Lindauer Zeitung

München feiert Wiesn-Ersatz

Das Oktoberfes­t fällt zwar aus, „ozapft“wird aber trotz steigender Corona-Zahlen

- Von Sabine Dobel, Christof Rührmair und Annette Reuther

(dpa) - Strahlende­r Sonnensche­in, Menschen in Dirndl und Lederhose, Brauereige­spanne, hie und da Pferdeäpfe­l auf den Straßen: Manches ist wie immer an dem Wochenende, an dem eigentlich das Oktoberfes­t eröffnet worden wäre. Wegen Corona wurde es abgesagt, doch viele Menschen haben sich die Wiesnlaune davon nicht verderben lassen. Auch „Ozapft is“, hieß es am Samstag vielerorts trotzdem, wenn auch mit pandemiebe­dingt reduzierte­r Feier-Intensität. In der Nacht zum Sonntag blieb es dann laut Polizei auch ruhig.

In gut 50 Gaststätte­n laden Wirte zur „WirtshausW­iesn“mit Wiesnbier, Hendl, Haxn und Musik. Bis 4. Oktober soll die Aktion dauern. Gleichzeit­ig stiegen allerdings die Corona-Zahlen weiter, am Samstag erreichten sie in München den Wert von 54,2 Neuerkrank­ungen pro 100 000 Einwohner in einer Woche. Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) hatte gemahnt, sich strikt an die Corona-Regeln zu halten, und versichert, dies werde engmaschig kontrollie­rt. Anfang der Woche soll ein Krisenstab über mögliche weitere Maßnahmen beraten.

Wirte, Geschäftsl­eute und Sicherheit­skräfte zogen eine positive Bilanz des ursprüngli­ch geplanten ersten Oktoberfes­ttages. Vielerorts waren die Biergärten voll, mancher bekam keinen Platz oder musste warten – auch weil es coronabedi­ngt weniger Plätze gab.

Die Gäste hätten sich an CoronaRege­ln gehalten und friedlich gefeiert, sagte der Sprecher der Innenstadt­wirte und Chef des Augustiner Klosterwir­t, Gregor Lemke. Die Wiesn sei ein „tiefes Lebensgefü­hl“. „Es geht gar nicht so sehr um die Wiesn, die Leute wollen dieses Lebensgefü­hl spüren.“Er habe viele glückliche Gesichter gesehen.

Wiesnwirt Christian Schottenha­mmel berichtete ebenfalls, die Gäste seiner Gaststätte am Nockherber­g hätten sich an die Regeln gehalten. Auch die Kontrolleu­re der Stadt seien zufrieden gewesen. Mehr als 1000 Menschen fanden in Festsaal und Biergarten Platz – allerdings seien auch rund zehn reserviert­e Tische leer geblieben, weil Gäste angesichts der Infektions­zahlen nicht gekommen seien. „Man merkt, die Bevölkerun­g ist bisschen gespalten“, sagte er. Ein Teil habe großen Respekt vor dem Virus, ein anderer fühle sich in der Gastronomi­e sicher.

„Wir sind bisher sehr zufrieden“, sagte auch ein Sprecher des Vereins Citypartne­r, der unter anderem für mehrere Innenstadt­geschäfte mit einer Gutscheina­ktion für das Tragen von Tracht geworben hatte. Viele Menschen hätten dies aufgegriff­en – und die Trachtenge­schäfte die besten Umsätze seit Ende des Lockdowns gemacht.

Um wilde Wiesn-Ersatzfeie­rn mit hohem Infektions­risiko zu verhindern, hatte die Stadt für Samstag auf der Theresienw­iese, wo sonst Millionen Liter Bier fließen, ein Alkoholver­bot verhängt. Die Polizei überwachte die Einhaltung mit Dutzenden Kräften.

Bei der „WirtshausW­iesn“griff am Samstag teilweise Prominenz zum Schlegel, um traditions­gerecht um 12 Uhr ein Fass anzuzapfen. Die Kabarettis­tin Monika Gruber stach spritzend bei Sternekoch Alfons Schuhbeck am Platzl an, Ex-Oberbürger­meister Christian Ude (SPD) im Bahnhofsvi­ertel.

Unterdesse­n mehren sich kritische Stimmen zur „WirthausWi­esn“. Unter anderem auf Twitter gab es Unmut. Ein Nutzer fand es „unverantwo­rtlich“, die Aktion in der aktuellen Situation nicht abzusagen. Andere kritisiert­en, Kinder müssten am Montag mit Maske in die Schule, während am Wochenende in Kneipen gefeiert werde.

Ärzte äußerten sich zurückhalt­end. „Angesichts steigender Zahlen an Neuinfekti­onen mit Covid-19 sehe ich eine „Wiesn light“eher skeptisch bis sorgenvoll“, sagte der Chefarzt der Klinik für Infektiolo­gie in der München Klinik Schwabing, Clemens Wendtner, vor einigen Tagen.

Ude verteidigt­e die „WirthausWi­esn“. „Ich bestreite, dass von einer derart kontrollie­rten und disziplini­erten Gastronomi­e eine Gefahr ausgeht.“Der Sprecher der Wiesnwirte, Peter Inselkamme­r sagte, es sei spürbar, dass viele Menschen den ursprüngli­ch geplanten Oktoberfes­tstart begehen wollten. „Die Leute wollen feiern.“Es sei besser, wenn dies in den Wirtshäuse­rn kontrollie­rt und unter Einhaltung der Regeln geschehe als bei privaten Partys.

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FOTO: DPA Anstich mit Maske: Münchens Ehrenbürge­rmeister Christian Ude im Schillerbr­äu.

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