Lindauer Zeitung

Studium auf Probe

- Von Sarah Schababerl­e

Das langersehn­te Studentenl­eben kann eine ernüchtern­de Erfahrung sein, vor allem ●wenn man feststellt, dass das eigentlich­e Wunschfach doch nicht das ist, was man sich darunter vorgestell­t hat. Mehr als 18 000 Bachelor- und Masterstud­iengänge gab es zum Winterseme­ster 2019/2020 in Deutschlan­d – junge Erwachsene haben da die Qual der Wahl – und liegen damit nicht immer auf Anhieb richtig. Immer wieder brechen Studierend­e nach wenigen Semestern ihr Studium ab oder wechseln das Fach. Um das zu verhindern, bieten einige Hochschule­n Orientieru­ngssemeste­r an, in denen Studierend­e erste Uni-Luft schnuppern und Fachrichtu­ngen ausprobier­en dürfen, ohne sich bereits festzulege­n. Bereits erbrachte Studienlei­stungen können dann auf das folgende Bachelor-Studium angerechne­t werden.

An der Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n können sich Studienanf­änger während ihres Orientieru­ngssemeste­rs an den vier Fakultäten, Informatik, Engineerin­g, Life Sciences sowie Business Science and Management, Module nach Interesse aussuchen. Hinzu kommen Grundlagen­veranstalt­ungen wie Mathematik, Physik oder Einführung in die Betriebswi­rtschaftsl­ehre sowie spezifisch­e Angebote – beispielsw­eise Arzneiform­enlehre, Projektman­agement, Food Technology oder IT-Security.

Einen festen Stundenpla­n haben die Studierend­en dabei nicht: Sie können selbst entscheide­n, ob sie Lehrverans­taltungen an einer oder an mehreren Fakultäten belegen. Start ist jeweils zum Winter- und Sommerseme­ster.

Auch die Universitä­t Ulm hat ein solches Angebot. Wer zunächst ausprobier­en möchte, ob ein Studium in Biologie, Chemie, Elektrotec­hnik, Informatik, Mathematik, Physik oder Wirtschaft­swissensch­aften überhaupt infrage kommt, wer in verschiede­ne Uni-Veranstalt­ungen hineinschn­uppern oder den Start etwas sanfter gestalten will, kann sich jeweils zum Sommerseme­ster für ein Orientieru­ngssemeste­r einschreib­en. Neben einer speziell auf die „Studierend­en auf

Probe“abgestimmt­en Mathematik­Veranstalt­ung dürfen die jungen Erwachsene­n dabei auch einige reguläre Vorlesunge­n und Seminare der Erst- oder Zweitsemes­ter studieren. Außerdem gibt es Hilfestell­ungen in der Organisati­on des Studienall­tags. Studiengan­gskoordina­tor Gerold Brackenhof­er organisier­t das Orientieru­ngssemeste­r an der Uni Ulm. „Es geht darum, den Studienall­tag kennenzule­rnen“, erklärt er. Dabei sei es wichtig, richtig zu studieren, Vorlesunge­n nachzubere­iten und auch schon mal Prüfungser­fahrung zu machen. 53 Studierend­e nahmen laut Brackenhof­er in diesem Sommer das Angebot des Orientieru­ngssemeste­rs wahr, 37 waren es 2019. Dabei ergab die Auswertung einer Umfrage, dass sich zuletzt mehr als die Hälfte anschließe­nd für ein reguläres Studium an der Uni Ulm einschrieb. doch ganz anders aus.

Ein Orientieru­ngssemeste­r bietet die Möglichkei­t, schon mal eine Ahnung vom Studienall­tag zu bekommen. Dabei können Studierend­e bereits an Prüfungen teilnehmen und sich Punkte für ihr Bachelor-Studium anrechnen lassen. Nicht bestandene Prüfungen zählen jedoch nicht als Fehlversuc­he. „Die, die beim Orientieru­ngssemeste­r ernsthaft mitgemacht haben, davon bin ich überzeugt, entscheide­n sich anschließe­nd richtig“, so Brackenhof­er.

Agnes Keller hat im vergangene­n Sommerseme­ster das Orientieru­ngssemeste­r belegt. Für die 21jährige Geislinger­in zunächst die Möglichkei­t ein Semester Leerlauf bis zum regulären Studiensta­rt im Winterseme­ster zu umgehen. „Ich möchte Chemie studieren, aber im Sommerseme­ster gibt es wenige Studienmög­lichkeiten“, sagt sie. Neben „Mathematik im Orientieru­ngssemeste­r“besuchte sie mehrere Chemie-Vorlesunge­n. Die Vorlesunge­n fanden coronabedi­ngt alle online oder per Video statt. „Das Ausmaß der Klausuren hat mich überrascht“, erzählt sie. Man müsse viel mehr Lernstoff in weniger Zeit lernen als noch in der Schule. Ihren Studienwun­sch konnte Keller durch das Orientieru­ngssemeste­r festigen. „Ich könnte mir vorstellen, später in einem Unternehme­n zu arbeiten und Produktion­svorgänge umweltfreu­ndlicher zu gestalten“, sagt Keller.

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Foto: Sebastian Gollnow/dpa-Archiv

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