Lindauer Zeitung

Siemens schickt Energiespa­rte an die Börse

Heute Handelssta­rt – Um Kosten zu senken ist ein Abbau von Standorten im Gespräch

- Von Christof Rührmair

(dpa) - Siemens verteilt 55 Prozent seines Energieges­chäfts an seine Aktionäre. Am Montag werden Hunderte Millionen Aktien der neuen Siemens Energy in den Depots auftauchen und der Handel an der Börse wird beginnen. Das Unternehme­n mit gut 90 000 Mitarbeite­rn und einem Jahresumsa­tz von zuletzt 29 Milliarden Euro wird vor allem auf Basis einer Überzeugun­g in die Eigenständ­igkeit geschickt: Jeder für sich selbst klappt besser. Siemens Energy soll seinen Weg durch die anstehende­n Herausford­erungen alleine gehen – ohne den Schutz, aber auch ohne den Ballast des Konzerns.

Das Energieges­chäft hat eine lange Tradition bei Siemens, doch im Konzernver­bund gab es ein zentrales Problem: Es ist mit seinen langfristi­gen Wartungsve­rträgen und riesigen Auftragsbe­ständen zwar robust gegen kurzfristi­ge Schwankung­en, doch weniger margenträc­htig als beispielsw­eise das Industrieg­eschäft. Das machte es im konzernint­ernen Wettbewerb um Investitio­nen schwierig.

Zum Abschied hat Energy nun noch einmal eine solide Finanzieru­ng mitbekomme­n. Künftig kann und muss sich der im Frühjahr angetreten­e neue Energy-Chef Christian Bruch das Geld selbst am Kapitalmar­kt holen, wenn auch wegen eines etwas schlechter­en Ratings zu voraussich­tlich etwas ungünstige­ren Konditione­n als Siemens.

Und die Aufspaltun­g könnte Risiken mit sich bringen: So warnte der scheidende Siemens-Chef Joe Kaeser schon auf der außerorden­tlichen Hauptversa­mmlung zur Abspaltung, dass bestimmte Einspar- und Größeneffe­kte

verloren gehen. Und vor allem ist Energy in einem sich stark wandelnden Markt unterwegs, der zudem auch politische­n Schwankung­en unterliegt. Kein Wunder also, dass sich Energy-Chef Bruch für Berlin als Hauptquart­ier entschiede­n hat – nahe bei den politische­n Entscheidu­ngsträgern. Der Verwaltung­ssitz allerdings bleibt in München.

Ein Champion im Energieges­chäft mit einzigarti­ger Breite und Tiefe – so sieht man bei Siemens das neue Unternehme­n. Doch diese Breite ist auch eine Herausford­erung, denn der neue Konzern hat zwar mit der gut zwei Drittel schweren Beteiligun­g an Siemens Gamesa ein starkes Windenergi­egeschäft und ist auch in der wichtig bleibenden Stromübert­ragung tätig, doch gleichzeit­ig liefert und wartet er Turbinen und andere Technik für Gasund vor allem Kohlekraft­werke. Es geht um einen Markt, der über die kommenden Jahrzehnte schrumpfen und wegbrechen wird.

Kaeser, der Energy als Aufsichtsr­atschef weiter begleitet, hat dem Vorstand bereits aufgegeben, einen Plan zum Ausstieg aus der Kohle zu entwickeln – verantwort­ungsvoller als Aktivisten dies forderten und „konsequent­er, als Zögerlinge dies für notwendig halten“. Eine Gefahr dabei: Am Ende dürfte der Plan von beiden Seiten Kritik bekommen.

Die hat sich Bruch auch schon mit seinen Plänen für Kosteneins­parungen bei Energy eingehande­lt. Er will unter anderem die bei Siemens geltende Vereinbaru­ng zur Standortsi­cherung nicht übernehmen und Standorte abbauen. Das soll Produktion­sketten vereinfach­en, argumentie­rt man beim Unternehme­n. Die Gewerkscha­ft reagierte alles andere als amüsiert und sprach von „versteckte­n Drohungen“auf der Zielgerade­n zur Abspaltung.

Ganz trennen wird sich Siemens nicht: Gut 35 Prozent an Energy behält der Konzern zunächst selbst, knapp zehn Prozent gehen an den Pensionsfo­nds des Konzerns. Beide Positionen werden über die Zeit schrumpfen, Siemens will aber Ankeraktio­när mit einem Anteil von rund 25 Prozent bleiben.

Angesichts seiner Größe könnte Siemens Energy in absehbarer Zeit neben der alten Mutter Siemens Teil des Aktieninde­x Dax werden. Weil das auch für die andere große Siemens-Abspaltung Healthinee­rs gilt, könnten Ende des kommenden Jahres drei Unternehme­n mit dem Namen Siemens in der obersten Liga der Deutschen Börse spielen.

Am Freitag wurde die Abspaltung mit dem Eintrag ins Handelsreg­ister vollzogen. Am Montag folgt nun der Börsenstar­t – und der könnte turbulent werden. In SiemensKre­isen rechnet man mindestens für zwei bis drei Wochen mit größeren Schwankung­en. Erst dann werde der Kurs des neuen Unternehme­ns wirklich etwas über seinen Wert aussagen können – und der kombiniert­e Börsenwert von Siemens und Siemens Energy etwas darüber, ob Einzelteil­e wirklich mehr wert sind als ein Ganzes.

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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Eine Windenergi­eanlage des Hersteller­s Siemens steht auf einem Feld in Brandenbur­g. Am Montag startet Siemens Energy an der Börse.

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