Das Problem besteht weiter
Will Europa eine sichere Festung für seine Bürger oder ein sicherer Hort für Schutzbedürftige sein? Mit dieser Frage schlagen sich Politiker in ihren Wahlkreisen genauso herum wie Staatenlenker auf den Gipfeltreffen. Mit ihrem Reformvorschlag hat die EU-Kommission nun den Versuch unternommen, aus dem „Entwederoder“ein „Sowohl-als-auch“zu machen. Zwar bedeutet das nicht, wie von einigen Kommissaren vollmundig behauptet, das Ende des ungerechten Verteilsystems. Immerhin enthält der Vorschlag aber einige Ideen, die vielleicht Bewegung in die festgefahrene Debatte bringen.
„Na dann macht mal“scheint Brüssel all denen zuzurufen, die seit Jahren mehr Abschottung und mehr Abschiebung verlangen. Wenn alles so kommt, wie von der Kommission geplant, kann sich künftig jedes Land entscheiden, ob es mehr zum Festungscharakter oder zum humanitären Image beitragen will. Wer sich weiterhin konsequent weigert, Flüchtlinge aufzunehmen, der soll sich eben mehr dabei engagieren, abgelehnte Bewerber wieder loszuwerden. Schon jetzt darf man sich darauf freuen, wie Victor Orbán in Nigeria, Afghanistan oder auch mit einem libyschen Warlord Gespräche führt. Weil die aufnahmeunwilligen Länder wissen, dass es leicht ist, Abschiebungen zu fordern, oft aber unmöglich, sie durchzuführen, werden sie die Reform wohl ablehnen.
Sollte es aber wider Erwarten zu einer Einigung kommen, ist damit das Leid der in Lagern ausharrenden Flüchtlinge und der Druck auf die südlichen Küstenstaaten keineswegs vorbei. Denn neben dem neuen Element der „Abschiebungspatenschaften“enthält der Vorschlag unzählige Ladenhüter, die sich längst als untauglich erwiesen haben, etwa die Registrierung der Flüchtlinge bereits in den Aufnahmeländern. Auch wird seit Jahren erfolglos eine Beschleunigung der Verfahren gefordert.
Das Problem wird uns also erhalten bleiben. Die vorgeschlagene Reform ist kein Wundermittel, aber vielleicht eine Möglichkeit, einige Mitgliedsstaaten mehr als bisher in die Pflicht zu nehmen.