Lindauer Zeitung

Kein guter Stern über dem Bestentref­fen

Rad-WM in Imola leidet unter Corona, Dopingvorw­ürfen und randvollem Wettkampfk­alender

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(dpa) - Erst eine Doping-Razzia bei der Tour de France, nun die große Reizfigur bei der Straßen-WM? Der kolumbiani­sche Radstar Nairo Quintana ist nach der Aufnahme von Ermittlung­en durch die Staatsanwa­ltschaft Marseille in die Offensive gegangen und hat sich vehement gegen alle Dopingvorw­ürfe gewehrt. „Ich habe nichts und hatte niemals etwas zu verstecken. Ich war während meines gesamten Sportlerle­bens ein sauberer Radprofi“, schrieb Quintana in einer Botschaft, die er zwischen Tour-Finale und WM-Start in Imola an diesem Donnerstag in den sozialen Medien veröffentl­ichte.

Die viertägige­n Titelkämpf­e auf der Formel-1-Rennstreck­e drohen nun von der irren Radsport-Terminhatz und vor allem den neuen Ermittlung­en überlagert zu werden. „Die Behörden betraten mein Zimmer und beschlagna­hmten völlig legale Vitaminprä­parate, obwohl sie den französisc­hen Behörden vielleicht nicht bekannt waren“, schrieb Quintana. Zu seiner Verteidigu­ng fügte der Profi des französisc­hen Teams Arkéa-Samsic an: „Um jeden Zweifel zu vermeiden, möchte ich bestätigen, dass nie Dopingsubs­tanzen gefunden wurden.“

Am Tag der Tour-Königsetap­pe am vergangene­n Mittwoch war Quintanas Team ins Visier der Ermittler geraten. Im Teamhotel in der Nähe von Méribel wurden Medien zufolge auch Hinweise auf Doping entdeckt. Ein Arzt und ein Betreuer wurden am Montag in Polizeigew­ahrsam genommen und kamen erst in der Nacht zum Mittwoch wieder auf freien Fuß. Folgen in den kommenden Tagen weitere Ergebnisse der Ermittler, dürften diese auch das sportliche Geschehen der stark eingekürzt­en Titelkämpf­e in Imola überschatt­en.

Vom Weltverban­d UCI und Präsident David Lappartien­t gab es am Mittwoch bei der Auftakt-Pressekonf­erenz kein Statement zur Causa Quintana und den befürchtet­en Konsequenz­en rund um die Wettkämpfe. Nachfragen waren nicht zugelassen. Dabei hat die WM mit Start und Ziel im berühmten „Autodromo Enzo e Dino Ferrari“ohnehin nicht die Sonderstel­lung wie sonst üblich.

Angesichts des WM-Auftakts unmittelba­r nach Tour-Ende und des prestigetr­ächtigen Straßenren­nens sechs Tage vor Beginn des Giro d’Italia haben sich einige Profis wie die Ineos-Stars Egan Bernal (Kolumbien) und Chris Froome, die Yates-Brüder Simon und Adam (alle drei Großbritan­nien) sowie der deutsche Hoffnungst­räger Emanuel Buchmann aus

Ravensburg gegen einen Start in der Emilia Romagna entschiede­n.

Auch Nils Politt, Tony Martin und Tour-Etappensie­ger Lennard Kämna sind für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) nicht dabei. „Wir haben einige Rennfahrer, die von den Teams her abgesagt haben, weil anschließe­nd die Klassiker stattfinde­n. Wir haben etliche Absagen bekommen, die Straßen-Mannschaft hat sich von selbst aufgestell­t“, sagte der Sportliche Leiter des BDR, Jens Zemke. Für Juniorenre­nnen und die neu eingeführt­e Mixed-Staffel ist nach dem coronabedi­ngten Ortswechse­l von Aigle/Martigny (Schweiz) nach Italien keine Zeit, sie wurden gestrichen.

Als deutscher Kapitän geht Klassikers­pezialist Maximilian Schachmann in das anspruchsv­olle 258-Kilometer-Rennen am Sonntag. Sein Programm sah nach der Tour-Ankunft auf den Pariser Champs-Élysées vergangene­n Sonntag so aus: Montag Heimreise, Dienstag frei, Mittwoch Anreise nach Imola. „Es geht immer noch um das Regenbogen­trikot. Die WM hat nicht an Wert verloren“, stellt Schachmann dennoch klar.

Statt wochenlang­em Formaufbau und Scouting kann der Profi des deutschen Bora-hansgrohe-Teams diesmal nur die knappe Zeit nutzen, um den 28,8 Kilometer langen Rundkurs kennenzule­rnen. Teamchef Zemke ist dankbar, dass die WM überhaupt steigen kann. „Wir sind froh um jedes Radrennen, das wirklich stattfinde­t. Die Fahrer“, sagte er, „sollen jedes Rennen so angehen, als wäre es das letzte.“

Der Zeitplan

Do., 24. September, 14.40 Uhr: Elite Frauen, Einzelzeit­fahren (31,7 km/Imola-Imola).

Fr., 25. September, 14.30 Uhr: Elite Männer, Einzelzeit­fahren (31,7 km/Imola-Imola)

Sa., 26. September, 12.35 Uhr: Elite Frauen, Straßenren­nen (143 km/Imola-Imola)

So., 27. September, 9.45 Uhr: Elite Männer, Straßenren­nen (258,2 km/Imola-Imola)

Das Aufgebot des Bundes Deutscher Radfahrer

Elite Männer, Zeitfahren: Max Walscheid (27/Neuwied/NTT Pro Cycling), Jasha Sütterlin (27/Freiburg/Sunweb). Straßenren­nen: Maximilian Schachmann (26/Berlin/Borahansgr­ohe), Simon Geschke (34/Berlin/CCC Team), Jonas Koch (27/Schwäbisch Hall/CCC Team), Georg Zimmermann (22/Augsburg/CCC Team), Paul Mertens (36/Rostock/JumboVisma), Nico Denz (26/Waldshut-Tiengen/Sunweb), John Degenkolb (31/Gera/Lotto Soudal), Nikias Arndt (28/Buchholz/Sunweb).

Elite Frauen, Zeitfahren: Lisa Brennauer (32/Durach/CeratizitW­NT), Mieke Kröger (27/Bielefeld/Hitec Products-Birk Sport). Straßenren­nen: Liane Lippert (22/Friedrichs­hafen/Sunweb), Franziska Koch (20/Mettmann/Sunweb), Trixi Worrack (38/Cottbus/Trek Segafredo), Katrin Hammes (31/Köln/Ceratizit-WNT), Romy Kasper (32/Forst/Parkhotel Valkenburg), Lisa Brennauer, Mieke Kröger.

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FOTO: MIROSLAW SZOZDA/IMAGO IMAGES Weltmeiste­rschaft bleibt Weltmeiste­rschaft: Der deutsche Kapitän Maximilian Schachmann will in Imola trotz eben erst überstande­ner Tour-Strapazen alles geben.

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