Das zweite Leben der Solardächer
Wie sich Solarstrom nach dem Ende der EEG-Förderung vermarkten lässt
- Große Veränderungen stehen den deutschen Sonnenpionieren bevor. Wer vor 20 Jahren eine Solaranlage auf das Hausdach schraubte, war früh dran. Damals begann die Energiewende erst. Heute stammt fast die Hälfte allen Stroms aus Ökokraftwerken. Doch den Vorreitern wird ab Ende diesen Jahres die finanzielle Förderung gestrichen. Was können sie mit ihrer sauberen Elektrizität dann überhaupt noch anfangen?
Etwa 18 000 kleine Solaranlagen – viele von ihnen in ländlichen Regionen auf Dächern von Wohnhäusern und Bauernhöfen – bekommen ab nächsten Januar planmäßig keine Einspeisevergütung mehr. Für jede ins öffentliche Netz gelieferte Kilowattstunde Solarstrom erhielten sie fast zwei Jahrzehnte lang rund 50 Cent – ein lukratives Geschäft. Bis 2025 wird dieses Modell für 180 000 kleine Anlagen auslaufen. Diese können so viel Energie herstellen wie zwei große konventionelle Kraftwerke.
Die Veränderung ist gewollt, sie basiert auf dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Schließlich sollte die Energiewende mit der großzügigen Förderung nur angeschoben werden. Nun, so die Logik, läuft sie mehr oder weniger, Ökostrom ist nahezu konkurrenzfähig. Mit der Reform des EEG, die Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) demnächst ins Bundeskabinett bringt, weist er auch den Sonnenpionieren neue Wege.
Eine große Frage dabei lautet: Wie kann man es schaffen, dass die kleinen, alten Photovoltaikmodule auf den Dächern nicht abgeschaltet werden, sondern weiter grünen Strom produzieren? Denn der wird dringend gebraucht – und die meisten Anlagen sind noch lange nicht kaputt.
Laut Gesetzentwurf bieten sich zwei Varianten. Entweder können die Betreiber kleiner Solaranlagen mit beispielsweise fünf oder zehn Kilowatt Leistung ihre Energie wie bisher komplett in das öffentliche Netz des örtlichen Stromversorgers abgeben. Dann allerdings erhalten sie nur noch wenige Cent pro Kilowattstunde – den „Marktwert“des Stroms, wie es im Entwurf heißt, „abzüglich der Vermarktungskosten“des Netzbetreibers.
Zweite Möglichkeit: Die Sonnenpioniere suchen sich ein Elektrizitätsunternehmen ihrer Wahl, einen sogenannten Direktvermarkter, der ihnen einen Teil des Stroms zu besseren Konditionen abnimmt. Den anderen Teil könnten sie in ihrem Haushalt selbst verbrauchen. Dafür müssten sie allerdings ein neues Mess- und Abrechnungssystem installieren, ein intelligentes „Smart Meter“.
Beide Varianten hält die Beratungsorganisation Agora Energiewende für wenig praktikabel. Im ersten Fall der vollständigen Einspeisung ins Netz würden die niedrigen Erlöse nur knapp die Versicherungsund Wartungskosten der Anlagen decken. Zur zweiten Variante sagt Agora-Direktor Patrick Graichen: „Dass Häuslebesitzer mit 20 Jahre alten Solardachanlagen künftig teure intelligente Stromzähler einbauen müssen, um den Strom vom eigenen Dach zu verbrauchen, ist den Leuten nicht zu vermitteln.“Die Installationsund Mietkosten der Smart Meter fräßen die Erträge des Stromverkaufs mehr oder weniger auf. Weil die einzelne Dachanlage vergleichsweise wenig Energie produziere, sei dieses Modell für professionelle Firmen außerdem unattraktiv, argumentiert Agora.
Nach Einschätzung der Organisation könnten beide Varianten darauf hinauslaufen, dass die Betreiber ihre kleinen, alten Anlagen lieber abschalten, als sie unter fragwürdigen Bedingungen weiterzubetreiben. Das allerdings wäre ein herber Verlust: Der Bedarf an Ökostrom wird in den kommenden Jahren zu- und nicht abnehmen.
Als Lösung schlägt Agora ein Vermarktungsmodell vor, das die Möglichkeiten der Einspeisung an den Netzbetreiber und des Eigenverbrauchs kombiniert – ohne allerdings den Einbau des teuren Zählers vorauszusetzen. Um nicht durch zu große oder zu kleine Strommengen von Zehntausenden Miniproduzenten überrascht zu werden, müssten die Stromversorger dafür neue Berechnungsmodelle zugrunde legen, die das durchschnittliche Produktionsund Verbrauchsverhalten der Betreiber kleiner Solaranlagen realitätsähnlich abbilden.
Das Problem der kleinen, alten Anlagen wird in den nächsten Monaten eine erhebliche Rolle in der Debatte um die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes spielen. Momentan erarbeiten die Wirtschaftsverbände ihre Stellungnahmen. Nach dem Kabinettsbeschluss folgen dann die Beratungen im Bundestag.