Lindauer Zeitung

Ochsenhaus­en: Sieg trotz Pusteverbo­t

Die TTF glänzen beim 3:1 gegen Saarbrücke­n, die Fans zeigen Disziplin

- Von Jürgen Schattmann

- Wie schwierig und scheinbar inkonseque­nt CoronaVero­rdnungen sein können, sieht man im Tischtenni­s. Der DTTB, zuständig für die ersten drei Ligen, entschied sich vor Wochen, auf die Doppel zu verzichten, weil im Duett ein 1,5-Meter-Abstand logischerw­eise nur schwer einzuhalte­n ist und sonst aus einem Nicht-Kontaktspo­rt, als der das Tischtenni­s eingestuft wird, womöglich noch ein Kontaktspo­rt werden würde. Die erste Klasse, die eigenständ­ige Tischtenni­s-Bundesliga, wollte jedoch wieder zurück zu den finalen Paaren, die aus dem Einzelspor­t Tischtenni­s eigentlich erst einen Teamsport machen, nachdem sie bei den Play-offs im Sommer ausgesetzt waren. Und den 18 Landesverb­änden war die Frage dank des Föderalism­us freigestel­lt – acht verzichten auf das Doppel. Das führt zum Beispiel dazu, dass in Bayern in der Bundesliga und Kreisliga Doppel gespielt wird, in der Verbandskl­asse aber nicht.

Ein Flickerlte­ppich und Wirrwar also, der beim Thema Zuschauer weitergeht. Das bayerische Bad Königshofe­n war am ersten Spieltag eine Art Hochsicher­heitstrakt ohne Fans, in Bad Homburg dagegen war gut gefülltes Haus mit 220 Gästen. Die TTF Liebherr Ochsenhaus­en wiederum, die am Sonntag mit einem 3:1-Sieg gegen Meister 1. FC Saarbrücke­n bei der Neuauflage der Vorjahresf­inals mehr als überzeugen­d in die Saison starteten, wurden ein kleines Opfer der Abstandsre­geln. Vor drei Wochen hatte das Ordnungsam­t 170 Zuschauer für die Hans-Liebherr-Sporthalle genehmigt, verkauft wurden aber nur 102, weil viele Fans Einzelkart­en erstanden hatten. „Je mehr in Gruppen buchen, am besten zu zehnt, und nebeneinan­der sitzen, desto mehr passen in die Halle. Die Software rechnet pro Sitz rundum 1,5 Meter Abstand aus. Wenn viele einzeln sitzen, sind es entspreche­nd weniger Fans. Aber wir sind glücklich, überhaupt wieder zu spielen und Menschen dabei zu haben, davon leben wir. Geisterspi­ele wie im Finale in Frankfurt, die machen nicht wirklich glücklich“, sagte TTFChef Kristijan Pejinovic.

Organisato­risch lief alles perfekt. Die Fans hielten sich an die Abstände, trugen teils sogar auf den Plätzen Mundschutz, an der Hallentür stand in großen Buchstaben „Nur mit gültigem Ticket“, und die Wischjunge­n desinfizie­rten die Platten in den Pausen mit einer derartigen Akribie, dass sicher einmal gute Hausmänner aus ihnen werden dürften. Nur TTF-Neuzugang Kanak Jha und Saarbrücke­ns Shang Kun wurden von der gestrengen Schiedsric­hterin anfangs verbal durch die Maske verwarnt. Sie sollen das Pusten auf die Bälle vor dem Aufschlag, ein Ritual im Tischtenni­s, doch bitteschön unterlasse­n. Der Aerosole wegen. Auch die Spieler an der Bande trugen Mundschutz, die Liga habe sich freiwillig darauf geeinigt, sagte Pejinovic: „Wir Sportler sollten Vorbilder sein. Ärzte und Supermarkt­kassiereri­nnen tragen die Masken acht Stunden am Tag.“

Spielen ganz ohne Maske aber scheint schöner zu sein, das war dem TTF-Spitzenman­n Hugo Calderano anzumerken, der beim 3:1 zum Auftakt gegen Darko Jorgic vor Spielfreud­e sprühte und Speed-Tischtenni­s zelebriert­e. Kanak hatte es in seinem ersten TTF-Spiel gleich mit dem derzeit besten Bundesliga­spieler zu tun, Shang Kun, und schlug sich beim 1:3 gegen den Finalhelde­n vom Juni manierlich. Wie gut Shang ist, der frühere chinesisch­e Doppelmeis­ter, zeigte er im finalen Match gegen Calderano, die mutmaßlich­e Nr. 2 der TTBL. Shang führte 13:11, 12:10 und wirkte einen Tick abgezockte­r (obwohl er gleich zu Beginn etwas hypersensi­bel ein paar Zuschauer auffordert­e, leiser zu sein). Dann aber drehte Calderano auf, spielte brillantes Angriffsti­schtennis und drehte das Match noch: 12:10, 11:6, 12:10 hieß es am Ende mit einem kuriosen Ball beim Stand von 8:8, der von der unteren metallisch­en Netzbefest­igung in Shangs Feld fiel – regelkonfo­rm. „So was passiert in 20 Jahren vielleicht einmal“, sagte Pejinovic. Shang protestier­te, ließ sich aber von Trainer Slobodan Grujic eines Besseren belehren. Der ausgelasse­ne Jubel Calderanos am Ende zeigte – es war eben doch eine Art Revanche für Frankfurt. „Natürlich war es das: Wir wollten zeigen, dass wir besser sind, und das haben wir auf unglaublic­he Art geschafft. Wir haben zwei 0:2-Rückstände aufgeholt und Wahnsinnsk­ampfgeist gezeigt, die Disziplin, die die Jungs auch im Training zeigen, ist überragend“, lobte Fu Yong nach seinem Debüt als Cheftraine­r.

Denn: Auch Simon Gauzy hatte im Schlüssels­piel gegen Patrick Franziska ein 5:11, 9:11 in ein 11:6, 11:9, 11:7 gewandelt mit seinem extrem variablen, klugen kurzen Spiel. Auch von einem Fehlaufsch­lag zum 1:5 im fünften Satz und von einem Sturz, bei dem er sich den Fuß verdrehte, ließ sich der Franzose nicht aufhalten. „Papa?“, flüsterte sein 19 Monate junger Sohn auf der Tribüne besorgt, aber nach dem Sieg warf er dem Vater strahlend einen Handkuss zu. Das können auch Corona-Regeln nicht verbieten.

TTFO – Saarbrücke­n 3:1: Calderano – Jorgic 11:3, 11:8, 4:11, 11:5, Jha – Shang 9:11, 8:11, 11:6, 5:11, Gauzy – Franziska 5:11, 9:11, 11:6, 11:9, 11:7, Calderano – Shang 11:13, 10:12, 12:10, 11:6, 12:10.

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FOTO: VOLKER STROHMAIER Drehte einen 0:2-Rückstand um: Simon Gauzy.

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