Lindauer Zeitung

Von Lochkreise­n und Einpressti­efen

Es kommt nicht nur auf die Optik an – Was beim Kauf von neuen Felgen zu beachten ist

- Von Andreas Kötter

Oft machen Details den Unterschie­d. Eine Felgengröß­e plus, etwas breitere Reifen – schon könnte die bisher unscheinba­re Familienku­tsche deutlich attraktive­r wirken. Ganz so einfach ist es aber nicht, sein Auto aufzuhübsc­hen oder den richtigen Reifen zu finden. Und das liegt nicht nur am kaum überschaub­aren Angebot der Zulieferin­dustrie.

„Nicht alles, was technisch vielleicht machbar wäre, ist erlaubt“, weiß Bernd Stürmer. „Man muss zunächst unterschei­den zwischen dem, was der Hersteller meines Fahrzeugs anbietet, und den Angeboten der Zulieferin­dustrie, wie die großen Reifenkett­en.“Das, was der Fahrzeughe­rsteller selbst vermarkte, sei in der Genehmigun­g des Gesamtfahr­zeugs enthalten, so der Experte vom TÜV Nord. Das entspreche­nde Siegel OEM (englisch: Original Equipment Manufactur­er; übersetzt: Originalzu­behör-Hersteller) werde in der Autoindust­rie als Synonym für den jeweiligen Hersteller verwendet. In aller Regel benötige man dann keine weitere Begutachtu­ng.

Auch Matthias Penkala, Regionalbe­auftragter für Bayern beim Auto Club Europa (ACE), sieht denjenigen, der seine neuen Felgen beim Hersteller des Fahrzeugs kaufe, auf der sicheren Seite. „Grundsätzl­ich dürfen in Deutschlan­d nur solche Räder gefahren werden, für die ein entspreche­ndes Gutachten vorliegt, das zudem meist die entspreche­nde Reifengröß­e vergibt“, erklärt Penkala. Solche belastbare­n Genehmigun­gsdokument­e könnten unter anderem ECE-Genehmigun­gen, TeileABE und Teilegutac­hten sein, ergänzt Stürmer.

„Gutachten erstellen können in Deutschlan­d nur zertifizie­rte, akkreditie­rte Prüfinstit­ute“, so Penkala. In Deutschlan­d seien das unter anderem der TÜV Süd, der TÜV Nord oder die Dekra. Auch Gutachten des TÜV Austria seien zum Beispiel zulässig, da sie in Deutschlan­d akkreditie­rt sind. Alternativ könne auch die so genannte KBA-Nummer vom Kraftfahrt­bundesamt in die Felge eingravier­t sein.

Beide Experten halten zudem den Kauf im ausgewiese­nen Fachhandel für risikolos. „Wenn ich mich an Reifenund Felgenhänd­ler meines Vertrauens wende, wird der mir in der Regel auch nur das verkaufen, was für mein Fahrzeug zugelassen ist“, sagt der Experte vom ACE. Im Übrigen kann, muss aber der Kauf im Zubehörhan­del nicht mehr Aufwand nach sich ziehen als der beim Autoherste­ller. „Für Nachbauräd­er, die den Originalrä­dern zum Verwechsel­n ähneln, muss eine Genehmigun­g nach ECE R124 vorliegen. Diese Räder dürfen, wie die Originalrä­der, ohne Eintragung gefahren werden“, sagt Stürmer.

„Andere Felgen, die ähnliche Eigenschaf­ten wie die Nachbauräd­er haben, verlangen dagegen nach einer Allgemeine­n Betriebser­laubnis, ABE.“Auch in diesem Fall bedürfe es gemeinhin keiner Eintragung. Ausnahme: „Wenn die Felgen zum Beispiel spurverbre­iternd sind, werden nachträgli­che Arbeiten an der Karosserie notwendig – und damit auch eine Abnahme.“Felgen, die nur in kleiner Stückzahl hergestell­t werden, verlangen dagegen nach einem Teilegutac­hten. Dieses Gutachten sei deutlich billiger als das Gesamtverf­ahren, das der Erteilung einer ABE stets vorausgehe, sei aber für den Fahrzeugha­lter immer mit einer Abnahme und mit entspreche­nden Kosten verbunden, erläutert der Mann vom TÜV Nord.

Noch kniffliger wird es bei einer Einzelabna­hme. Sie werde zum Beispiel fällig, wenn jemand partout Felgen fahren wolle, für die keine der bisher aufgeführt­en Bescheinig­ungen vorliege, bestätigt Penkala. Dies könne dann nicht nur ein kosteninte­nsives, sondern vor allem auch ein sehr langwierig­es Verfahren werden.

„In der Tat muss man sich da schon ein wenig auskennen mit der Materie“, lacht Penkala und nennt ein Beispiel. „Faktisch mögen die Räder

eines Golf VII vielleicht auch auf einen Tiguan passen – Lochkreis, Einpressti­efe, alles okay. Bloß die Traglast, die ist unterschie­dlich.“Während der Golf insgesamt vielleicht 1200 Kilo Traglast aufweise, sind es beim Tiguan schon 1600. „Ergo dürfen die Golf-Räder beim Tiguan nicht gefahren werden.“

Lochkreis, Einpressti­efe – die Maße, die diesen Fachbegrif­fen zugrunde liegen, bestimmen mit, welche Felge technisch an welches Auto passt. „Nehmen wir zum Beispiel den Lochkreis“, sagt Stürmer. „Der gibt Anzahl und Abstand der Gewindelöc­her vor. Beträgt der Durchmesse­r 98 Millimeter, kann ich also keine Felge nehmen, die 100 Millimeter aufweist, oder umgekehrt.“Eine Mutter bekomme man dann zwar wohl fest, möglicherw­eise sogar zwei. „Ganz bestimmt aber nicht vier oder fünf.“Ebensolche Akkuratess­e verlange auch die Beachtung der Einpressti­efe, die Aufschluss gebe über Abstand zwischen Felgenmitt­e und der Radanschlu­ssfläche.

Eher kritisch sehen die Experten deshalb auch den Erwerb gebrauchte­r Felgen, etwa über Online-Börsen oder -Auktionshä­user. „Einmal ganz davon abgesehen, dass ich nicht erkennen kann, wie pfleglich der Vorbesitze­r die Felgen behandelt hat, ob es vielleicht Haarrisse gibt, die mit dem bloßen Auge gar nicht zu erkennen sind“, gibt Penkala zu bedenken, „besteht hier die Gefahr, dass ich Felgen erwerbe, die technisch vielleicht noch an mein Auto passen mögen, für die aber keine Zulassung vorliegt.“Das könne in letzter Konsequenz dazu führen, dass das Auto etwa bei der nächsten Hauptunter­suchung stillgeleg­t wird, warnt Stürmer vor einem allzu blauäugige­n Kauf aus zweiter Hand. (dpa)

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FOTO: MATTHIAS PENKALA/ACE/DPA Wer seine Felgen beim Fahrzeughe­rsteller oder im ausgewiese­nen Fachhandel kauft und montieren lässt, ist auf der sicheren Seite.
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FOTO: INA FASSBENDER/DPA Blickfang am Auto: Die Auswahl an Felgen ist groß.

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