Kleine Fitnessübungen fürs Büro
Gezielte Bewegung am Arbeitsplatz kann oft Nackenbeschwerden und Rückenschmerzen vorbeugen
Zwickt es im Nacken? Ziept der Rücken? Fühlen sich die Beine schlapp an? Viele Menschen, die im Büro arbeiten, kennen die Beschwerden, die durch das ständige Sitzen am Schreibtisch entstehen. Bewegungsmangel kann gravierende Folgen haben – zumindest wenn er über viele Jahre andauert.
Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln nennt als Folgen unter anderem Kopf- und Rückenschmerzen, einen Rückgang der Beweglichkeit, Bandscheibenvorfälle und sogar Osteoporose, also Knochenschwund. Daher sei es gut, auch während der Arbeit etwas Sport zu treiben, rät der Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation.
Der Physiotherapeut Michael Preibsch ist überzeugt davon, dass schon einige wenige und gezielte Fitness-Übungen für Entspannung und ein gutes Körpergefühl sorgen. Der Experte aus dem badischen Weinheim, der sich auch in der betrieblichen Gesundheitsförderung engagiert und bis vor wenigen Jahren stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Verbands für Physiotherapie war, empfiehlt ein Programm mit nur drei Übungen für den Nacken und die Brustmuskulatur.
„Ein eher kleines Programm überfordert die Menschen nicht, dann bleiben sie auch lange dabei“, betont Preibsch. Es helfe mehr, wenige Übungen regelmäßig zu machen als viele Übungen nur selten. „Dann wirken sie auch wirklich vorbeugend.“
Bei der ersten Übung setzt man sich aufrecht auf den Bürostuhl, zieht den Kopf mit der rechten Hand Richtung rechte Schulter. Die linke Hand und der linke Arm ziehen gleichzeitig nach unten. Dabei wird die seitliche linke Nackenmuskulatur gedehnt und entspannt. Dann wiederholt man die Übungen für die rechte Nackenmuskulatur.
Die zweite Übung ähnelt der ersten, allerdings zieht man den Kopf dabei nicht ganz zur Seite, sondern auch etwas nach vorne. Dabei wird die rückwärtige Nackenmuskulatur gedehnt.
Die dritte Übung ist der Ausgleich zur typischen, ungesunden Schreibtischhaltung. Man stellt sich aufrecht hin und legt die Unterarme in Schulterhöhe links und rechts flach an den Rahmen einer Tür. Dann stellt man ein Bein nach vorne und bewegt den Oberkörper nach vorne durch die Tür. Den Kopf dabei gerade halten. Diese Stellung hält man eine Minute lang und verspürt dabei ein Dehngefühl rechts und links im vorderen Brustmuskel. Der Effekt: Man richtet sich dabei wieder auf, weitet den
Brustmuskel und entspannt neben der Brust auch den Bereich um die Halswirbelsäule, erklärt Preibsch.
Die drei Übungen solle man alle zwei bis drei Stunden machen, jeweils zwei Ausführungen würden reichen. Dafür seien insgesamt nur zehn bis 15 Minuten erforderlich.
Das Programm des Sportwissenschaftlers Froböse ist etwas umfangreicher und hat neben einer Nackenübung auch solche für Schultern, Rücken und Beine. Wer sich den mit fünf Übungen etwas höheren zeitlichen Aufwand im Arbeitsalltag zutraut, kann auch damit gut fahren.
Bei der Schulterübung lässt man die Arme seitlich neben dem Stuhl nach unten hängen und kreist zunächst mehrmals mit den Schultern nach vorne und dann nach hinten, um den Schultergürtel zu entspannen. Außerdem kann man die Bewegung asymmetrisch ausführen, also abwechselnd mit der rechten und der linken Schulter kreisen.
Für die Beine empfiehlt Froböse klassische Kniebeugen, die Unterund
Oberschenkel sowie die Gesäßmuskeln und die des unteren Rückens kräftigen.
Gut sei auch der Zehenstand. Dabei stellt man sich aufrecht hinter den Bürostuhl, hält sich an der Rückenlehne fest und drückt sich mit den Zehenspitzen hoch. Diese Übung kräftige die Waden, helfe bei Rückenschmerzen und aktiviere den gesamten Organismus. „Man wird quasi wach“, sagt Froböse. Bei Kniebeugen und Zehenstand sollten die Muskeln „brennen“, also ordentlich belastet werden, um den größten Effekt zu haben.
Bei der Rückenrolle sitzt man dagegen aufrecht auf dem Stuhl. Dann werden Kopf und Rücken Wirbel für Wirbel nach vorne abgerollt, bis der Kopf auf den Knien liegt. Dann rollt man zurück nach oben. „Das dient insbesondere der Beweglichmachung der Wirbelsäule und des Rückens“, erklärt Froböse.
Der Sportwissenschaftler plädiert für feste Zeitfenster, in denen man die Übungen jeweils fünf bis zehn Minuten ausführt. Zum Beispiel morgens gegen 10 Uhr und nachmittags gegen 14 Uhr. Damit könne man im Arbeitsalltag den „inneren Schweinehund“überwinden. „Je öfter ich das gemacht habe, desto normaler wird es und desto weniger lasse ich mich ablenken“, erklärt er.
Preibsch betont, dass neben der Ausgleichsgymnastik auch eine gute Arbeitsplatzergonomie unbedingt nötig sei – also die richtige Einstellung der Höhe von Bürostuhl und Schreibtisch sowie der richtige Abstand der Augen zum PC-Monitor. „Es ist wichtig, ein Bewusstsein für die Arbeitsplatzergonomie zu entwickeln, sich also öfters mal zu fragen: Sitze ich aufrecht oder krumm?“, erklärt Preibsch. „Die Übungen helfen dann, den Körper zu erfühlen und zu spüren, ob sich etwas verspannt.“
Bleibt da nur noch das „Problem“mit den Kollegen. Stört sie der Bürosport? Sind sie genervt? Man könne ja fragen, ob sie mitmachen wollen, schlägt Froböse vor. „Sucht man sich am Anfang einen Partner oder eine Partnerin, ist man schon mal nicht alleine.“Nicht zuletzt fördert Bewegung ja auch die geistige Leistungsfähigkeit – und damit den Erfolg des ganzen Teams. (dpa)