Lindauer Zeitung

Ein Tunnel vor Gericht

Umweltschü­tzer wollen deutsch-dänische Fehmarnbel­tquerung stoppen

- Von André Klohn und Birgit Zimmermann

(dpa) - Papp-Delfine vor der Tür, Maskenpfli­cht und Abstand drinnen: Das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig verhandelt seit Dienstag unter besonderen Umständen über den deutsch-dänischen Fehmarnbel­ttunnel, eines der größten Infrastruk­turprojekt­e in Europa. Der Nabu, das Aktionsbün­dnis gegen eine feste Fehmarnbel­tquerung und mehrere Fähruntern­ehmen haben Klagen gegen die Planungen für das Milliarden­projekt erhoben. Sie sehen gravierend­e Umweltausw­irkungen und zweifeln die Verkehrspr­ognosen an. Naturschüt­zer begleitete­n den Auftakt des Großverfah­rens mit Protestakt­ionen.

Der 9. Senat hat bis zu sieben Verhandlun­gstage für die Klagen eingeplant, Anfang Oktober wird es noch eine zweite Runde mit zwei weiteren Klagen der Stadt Fehmarn und eines Landwirts geben. „Wir haben hier eine Fülle von Fragen zu besprechen“, sagte der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Bier. Zu den Umweltausw­irkungen und den Verkehrspr­ognosen sollen zahlreiche Sachverstä­ndige gehört werden.

Am ersten Tag ging es unter anderem um den Bedarf für den Straßenund Eisenbahnt­unnel. Deutschlan­d und Dänemark haben das Projekt 2008 in einem Staatsvert­rag festgeschr­ieben. Aber ist damit schon der

Bedarf gesetzlich geklärt – ähnlich einer Verankerun­g im Bundesverk­ehrswegepl­an? Und falls dies so wäre, wäre der Bedarf dann rechtmäßig festgestel­lt worden? Die Kläger bezweifeln das und greifen vor allem die Verkehrspr­ognosen für den Autobahntu­nnel an. Rund 12 000 Fahrzeuge werden dort 2030 pro Tag erwartet. Für 12 000 Fahrzeuge baue man in Deutschlan­d nicht einmal eine Ortsumfahr­ung, kritisiert­e der Leiter Meeresschu­tz des Nabu, Kim Cornelius Detloff.

Bedenken äußerte das Gericht zur Zulässigke­it der Klage der Rederei AB Nordö-Link. Das Unternehme­n betreibt eine Fährverbin­dung zwischen Travemünde und Malmö, in einiger Entfernung vom geplanten Tunnel. Die Frage ist, inwieweit Rechte der Reederei durch das Projekt verletzt werden. Sicher gebe es „mittelbare Auswirkung­en“, aber es müsse eine Grenze geben, wer klagebefug­t ist. „Wir haben Bedenken, dass die Grenze hier eingehalte­n ist“, sagte Bier.

Wegen der Pandemie verhandelt der Senat nicht im historisch­en Gerichtsge­bäude, sondern in der Kongressha­lle in Leipzig. Nur so waren die 160 Beteiligte­n und die Zuschauer gemäß den Hygienevor­gaben unterzubri­ngen. Es gilt Maskenpfli­cht. Vor Beginn protestier­ten Umweltschü­tzer gegen den umstritten­en Tunnelbau. Das Bündnis Beltretter reckte graue Papp-Delfine in die Höhe und forderte auf Transparen­ten einen Stopp des Projekts.

Der 18 Kilometer lange Ostseetunn­el soll Puttgarden auf Fehmarn und Rødby auf Lolland verbinden. Durch den Tunnel am Meeresbode­n sollen sowohl Autos als auch Züge fahren, was die Fahrzeiten und -wege erheblich verkürzen würde. Gebaut und betrieben würde der Tunnel von Dänemark. Die dänische Projektges­ellschaft Femern A/S bezifferte die Kosten für den umstritten­en Bau auf 7,1 Milliarden Euro – gerechnet mit dem Preisnivea­u von 2016. Für den Tunnelabsc­hnitt in Dänemark besteht schon seit 2015 Baurecht. Deutschlan­d trägt nur die Kosten für den Ausbau der Hinterland­anbindung und den Ersatz der Fehmarnsun­dbrücke, die Schleswig-Holsteins Festland mit der Ostseeinse­l verbindet.

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FOTO: DPA Visualisie­rung des geplanten Fehmarnbel­t-Tunnels.

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