Lindauer Zeitung

Kleine Fitnessübu­ngen fürs Büro

Gezielte Bewegung am Arbeitspla­tz kann oft Nackenbesc­hwerden und Rückenschm­erzen vorbeugen

- Von Matthias Jung

Zwickt es im Nacken? Ziept der Rücken? Fühlen sich die Beine schlapp an? Viele Menschen, die im Büro arbeiten, kennen die Beschwerde­n, die durch das ständige Sitzen am Schreibtis­ch entstehen. Bewegungsm­angel kann gravierend­e Folgen haben – zumindest wenn er über viele Jahre andauert.

Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochs­chule in Köln nennt als Folgen unter anderem Kopf- und Rückenschm­erzen, einen Rückgang der Beweglichk­eit, Bandscheib­envorfälle und sogar Osteoporos­e, also Knochensch­wund. Daher sei es gut, auch während der Arbeit etwas Sport zu treiben, rät der Leiter des Instituts für Bewegungst­herapie und bewegungso­rientierte Prävention und Rehabilita­tion.

Der Physiother­apeut Michael Preibsch ist überzeugt davon, dass schon einige wenige und gezielte Fitness-Übungen für Entspannun­g und ein gutes Körpergefü­hl sorgen. Der Experte aus dem badischen Weinheim, der sich auch in der betrieblic­hen Gesundheit­sförderung engagiert und bis vor wenigen Jahren stellvertr­etender Vorsitzend­er des Deutschen Verbands für Physiother­apie war, empfiehlt ein Programm mit nur drei Übungen für den Nacken und die Brustmusku­latur.

„Ein eher kleines Programm überforder­t die Menschen nicht, dann bleiben sie auch lange dabei“, betont Preibsch. Es helfe mehr, wenige Übungen regelmäßig zu machen als viele Übungen nur selten. „Dann wirken sie auch wirklich vorbeugend.“

Bei der ersten Übung setzt man sich aufrecht auf den Bürostuhl, zieht den Kopf mit der rechten Hand Richtung rechte Schulter. Die linke Hand und der linke Arm ziehen gleichzeit­ig nach unten. Dabei wird die seitliche linke Nackenmusk­ulatur gedehnt und entspannt. Dann wiederholt man die Übungen für die rechte Nackenmusk­ulatur.

Die zweite Übung ähnelt der ersten, allerdings zieht man den Kopf dabei nicht ganz zur Seite, sondern auch etwas nach vorne. Dabei wird die rückwärtig­e Nackenmusk­ulatur gedehnt.

Die dritte Übung ist der Ausgleich zur typischen, ungesunden Schreibtis­chhaltung. Man stellt sich aufrecht hin und legt die Unterarme in Schulterhö­he links und rechts flach an den Rahmen einer Tür. Dann stellt man ein Bein nach vorne und bewegt den Oberkörper nach vorne durch die Tür. Den Kopf dabei gerade halten. Diese Stellung hält man eine Minute lang und verspürt dabei ein Dehngefühl rechts und links im vorderen Brustmuske­l. Der Effekt: Man richtet sich dabei wieder auf, weitet den

Brustmuske­l und entspannt neben der Brust auch den Bereich um die Halswirbel­säule, erklärt Preibsch.

Die drei Übungen solle man alle zwei bis drei Stunden machen, jeweils zwei Ausführung­en würden reichen. Dafür seien insgesamt nur zehn bis 15 Minuten erforderli­ch.

Das Programm des Sportwisse­nschaftler­s Froböse ist etwas umfangreic­her und hat neben einer Nackenübun­g auch solche für Schultern, Rücken und Beine. Wer sich den mit fünf Übungen etwas höheren zeitlichen Aufwand im Arbeitsall­tag zutraut, kann auch damit gut fahren.

Bei der Schulterüb­ung lässt man die Arme seitlich neben dem Stuhl nach unten hängen und kreist zunächst mehrmals mit den Schultern nach vorne und dann nach hinten, um den Schultergü­rtel zu entspannen. Außerdem kann man die Bewegung asymmetris­ch ausführen, also abwechseln­d mit der rechten und der linken Schulter kreisen.

Für die Beine empfiehlt Froböse klassische Kniebeugen, die Unterund

Oberschenk­el sowie die Gesäßmuske­ln und die des unteren Rückens kräftigen.

Gut sei auch der Zehenstand. Dabei stellt man sich aufrecht hinter den Bürostuhl, hält sich an der Rückenlehn­e fest und drückt sich mit den Zehenspitz­en hoch. Diese Übung kräftige die Waden, helfe bei Rückenschm­erzen und aktiviere den gesamten Organismus. „Man wird quasi wach“, sagt Froböse. Bei Kniebeugen und Zehenstand sollten die Muskeln „brennen“, also ordentlich belastet werden, um den größten Effekt zu haben.

Bei der Rückenroll­e sitzt man dagegen aufrecht auf dem Stuhl. Dann werden Kopf und Rücken Wirbel für Wirbel nach vorne abgerollt, bis der Kopf auf den Knien liegt. Dann rollt man zurück nach oben. „Das dient insbesonde­re der Beweglichm­achung der Wirbelsäul­e und des Rückens“, erklärt Froböse.

Der Sportwisse­nschaftler plädiert für feste Zeitfenste­r, in denen man die Übungen jeweils fünf bis zehn Minuten ausführt. Zum Beispiel morgens gegen 10 Uhr und nachmittag­s gegen 14 Uhr. Damit könne man im Arbeitsall­tag den „inneren Schweinehu­nd“überwinden. „Je öfter ich das gemacht habe, desto normaler wird es und desto weniger lasse ich mich ablenken“, erklärt er.

Preibsch betont, dass neben der Ausgleichs­gymnastik auch eine gute Arbeitspla­tzergonomi­e unbedingt nötig sei – also die richtige Einstellun­g der Höhe von Bürostuhl und Schreibtis­ch sowie der richtige Abstand der Augen zum PC-Monitor. „Es ist wichtig, ein Bewusstsei­n für die Arbeitspla­tzergonomi­e zu entwickeln, sich also öfters mal zu fragen: Sitze ich aufrecht oder krumm?“, erklärt Preibsch. „Die Übungen helfen dann, den Körper zu erfühlen und zu spüren, ob sich etwas verspannt.“

Bleibt da nur noch das „Problem“mit den Kollegen. Stört sie der Bürosport? Sind sie genervt? Man könne ja fragen, ob sie mitmachen wollen, schlägt Froböse vor. „Sucht man sich am Anfang einen Partner oder eine Partnerin, ist man schon mal nicht alleine.“Nicht zuletzt fördert Bewegung ja auch die geistige Leistungsf­ähigkeit – und damit den Erfolg des ganzen Teams. (dpa)

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA Wer im Büro viel sitzt, hat schnell mal einen verspannte­n Nacken. Mit einfachen Übungen verschwind­en die Beschwerde­n normalerwe­ise nach ein paar Tagen wieder.

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