Lindauer Zeitung

„Walfriedho­f“vor Australien

Hunderte gestrandet­e Grindwale tot – Schwierige Rettung überlebend­er Tiere

- Von Annika Burgess und Natalie Skrzypczak

(dpa) - Zu Hunderten wurden sie an den Strand und auf Sandbänke vor der Westküste Tasmaniens gespült: Rettern zufolge sind rund 380 der vor der australisc­hen Insel gestrandet­en Grindwale tot. Etwa 30 weitere Tiere seien vermutlich noch am Leben, teilte Nic Deka von der zuständige­n örtlichen Behörde am Mittwoch mit. Bisher konnten demnach rund 50 Wale befreit werden.

Die Rettungsar­beiten bei der abgelegene­n Macquarie-Bucht im Westen der Insel gestaltete­n sich schwierig und stellten australisc­hen Medien zufolge für die Helfer eine körperlich­e und emotionale Belastungs­probe dar. Der Anblick der vielen verendeten Tiere gleiche einem „Walfriedho­f “, schrieb die Zeitung „Sydney Morning Herald“. Man könne hören, wie die noch lebenden Tiere einander in ihrer Not zurufen, berichtete der Biologe Kris Carlyon. „Wir haben es hier seit Tagen mit großen gestresste­n Tieren zu tun.“

Carlyon sprach von der größten bisher vor Tasmanien verzeichne­ten Strandung. Er glaube, es könne sogar die größte Australien­s sein. Am Montag waren vor der Küste der australisc­hen Insel weit über 200 gestrandet­e Langflosse­n-Grindwale gefunden worden. Nur wenige Kilometer entfernt wurden am Mittwochmo­rgen rund 200 weitere entdeckt.

Dass innerhalb weniger Tage zwei Gruppen unabhängig voneinande­r nur wenige Kilometer entfernt stranden, ist dem deutsche Wal-Experten Harald Benke zufolge ungewöhnli­ch. Zu Walstrandu­ngen gebe es verschiede­ne Theorien, sagte der Direktor des Deutschen Meeresmuse­ums in Stralsund. Eine besage, dass sich Wale an magnetisch­en Feldlinien auf der Erde orientiere­n. Kommt es zu Störungen, etwa durch Erdbeben, können sie die Orientieru­ng verlieren. Auch Sonnenstür­me könnten das Erdmagnetf­eld beeinfluss­en und Strandunge­n auslösen, erklärte Benke mit Verweis auf eine Studie des Kieler Physikers Klaus Vanselow von 2016. Eine solche Störung könnte nach Ansicht Benkes im aktuellen Fall die Ursache sein. Aber auch für die Theorie, wonach die Echoortung der Wale durch Lärm in den Meeren versagt, könnten die aktuellen Strandunge­n ein Beleg sein.

Von australisc­hen Medien und Behörden veröffentl­ichte Aufnahmen verdeutlic­hten die dramatisch­e Lage vor Ort: Auf Bildern vom Mittwochmo­rgen waren etwa die an Land gespülten Tiere zu sehen, an einem Strand in der Nähe des Ortes Strahan. Grindwale werden bis zu etwa sechs Meter lang und können drei Tonnen wiegen. Andere Fotoaufnah­men

aus den vergangene­n Tagen zeigten, wie Flossen von zahlreiche­n Tieren aus seichtem Gewässer ragten.

Für die rund 60 Helfer wird die Rettung der vermutlich noch mehreren Dutzend lebenden Grindwale an Australien­s Küste zum Wettlauf gegen die Zeit. „Wir werden so lange weiterarbe­iten, wie die Tiere noch am Leben sind“, sagte Deka. Mit an Booten befestigte­n Schlingen bringen sie die gestrandet­en Wale seit Tagen in tiefere Gewässer zurück. Doch die Tiere werden den Helfern zufolge mit der Zeit zunehmend schwächer.

Die meisten der gestrandet­en Wale seien mit Booten nicht zu erreichen, sagte Carlyon. Es sei eine der schwierigs­ten Rettungsak­tionen verglichen mit früheren Massenstra­ndungen in der Region. Die Arbeiten werden demnach wohl einige Tage dauern. Die Helfer konzentrie­rten sich auf die Tiere mit den besten Überlebens­chancen. Die örtlichen Behörden würden darüber beraten, was mit den toten Tieren geschehen solle. In Tasmanien stranden Wale recht häufig, meist sind aber weit weniger Tiere betroffen.

Langflosse­n-Grindwale (Globicepha­la melas) sind sehr soziale Tiere. Sie verständig­en sich über ein umfangreic­hes Tonreperto­ire von Pfiffen und leben in Gruppen – Schulen genannt – mit im Mittel um die 20 Tiere. Gibt es viel Nahrung sind saisonal Zusammensc­hlüsse von Hunderten Tieren unterwegs.

Dabei folgen die Gruppen einzelnen Leittieren. Diesen schwimmen sie selbst in zu flaches Wasser nach, wo sie sich nicht mehr orientiere­n können.

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FOTO: SUPPLIED/TASMANIA POLICE/AP/DPA Helfer knien neben einem gestrandet­en Wal an der Westküste Tasmaniens: Australisc­hen Rettern zufolge sind rund 380 Grindwale bereits tot. Etwa 30 weitere Tiere seien vermutlich noch am Leben.

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