Mehr Angst vor Ernteausfall als vor Pandemie
Lindauer Landwirte zwischen harter Arbeit, Corona-Tests und Hygiene-Kontrollen
- Im Frühjahr dachten die Landwirte noch, das Horrorjahr 2017 könnte sich wiederholen. Mittlerweile sind sie froh über die Erntemenge. Wegen der Pandemie mussten sie außerdem alle ihre Helfer testen lassen – das Landratsamt kontrolliert derweil die Unterbringungen.
„Wir hatten mehr als nur Bauchschmerzen“, sagt Philip Erletz und erinnert sich an den Frühling zurück. Der Landwirt aus Schönau sorgte sich nicht etwa wegen der anschwellenden Pandemie, sondern wegen des frostigen Endes im März. Der milde Winter sorgte bei den Lindauer Apfelbäumen für einen frühen Austrieb, der Kälteeinbruch drohte, die Blüten zu zerstören. „Vor allem nach 2017, als wir so gut wie gar nichts geerntet haben, hätten wir das nicht überstanden. Wir sind gerade erst wieder auf die Beine gekommen.“Viele Landwirte entfachten nachts Feuer, um die Temperatur etwas zu heben.
Die meisten Blüten überlebten. Vor allem weil sie zum Zeitpunkt des Kälteeinbruchs noch nicht ganz geöffnet waren. „Die Ernte ist relativ gut“, resümiert Erletz, der stellvertretender Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft der Lindauer Obstbauern ist. Vor allem die Sorten Gala und Braeburn hatten wegen der relativ warmen Temperaturen im Mai und Juni ein gutes Fruchtwachstum. Die Äpfel der Janogold-Gruppe seien bei Erletz jedoch kaum brauchbar. „Die sind deformiert und zu groß geworden.“
Der übergeordnete Verband der Lindauer Erzeugergeneinschaft ist der Verein Obstregion Bodensee. Ein Viertel der in Deutschland geernteten Apfelmenge kommt vom Bodensee. In dieser Saison ist die Erntemenge jedoch um um rund vier Prozent unter dem Vorjahresniveau. Schuld seien der angesprochene Spätfrost und die natürlichen Schwankungen der Erträge. Hagel habe es nur sehr vereinzelt gegeben. Der Verein ist unterm Strich zufrieden mit Qualität und Menge am Bodensee. Auch Erletz kann nicht meckern, der Preis der Äpfel sei jedoch „nur so naja“. Die Ernte in ganz Europa
ist um sieben Prozent geringer als im Vorjahr. In Polen und in der Steiermark hat es laut Erletz größere Einbußen gegeben. Es ist also ausreichend gutes Obst auf dem Markt, die Bauern vom Bodensee verdienen damit erfahrungsgemäß etwas weniger pro Apfel. Außerdem gebe es immer nochmal einen Vertriebseinbruch im Herbst. „Dann ernten die Privatpersonen von ihren Streuobstwiesen und verschenken ihre Äpfel an Freunde und Nachbarn“, erklärt Erletz. „Das merken wir schon jedes Jahr.“Doch: „Menschen wollen regionale Produkte, das merken wir auch.“Das hat auch die Supermarktkette Rewe verstanden, die dieses Jahr mehr Äpfel von Lindauer Höfen abnimmt und bis hoch nach Ulm verkauft, sagt Erletz.
„Natürlich ist dieses Jahr alles ein bisschen anders“, sagt Erletz und erzählt von seinen ausländischen Saisonarbeitern. Acht seien für die Ernte eingereist, vier feste Mitarbeiter waren schon seit Anfang des Jahres am Hof. „Alle wurden getestet, auch ich selbst“, sagt Erletz. Erst mussten die Mitarbeiter zu Hausärzten, mittlerweile versorgt sie das Testzentrum des Landkreises. „Nicht alle sind gleichzeitig angekommen, bis zum Testergebnis mussten wir dann die Neuankömmlinge von den anderen trennen.“Ansonsten habe es keine Probleme gegeben. Erletz ist überzeugt, dass die Lindauer Landwirte auf die neuen Regeln für die Unterbringung achten. Er ist auch bereit, dafür etwas zu investieren: „Wir arbeiten das ganze Jahr auf diese Wochen hin. Es wäre das schlimmste, den Betrieb jetzt schließen zu müssen.“
Ob die Landwirte ihren Hof auch ordnungsgemäß vorbereitet haben, kontrolliert ein Team aus Gesundheitsamt, Amt für Ernährung und Landwirtschaft und der Gewerbeaufsicht der Landwirte. Einer der von dem Prüfteam besucht wurde, ist Andreas Willhalm. „Ich habe zwei getrennte Teams. Mir wurde gesagt, ich solle für beide Gruppen einen Verbandskasten stellen“, sagt der Kreisobmann des Bauernverbandes. Ansonsten habe es keine Probleme gegeben, sagt Willhalm.
„Wir sind alle bemüht, gute Unterbringungen zu stellen. Dann können die Mitarbeiter auch gute Leistung bringen.“Ihm sei berichtet worden, dass es auch bei anderen Höfen den ein oder anderen Mangel gegeben habe – das könne aber alles behoben werden.
Bisher haben die Behörden insgesamt 20 Betriebe im Landkreis unter die Lupe genommen. „Uns war es wichtig, dass wir schnell kontrollieren und dabei auch einen Blick auf die Unterbringungssituation der
Erntehelfer haben. Außerdem haben wir die Gelegenheit genutzt, die Betriebe im Hinblick auf Hygiene und Arbeitsschutz zu beraten“, sagt Landrat Elmar Stegmann. In vielen Betrieben seien Mängel aufgetaucht – häufig seien das aber Kleinigkeiten gewesen. Ähnlich wie es Andreas Willhalm von seiner Prüfung berichtet. Kein Betrieb wurde bestraft. Dennoch habe das Prüfteam unter anderem unhygienische Bäder und Küchen vorgefunden. Außerdem alte Unterbringungen, bei denen die Zuwege und die Belüftung problematisch sind. In diesen Fällen hat das Prüfteam die Landwirte beraten. Alle seien sehr kooperativ und dankbar für die Unterstützung gewesen, vermeldet das Landratsamt. Probleme wie in anderen Teilen Deutschlands, beispielsweise beim Gurken-Hof in Niederbayern, gebe es hier nicht.
Philip Erletz ist froh, dass die Probleme mit der Kälte und der Pandemie soweit überwunden sind. Wenn es den Obstbauern gut gehe, hilft das auch der ganzen Stadt, findet er – nicht nur wirtschaftlich. „Wir gehören ja irgendwie auch zum Tourismus dazu. Es würden nicht so viele Leute hier herkommen, wenn im Hinterland alles karg wäre.“