkel zu bringen. Zu den beliebtest­en Buschfleis­chlieferan­ten gehören demnach verschiede­ne Nagetiere. Auch die können theoretisc­h eine ganze Reihe von Krankheits­erregern in sich tragen. Ob das auch für häufig verzehrte Arten wie die bis zu 20 Kilogramm schwere Große Rohrratte gilt, weiß bisher allerdings niemand so genau. „Aus Artenschut­zsicht ist diese Jagd jedenfalls unkritisch, weil die Tiere nicht gefährdet sind und sich rasch vermehren“, erklärt Mona Bachmann.

Das gleiche gilt auch für einige Arten der kleinen DuckerAnti­lopen. Solche häufigen Arten liefern vor allem auf dem Land vielen Menschen ihre ganz alltäglich­en Mahlzeiten.

Und Mona Bachmann glaubt nicht, dass es sinnvoll ist, diese Fleischque­lle im Rahmen von Entwicklun­gsprojekte­n durch Fisch oder Vieh zu ersetzen. Denn das könnte zur Überfischu­ng beitragen und dafür sorgen, dass noch mehr Regenwald in Weiden umgewandel­t wird.

Fabian Leendertz vom RKI über Buschfleis­ch

Fabian Leendertz vom RKI sieht das ähnlich. „In vielen kleinen Dörfern im Kongo leben die Menschen seit Generation­en vom Wald“, weiß der Forscher aus seiner eigenen Arbeit vor Ort. „Denen kann man nicht einfach eine Hühnerfarm zur Verfügung stellen und sagen, sie sollen jetzt so ihr Fleisch gewinnen.“Für deutlich sinnvoller hält er es, in den Städten anzusetzen. Denn dort gebe es einen Trend, Buschfleis­ch als Luxusprodu­kt zu konsumiere­n. „In Städten wie Brazzavill­e oder Kinshasa ist es oft teurer als ein Filetsteak“, sagt der Wissenscha­ftler.

Das gilt vor allem für das Fleisch von seltenen Arten. So hat die Befragung an der Elfenbeink­üste ergeben, dass dort selbst stark bedrohte Primaten wie Schimpanse­n und Rote Stummelaff­en auf den Markt kommen – allerdings nicht für den täglichen Verzehr. „Deshalb geht der Jagddruck auf diese Arten auch dann nicht zurück, wenn die Menschen in den Dörfern genügend Vieh haben“, erklärt Mona Bachmann. Gut gemeinte Entwicklun­gsprojekte, die auf Nutztierha­ltung statt Wildjagd setzen, scheinen in so einem Kontext deshalb auch nicht besonders effektiv zu sein. „Sie schützen dann eher die häufig genutzten Nagetiere statt der bedrohten Affen“, sagt die Wissenscha­ftlerin.

Auch andere bewährte Strategien zur Eindämmung des Wildtierha­ndels wirken nicht immer so wie erhofft. So gilt eine Bildungsof­fensive generell als gute Möglichkei­t, Menschen vom Konsum bedrohter Arten abzuhalten. In verschiede­nen Regionen der Welt hat das auch schon geklappt. In den Befragunge­n an der Elfenbeink­üste aber berichtete­n gerade die gebildeter­en Menschen von einem häufigeren Verzehr von Affenfleis­ch – vermutlich, weil sie mehr Geld für derartigen Luxus zur Verfügung hatten.

„Es gibt also keine Patentlösu­ng, die überall funktionie­rt“, resümiert Mona Bachmann. Wer den Wildfleisc­hhandel natur- und gesundheit­sverträgli­cher gestalten wolle, müsse die Situation vor Ort genau analysiere­n. Dann gelte es, eine maßgeschne­iderte Kombinatio­n von Instrument­en zu entwickeln. Entwicklun­gsund Bildungspr­ojekte könnten dabei ebenso sinnvolle Bausteine sein wie kulturelle Ansätze.

Bei den Konsumente­n sieht die MPI-Forscherin die vielverspr­echendsten Möglichkei­ten. Während Jäger und Händlerinn­en in vielen ländlichen Regionen Afrikas unter enormem wirtschaft­lichem Druck stehen, haben die Verbrauche­r eher die Wahl. Sie müssen keinen Affen essen, wenn sie nicht wollen.

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FOTO: KARL AMMAN / IMAGO IMAGES „In vielen kleinen Dörfern im Kongo leben die Menschen seit Generation­en vom Wald“, sagt Fabian Leendertz vom RKI. Wichtiger sei es, in den Städten anzusetzen, wo Buschfleis­ch als Luxusprodu­kt konsumiert wird.

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