Von Lochkreisen und Einpresstiefen
Es kommt nicht nur auf die Optik an – Was beim Kauf von neuen Felgen zu beachten ist
Oft machen Details den Unterschied. Eine Felgengröße plus, etwas breitere Reifen – schon könnte die bisher unscheinbare Familienkutsche deutlich attraktiver wirken. Ganz so einfach ist es aber nicht, sein Auto aufzuhübschen oder den richtigen Reifen zu finden. Und das liegt nicht nur am kaum überschaubaren Angebot der Zulieferindustrie.
„Nicht alles, was technisch vielleicht machbar wäre, ist erlaubt“, weiß Bernd Stürmer. „Man muss zunächst unterscheiden zwischen dem, was der Hersteller meines Fahrzeugs anbietet, und den Angeboten der Zulieferindustrie, wie die großen Reifenketten.“Das, was der Fahrzeughersteller selbst vermarkte, sei in der Genehmigung des Gesamtfahrzeugs enthalten, so der Experte vom TÜV Nord. Das entsprechende Siegel OEM (englisch: Original Equipment Manufacturer; übersetzt: Originalzubehör-Hersteller) werde in der Autoindustrie als Synonym für den jeweiligen Hersteller verwendet. In aller Regel benötige man dann keine weitere Begutachtung.
Auch Matthias Penkala, Regionalbeauftragter für Bayern beim Auto Club Europa (ACE), sieht denjenigen, der seine neuen Felgen beim Hersteller des Fahrzeugs kaufe, auf der sicheren Seite. „Grundsätzlich dürfen in Deutschland nur solche Räder gefahren werden, für die ein entsprechendes Gutachten vorliegt, das zudem meist die entsprechende Reifengröße vergibt“, erklärt Penkala. Solche belastbaren Genehmigungsdokumente könnten unter anderem ECE-Genehmigungen, TeileABE und Teilegutachten sein, ergänzt Stürmer.
„Gutachten erstellen können in Deutschland nur zertifizierte, akkreditierte Prüfinstitute“, so Penkala. In Deutschland seien das unter anderem der TÜV Süd, der TÜV Nord oder die Dekra. Auch Gutachten des TÜV Austria seien zum Beispiel zulässig, da sie in Deutschland akkreditiert sind. Alternativ könne auch die so genannte KBA-Nummer vom Kraftfahrtbundesamt in die Felge eingraviert sein.
Beide Experten halten zudem den Kauf im ausgewiesenen Fachhandel für risikolos. „Wenn ich mich an Reifenund Felgenhändler meines Vertrauens wende, wird der mir in der Regel auch nur das verkaufen, was für mein Fahrzeug zugelassen ist“, sagt der Experte vom ACE. Im Übrigen kann, muss aber der Kauf im Zubehörhandel nicht mehr Aufwand nach sich ziehen als der beim Autohersteller. „Für Nachbauräder, die den Originalrädern zum Verwechseln ähneln, muss eine Genehmigung nach ECE R124 vorliegen. Diese Räder dürfen, wie die Originalräder, ohne Eintragung gefahren werden“, sagt Stürmer.
„Andere Felgen, die ähnliche Eigenschaften wie die Nachbauräder haben, verlangen dagegen nach einer Allgemeinen Betriebserlaubnis, ABE.“Auch in diesem Fall bedürfe es gemeinhin keiner Eintragung. Ausnahme: „Wenn die Felgen zum Beispiel spurverbreiternd sind, werden nachträgliche Arbeiten an der Karosserie notwendig – und damit auch eine Abnahme.“Felgen, die nur in kleiner Stückzahl hergestellt werden, verlangen dagegen nach einem Teilegutachten. Dieses Gutachten sei deutlich billiger als das Gesamtverfahren, das der Erteilung einer ABE stets vorausgehe, sei aber für den Fahrzeughalter immer mit einer Abnahme und mit entsprechenden Kosten verbunden, erläutert der Mann vom TÜV Nord.
Noch kniffliger wird es bei einer Einzelabnahme. Sie werde zum Beispiel fällig, wenn jemand partout Felgen fahren wolle, für die keine der bisher aufgeführten Bescheinigungen vorliege, bestätigt Penkala. Dies könne dann nicht nur ein kostenintensives, sondern vor allem auch ein sehr langwieriges Verfahren werden.
„In der Tat muss man sich da schon ein wenig auskennen mit der Materie“, lacht Penkala und nennt ein Beispiel. „Faktisch mögen die Räder
eines Golf VII vielleicht auch auf einen Tiguan passen – Lochkreis, Einpresstiefe, alles okay. Bloß die Traglast, die ist unterschiedlich.“Während der Golf insgesamt vielleicht 1200 Kilo Traglast aufweise, sind es beim Tiguan schon 1600. „Ergo dürfen die Golf-Räder beim Tiguan nicht gefahren werden.“
Lochkreis, Einpresstiefe – die Maße, die diesen Fachbegriffen zugrunde liegen, bestimmen mit, welche Felge technisch an welches Auto passt. „Nehmen wir zum Beispiel den Lochkreis“, sagt Stürmer. „Der gibt Anzahl und Abstand der Gewindelöcher vor. Beträgt der Durchmesser 98 Millimeter, kann ich also keine Felge nehmen, die 100 Millimeter aufweist, oder umgekehrt.“Eine Mutter bekomme man dann zwar wohl fest, möglicherweise sogar zwei. „Ganz bestimmt aber nicht vier oder fünf.“Ebensolche Akkuratesse verlange auch die Beachtung der Einpresstiefe, die Aufschluss gebe über Abstand zwischen Felgenmitte und der Radanschlussfläche.
Eher kritisch sehen die Experten deshalb auch den Erwerb gebrauchter Felgen, etwa über Online-Börsen oder -Auktionshäuser. „Einmal ganz davon abgesehen, dass ich nicht erkennen kann, wie pfleglich der Vorbesitzer die Felgen behandelt hat, ob es vielleicht Haarrisse gibt, die mit dem bloßen Auge gar nicht zu erkennen sind“, gibt Penkala zu bedenken, „besteht hier die Gefahr, dass ich Felgen erwerbe, die technisch vielleicht noch an mein Auto passen mögen, für die aber keine Zulassung vorliegt.“Das könne in letzter Konsequenz dazu führen, dass das Auto etwa bei der nächsten Hauptuntersuchung stillgelegt wird, warnt Stürmer vor einem allzu blauäugigen Kauf aus zweiter Hand. (dpa)