Die Griffe sind bereit
Sektion Memmingen des Deutschen Alpenvereins eröffnet ihr Boulder Alpin Zentrum in Allgäuer Straße
(ds) - 850 Quadratmeter leere Wand aus hellen und dunklen Holzplatten und 3500 bunte Bouldergriffe. Das war die Ausgangslage für Knupp Huber und sein Team. Huber ist der Chefschrauber des neuen Boulder Alpin Zentrums Memmingen der örtlichen Alpenvereinssektion. Am Samstag wurde der Neubau an der Allgäuer Straße nach mehrjähriger Plan- und Bauzeit eröffnet.
Beim Bouldern in der neuen Halle klettern die Sportler künstliche Felswände an Griffen hinauf. Die Wände sind dabei nur wenige Meter hoch. Auf dem Boden sind weiche Matten verlegt, sodass die Kletterer jederzeit abspringen können. Sie brauchen also kein Seil oder eine sonstige Sicherung. Die verschiedenen Farben der Griffe stehen für verschiedene Schwierigkeitsstufen. Will ein Kletterer also ein sogenanntes Boulderproblem in einer mittleren Schwierigkeit lösen, versucht er die Wand nur mit roten Griffen hinaufzuklettern.
Und da kommen nun Knupp Huber und seine Schrauber ins Spiel. Ihre Aufgabe war es, an die bis dahin leeren Wände in der neuen Halle 150 solcher Boulderprobleme zu schrauben. Die Wände sind freilich nicht gerade. Sie haben Kurven und Ecken, leichte Schräglagen und steile Überhänge. Außerdem gibt es nicht eine Stelle für schwere Routen und eine andere, wo nur Anfänger klettern. Vielmehr sind gelbe (Schwierigkeitsgrad: „oifach“) und schwarze Griffe (Schwierigkeitsgrad: „lass sei“) direkt nebeneinander. Die Herausforderung ergibt sich durch die Entfernung zwischen den Griffen und deren Form.
„Mein erster Vorteil war: Ich war bei der Wandplanung und der Griffbestückung selbst dabei“, sagt Huber. Er habe also schon während der Bauphase der Halle ungefähr gewusst, wie viele Griffe von welcher Art er braucht. Huber ist erfahren, schraubt in vielen Hallen in der Region. Für ihn ist Memmingen die dritte „Erstbestückung“, bei der er also vor der Eröffnung erstmals Griffe an die Wände schraubt.
Mit fünf weiteren professionellen Routenbauern und einigen Ehrenamtlichen brauchte Huber sieben Tage, um alle Griffe an die Wände zu schrauben. „Das läuft als eine Mischung aus Schrauben und Probieren ab“, erzählt er. Klar: Die Routenbauer müssen jedes Boulderproblem nach dem Anbringen testen und vielleicht noch den ein oder anderen Abstand anpassen. Meistens helfe aber die Erfahrung. „Gerade in den leichten Farben weiß ich, was funktioniert“, sagt Huber.
Eine Herausforderung seien jedoch die schwarzen Griffe gewesen – der schwerste Schwierigkeitsgrad in der neuen Halle. „Die kann ich zwar klettern, aber ich tue mir schon schwer“, gibt Huber zu. Deshalb holte er sich beim Probieren dieser Boulderprobleme Unterstützung vom neuen Betriebsleiter des Boulder Alpin Zentrums. Der heißt Michael Ullrich und schaut nicht nur, dass hinter den Kulissen der Betrieb der Halle gesichert ist, sondern klettert auch selbst an den Wänden entlang – und das gekonnt. Ullrich ist amtierender bayerische Vizemeister im Bouldern.
Der Augsburger bewarb sich im Sommer auf die Stelle als Betriebsleiter
– und erhielt die Zusage. Zur Halle sagt er: „Man kann hier auch als starker Kletterer noch gut trainieren.“Ihm selbst sei die Definierwand sehr wichtig. Dabei handelt es sich um einen Bereich, in dem im Gegensatz zum Rest der Halle keine Routen vorgegeben sind. Stattdessen sucht sich der Kletterer vom Boden aus die Griffe aus, die er benutzen will. „Man braucht also Kreativität und Eigenverantwortung“, beschreibt Ullrich.
Die neue Halle in Memmingen teilt sich grundsätzlich in drei Wände auf. Vom Eingang aus gesehen rechts steht eine 4,50 Meter hohe Wand – diese hätte damit die Höhe, die eine offizielle Wettkampfwand im Bouldern haben muss. „Vielleicht veranstalten wir einmal Stadtmeisterschaften oder regionale Wettkämpfe“, meint Knupp Huber.
Gegenüber führt die linke Wand zu einer Empore nach oben. Von den obersten Griffen steigen die Kletterer auf diese Empore und laufen von dort über Treppen wieder hinunter in die Halle. Eine dritte Wand gibt es auf der Empore. „Die ist eher etwas für Anfänger, weil nicht so viel los ist und man in Ruhe klettern kann“, sagt Ullrich.
Interessierte können an der Empfangstheke in der Halle Kletterschuhe und Chalk, also Beutel mit Magnesium, um die Hände einzureiben, ausleihen. Mitglieder des Alpenvereins – davon gibt es bei der Memminger Sektion etwa 6500 – erhalten vergünstigten Eintritt. Außerdem gibt es einen kleinen Gastronomiebereich. „Auf der Speisekarte steht nicht allzu viel. Wir wollten es klein und fein halten“, sagt Ullrich. Wert habe man darauf gelegt, dass das Essen aus der Region komme.
Für Besucher ohne Jahreskarte öffnet das Boulder Alpin Zentrum unter der Woche ab 16 Uhr, am Wochenende ab 10 Uhr. Zur Kletterhalle gibt es aber noch einen zweiten Eingang. Den können die Besitzer von Jahres- und Halbjahreskarten per Chip öffnen und so die Halle betreten, ohne an der Theke vorbeizukommen. Dieser Zugang ist ab 7 Uhr offen. „Dadurch brauchen wir vormittags kein Personal“, erklärt Ullrich. Die Halle schließt um 22 Uhr, beziehungsweise freitags und samstags um 23 Uhr.
Der Bau der Halle kostete nach Angaben der Alpenvereinssektion Memmingen etwa 2,9 Millionen Euro. „Etwa zehn Prozent mehr, als wir geplant hatten“, sagt die Vorsitzende Gabriele Neun bei der Eröffnung. In dem Gebäude sind außerdem die Geschäftsräume der Sektion, ein Jugendraum und ein Gymnastikraum untergebracht. Viele Arbeiten erledigten Mitglieder ehrenamtlich. Federführend beim Bau der Halle waren Lukas Neun und Architekt Michael Malek. Die beiden wurden dafür zu Ehrenmitgliedern der Alpenvereinssektion ernannt.
Damit auch Sportler, die regelmäßig in die Halle zum Klettern kommen, sich auf Dauer nicht langweilen, schrauben Knupp Huber und seine Kollegen alle zwei Wochen einen Teil der Boulderprobleme neu. Derzeit hängen von den eingangs erwähnten 3500 Griffen etwas weniger als 3000 an den Wänden. Weiter Griffe seien zudem schon bestellt. Die Möglichkeiten gehen Huber in der Memminger Boulderhalle also so schnell noch nicht aus.