Zwischen Ausnahme- und Normalbetrieb
Kindergärten haben sich der Lage angepasst – Erzieherinnen sehen ihre Belange im Schatten der Schulen
- Der Corona-Schulanfang ist derzeit großes Thema, doch was ist mit den Kindergärten der Region? Vier Erzieherinnen berichten, wie die Pandemie ihre Arbeit verändert, aber auch neues Bewusstsein schafft.
Der Kindergarten in Nonnenhorn ist in drei Gruppen aufgeteilt. Drei Gruppen, die normalerweise jeden Tag untereinander spielen – seit der Wiedereröffnung Anfang Juli ist das tabu. „Unsere Toiletten sind getrennt, unsere Garderobe ist getrennt und auch unser Garten“, erklärt Anne-Kristin Stadler, Leiterin des Kindergartens Nonnenhorn. Das Arbeiten sei schon anders, berichtet sie. Gemeinsame Projekte, wie die Sprachförderung oder die Vorbereitung der Ältesten auf die Schule bleiben auf der Strecke.
Die Kinder hätten sich aber schon an die außergewöhnlichen Lage gewöhnt, berichten Stadler und andere Erzieherinnen. Einigen Kindern habe die intensive Zeit mit den Eltern sogar sehr gut getan – sie erzählen begeistert vom Frühling zu Hause. „Es gibt aber auch Momente, wenn die Kinder fragen, warum sie ihre Freunde aus der anderen Gruppe nicht sehen dürfen“, erzählt Stadler, „das verstehen sie dann nicht“.
Ein wichtiges Thema, über das Stadler und die anderen Erzieherinnen berichten, ist die Kontrolle der Kinder auf Symptome. „Jeden Tag muss eine Kollegin den ganzen Morgen draußen stehen, Eltern und Kinder begrüßen und fragen, ob alle gesund sind“, sagt Stadler. Das sei unangenehm und überhaupt nicht praktisch – alleine schon, weil die Erzieherin drinnen dann fehlt.
„Die Regel lautet jetzt, leichter Husten und leichter Schnupfen sind erlaubt“, berichtet Elisabeth Kopp, Leiterin des städtischen Kindergartens Arche Noah über die behördlichen Maßnahmen. Doch wann ist ein Husten leicht? „Die Behörden sagen, mehr als acht mal in der Stunde husten ist kein leichter Husten mehr“, antwortet Kopp und muss lachen. Sie könne nicht bei jedem Kind die ganze Zeit die Huster zählen. Auch für die anderen Erzieherinnen ist die Kontrolle der Symptome eine Belastung. „Wir wollen vor den Eltern auch nicht die Oberlehrer spielen, letztendlich wissen die am besten, wie es ihren Kindern geht“, sagt Kopp, „aber wir müssen eben auf unsere Gesundheit achten und auf die der anderen Kinder – es ist eine Gratwanderung.“
Das bestätigen die anderen Erzieherinnen – derzeit versuchen die Kindergärten ihre eigenen Grenzen zu definieren, wann ein Kind wegen möglicher Corona-Symptome nach Hause geschickt wird. Die Erzieherinnen der Arche Noah setzen außerdem auf neue pädagogische Schwerpunkte zum Thema Hygiene. „Wir haben den Kindern beispielsweise Glitzer auf die Handfläche gestreut. Sie sollten dann so tun, als ob sie hinein husten“, erzählt Kopp. So könnten Kinder spielerisch erkennen, wie weit kleine Partikel durch Husten oder Niesen fliegen. Auch beim anschließenden Händewaschen hätten die Kinder gemerkt, dass sich langes Einseifen lohnt, um wirklich das ganze Glitzer von den Händen zu waschen, sagt Kopp.
Über all die Monate seien die Eltern sehr verständnisvoll gewesen, sagen die Erzieherinnen. Auch Kristina Schubnell, Leiterin der Kindertageseinrichtung Zur heiligen Familie in Oberreitnau. „Wir haben viel Dankbarkeit erhalten wegen der Notgruppe“, sagt sie. Schubnell findet aber auch, dass das Ansehen des Erzieherberufes durch die Krise dazu gewonnen habe – zumindest bei den Eltern. Die hätten zwar schon vor der Pandemie gewusst, welche wichtigen Bausteine die Erzieherinnen für die Kinder legen. Durch die Ausnahmesituation sei das Bewusstsein
bei den Eltern aber nochmal gestiegen.
Deshalb ist es laut Schubnell umso schlimmer, dass der Kontakt zu den Eltern nachlässt. Während der strengen Kontaktbeschränkungen kontaktierten die Erzieherinnen des Kindergartens in Oberreitnau alle Eltern, warfen Materialien in die Briefkästen und gaben Tipps – in Nonnenhorn veröffentlichten die Erzieherinnen sogar eine Kindergarten-Zeitung. Jetzt sind die Kinder zurück, die Eltern aber nicht. Die dürfen nur einzeln die Kindergärten betreten oder müssen ganz draußen bleiben. „Die täglichen Gespräche zwischen Tür und Angel fallen weg“, sagt Schubnell, dabei seien diese so wichtig. Für Oberreitnau will Schubnell in Zukunft eine App nutzen, die extra für die Kommunikation zwischen Eltern und Erzieher entwickelt wurde. Außerdem werden feste telefonische
Sprechzeiten eingerichtet, um die fehlenden Gespräche irgendwie aufzufangen.
Auch im Familienzentrum Minimaxi fehlen die Eltern. Der Kindergarten ist ein Verein und setzt auf die aktive Mitarbeit. Es gibt ein Café für die Erwachsenen und Möglichkeiten für die Eltern, über die Zukunft des Kindergartens mitzubestimmen. Leonie Henzler ist stellvertretende Leiterin der Krippe im Minimaxi. Sie findet, die Öffentlichkeit und die Behörden fokussieren sich viel zu sehr auf die Schulkinder. Kindergartenkinder, ihre Eltern und auch die Erzieher kämen bei den Diskussionen zu kurz.
Bestes Beispiel: Die Ankündigung der Staatsregierung, die Schulsommerferien der Schüler zu kürzen. „Da gab es einen Aufschrei der Eltern, Schüler und Lehrer – bloß nicht die Sommerferien kürzen“, sagt Henzler.
„Darauf wurde Rücksicht genommen. Gleichzeitig werden die Kindergärten gefragt, ob sie ihre Schließwochen im Sommer ausfallen lassen können – das passt doch nicht zusammen.“Laut Henzler brauchen Kindergarten-Kinder genauso Ferien wie Schüler. „Für die Kinder ist der Alltag hier anstrengend, und sie brauchen auch einmal Abstand.“
Die Eltern hätten während der vergangenen Monaten gemerkt, wie viel Mühe sich die Erzieherinnen machen, sagt Henzler. „Durch die älteren Geschwister der Kinder, hatten die Eltern teilweise auch Vergleich zum Einsatz der Lehrer in dieser Zeit.“
Jetzt fehle nur die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, findet Henzler. „Ich bin erst vier Jahre in diesem Beruf und merke schon, dass wir nicht wirklich gehört werden.“