Cambodunum war von Anfang an als Stadt konzipiert
Archäologen haben Reste eines römischen Bürgerhauses in Kempten untersucht – Worüber sie Aufschluss geben
- „Cambodunum war wohl von Anfang an als richtige römische Stadt geplant“, sagt Maike Sieler. Zu diesem Schluss kommt die Stadtarchäologin und Leiterin des Archäologischen Parks Cambodunum (APC) nach dem Abschluss der zweiten Schaugrabung. Ziel des dreijährigen Kooperationsprojekts des Kulturamts der Stadt und der Ludwig-Maximilians-Universität München ist es, mehr über die Geschichte von Cambodunum und das Leben der Römer in Kempten zu erfahren.
Sechs Wochen lang untersuchten in diesem Sommer bis zu zwölf Archäologie-Studentinnen und -Studenten unter der Leitung von Sophie Hüdepohl den Westrand eines Wohnviertels am Archäologischen Park. Im Blickpunkt war das einzige Bürgerhaus von Cambodunum, das nicht durch moderne Bebauung zerstört wurde. Erwähnung hatte es in den Berichten des ersten Cambodunum-Forschers August Ullrich Ende des 19. Jahrhunderts gefunden. Bei der diesjährigen Grabung legte das Archäologen-Team bislang ungestörte, unangetastete Schichten bis zu einer Tiefe von 1,80 Meter frei.
Dabei entdeckten die Forscher an der Stelle des Wohnbaukomplexes fünf Bauphasen (zweimal Holz, dreimal Stein). Dass es bereits Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christi einen Steinbau gab, findet Maike Sieler erstaunlich. „Das ist eine spannende Angelegenheit. Die Steinarchitektur der Wohnbebauung in Cambodunum ist demnach früher als gedacht entstanden.“
Konkrete Funde, etwa von Feinkeramik und Münzen, hielten sich bei dieser zweiten Grabung in Grenzen. Die Archäologen entdeckten zwar beispielsweise Einzelscherben eines römischen Tafelgeschirrs, das wohl aus einer Massenproduktion in Italien in den ersten 20 Jahren der neuen Zeitrechnung datiert. Doch ursprünglich hofften sie, noch mehr Fundmaterial aus den Siedlungsschichten zu finden. Die Ausbeute war allerdings vergleichsweise gering. Für Sieler könnte es daran liegen, dass das römische Wohnhaus an der Hangkante gebaut war. „Die Bewohner haben ihren Müll wohl bequem, den Hang hinunter in Richtung Iller entsorgt“, sagt die Stadtarchäologin.
Auch wenn bislang das allererste Forum von Cambodunum, also der Hauptplatz und Mittelpunkt der Siedlung, noch nicht entdeckt werden konnte, zeigt sich Sieler mit dem Zwischenstand der 2019 begonnenen Ausgrabungen zufrieden: „Wir haben viel präzisieren können.“Holzkohlespuren zeugten etwa von Brandrodungen. Um einen vernünftigen Baugrund für die ersten Holzund
späteren Steinbauten zu erhalten, füllten die Römer offenbar entstandene Senken und Erosionsräume mit einem Sand-Lehm-Kiesgemisch aus. Sie legten dann Baufluchten an, die durch alle Bauphasen hindurch bestehen blieben, erläutert Sieler.
Der untersuchte Wohnbaukomplex mit seinen Achsen und seinem Wege- und Straßennetz verdeutliche, dass Cambodunum als zivile Siedlung konzipiert war. Augsburg dagegen, das hätten archäologische Forschungen ergeben, sei zunächst nur als römisches Militärlager angelegt gewesen, sagt Maike Sieler.
Nach sechs Wochen Grabungen ist die Arbeit für die Wissenschaftler aber längst noch nicht vorbei. Im Gegenteil: Die Fundstücke werden nun an der Münchener Uni gezeichnet, fotografiert und dokumentiert. Es werden zusätzlich auch noch Bodenproben genommen und untersucht. Nächstes Jahr geht die Schaugrabung am Archäologischen Park, bei der Besucher den Forschern über die Schultern schauen können, in die abschließende dritte Runde. Dann konzentrieren sich die Archäologinnen und Archäologen auf den antiken öffentlichen Raum und das römische Straßennetz. „Vielleicht erfahren wir dann ja, ob es ein frühes Forum gab“, sagt Sieler.
Am Ende des Grabungsprojekts in Kempten werde alles zunächst mit einer Schutzschicht versehen und anschließend fachgerecht verfüllt. Die freigelegten Sandstein-Mauern würden nämlich das Allgäuer Wetter nicht lange unbeschadet überstehen, sagt Maike Sieler.
Ihr großes Ziel am Ende der Ausgrabungen ist ein möglichst originalgetreuer Nachbau des römischen Wohnbaukomplexes am ursprünglichen Ort. „Wir wollen damit das Leben der Römer in der dritten Dimension erfahrbar machen.“