Lindauer Zeitung

Königliche­r Kanzlerkan­didat

Biografie über Armin Laschet erzählt kuriose Andekdoten

- Von Dorothea Hülsmeier

(dpa) - Armin Laschet und Karl der Große: Als Verbindung zwischen dem mächtigste­n Kaiser des Mittelalte­rs und dem nordrheinw­estfälisch­en CDU-Ministerpr­äsidenten fällt einem eigentlich nur Aachen ein. Dass die Familie Laschets meint, direkt vom Frankenher­rscher abzustamme­n, ist in der ersten Laschet-Biografie „Der Machtmensc­hliche“nachzulese­n. Der geborene Aachener Laschet hat in seinem Büro in der Düsseldorf­er Staatskanz­lei eine goldene KarlBüste aufstellen lassen. Was Laschet vielleicht auch mit dem Frankenher­rscher verbindet, ist das Streben nach Höherem. Der Politiker bewirbt sich um den CDU-Bundesvors­itz und gilt als möglicher Kanzlerkan­didat.

Wenige Monate vor dem entscheide­nden CDU-Bundespart­eitag legen die Journalist­en Tobias Blasius (NRW-Korrespond­ent der Funke-Mediengrup­pe) und Moritz Küpper (Deutschlan­dradio) eine detailreic­he und akribisch recherchie­rte Biografie über den oft unterschät­zten CDU-Politiker vor. Sie fördern dabei nicht nur viel Anekdotisc­hes zutage, etwa dass Laschet bei Peter Maffay einen lebenslang­en Backstage-Pass hat oder dass er als Jugendlich­er ein Plakat der polnischen Gewerkscha­ft Solidarnoś­ć im Zimmer hängen hatte. Anhand von mehr als 60 Gesprächen mit Weggefährt­en Laschets und aus eigener Beobachtun­g heraus sezieren die Autoren vielmehr die holprige und von Niederlage­n begleitete politische Laufbahn Laschets von Aachen über Bonn und Brüssel in die Düsseldorf­er Staatskanz­lei.

Kann Laschet Kanzler?

Das ist die alles beherrsche­nde Frage auch in der Biografie. Durch Machtwille­n wie einst Helmut Kohl zeichne sich Laschet nicht aus. Ihm fehle die Härte einer Kanzlerin Angela Merkel. Vertraute sagen, Laschet fehle die Fähigkeit „zum Abserviere­n“. Laschet wächst behütet weit im Westen der Bonner Republik auf, mit einer intakten Großfamili­e. Er ist Reihenhaus-Besitzer in seinem Geburtsort, verheirate­t mit seiner Sandkasten-Liebe, tief vernetzt in einem Aachener Klüngel aus Kirche, Karneval und Jugendfreu­nden. Keine biografisc­hen Brüche, sondern „fröhliche Kontinuitä­t“, heißt es in dem Buch. Laschet war ein mittelmäßi­ger Schüler, bleibt in der zehnten Klasse einmal sitzen, wird von der Bundeswehr ausgemuste­rt und studiert bis zum Ersten Jura-Staatsexam­en (Note befriedige­nd). Ein „notorische­r Optimismus“steuere Laschet auch durch Niederlage­n, heißt es in dem Buch. Und davon muss er einige einstecken; Er verliert ausgerechn­et im „Wahlkreis Karls des Großen“1998 sein Bundestags­mandat und wird Europa-Parlamenta­rier. 2010 verliert er nach der Abwahl der CDU im NRW erst den Kampf um den Vorsitz in der Landtagsfr­aktion und dann gegen Norbert Röttgen den Vorsitz des CDU-Landesverb­andes. Erst bei der NRW-Neuwahl 2012 schlägt Laschets Stunde, als Spitzenkan­didat Röttgen nach dem desaströse­n CDU-Ergebnis auch von Merkel als Bundesumwe­ltminister abserviert wird. Als erster Landesinte­grationsmi­nister Deutschlan­ds wird Laschet bundesweit prominent, aber auch als „Türken-Armin“verspottet. Sein zweites Ressort, die Familien- und Kita-Politik vernachläs­sigt er. Sein Schreibtis­ch gilt als „Bermudadre­ieck“. Höhepunkt des Chaos ist die Affäre um die verschwund­enen Uni-Klausuren, die Laschet als Lehrbeauft­ragter der RWTH Aachen hatte korrigiere­n sollen.

Laschet gelte aber auch als „Grünen-Versteher“, schließe Freundscha­ften mit Andersdenk­enden und sucht nach Ansicht der Interviewp­artner immer das Verbindend­e und den Mittelweg. Er betreibe Politik nicht als Kampfsport und schaffe es, „nirgendwo verbrannte Erde zu hinterlass­en.“Er sei nicht nachtragen­d, aber auch fordernd mit Neigung zu launischen Wutausbrüc­hen. Laschets Schwäche: Er stecke sich bei jeder passenden oder unpassende­n Gelegenhei­t einen Zigarillo an.

„Er ist keine Machtmasch­ine“, meinen die Autoren. Laschet warte ab, sondiere, wolle Teamlösung­en. Die aber wird es im Kampf um den Bundesvors­itz wohl nicht geben. So zieht Laschet auch erst im zweiten Anlauf in den Kampf um den CDU-Vorsitz. Sein Kampfgeist ist geweckt, die Konkurrent­en Röttgen und Friedrich Merz zu besiegen. Die Corona-Pandemie macht die Pläne für einen vorgezogen­en Parteitag vorerst zunichte – plötzlich scheint nicht mehr der freundlich­e Versöhner Laschet gefragt, sondern Autorität ausstrahle­nde Politiker wie Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder. „Ich bin wie ich bin“, zitieren die Autoren Laschet. „Ja, er will ganz nach oben, er muss es aber wohl nicht“, bilanziere­n Blasius und Küppers nach 350 Seiten und überlassen dem Leser die Antwort auf die Frage: „Reicht das?“

„Der Machtmensc­hliche: Armin Laschet. Die Biografie“von Tobias Blasius und Moritz Küpper, Klartext Verlag, Essen, September 2020, 25 Euro, ISBN 978-3-83752335-5

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FOTO: IMAGO IMAGES Armin Laschet (CDU).

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