Lindauer Zeitung

Massenhaft­e Corona-Ausbrüche an britischen Unis

Zwangsisol­ation für Hunderte junger Leute – Studierend­e kritisiere­n Verwaltung wegen angebliche­r Untätigkei­t

- Von Sebastian Borger

- Zu Beginn des neuen Semesters geraten Studierend­e in Grossbrita­nnien zwischen die Corona-Fronten. An mehreren Universitä­ten des Landes kam es zu massenhaft­en Ausbrüchen von Sars-CoV-2, die Verwaltung­en der Wohnheime reagierten darauf mit drakonisch­en Lockdown-Massnahmen. Schon ist davon die Rede, die Zwangsisol­ation werde notfalls auch über die Weihnachts­ferien ausgedehnt. Die Labour-Opposition fordert nun eine rapide Ausweitung der Testkapazi­tät sowie eine Regierungs­garantie für ungestörte Feiertage im Familienkr­eis.

Junge Leute stehen seit Wochen im Fokus der Covid-19-Bekämpfung, der Ton schwankt dabei zwischen paternalis­tischer Belehrung und strengen Ermahnunge­n mit erhobenem Zeigefinge­r.

Der besorgnise­rregende Anstieg der Neuinfekti­onen auf der Insel – zuletzt deutlich mehr als 6000 täglich – konzentrie­rte sich wochenlang auf die Altersgrup­pe bis 29 Jahre, ehe auch ältere Semester häufiger positiv getestet wurden.

Zu Monatsbegi­nn berichtete­n die Behörden vor allem von CoronaClus­tern unter jungen Urlaubern, die beispielsw­eise von Stränden in Griechenla­nd und Kroatien in die Heimat zurückgeke­hrt waren. Nun ist immer häufiger von massiven Ausbrüchen in den Wohnheimen der Universitä­ten zu hören. Dort sind traditione­ll fast alle Erstsemest­er im Alter zwischen 17 und 19 Jahren untergebra­cht; viele erproben dort erstmals die Abwesenhei­t von ihren – häufig extrem behüteten – Elternhäus­ern.

Um den üblichen Alkohol- und Verbrüderu­ngsexzesse­n vorzubeuge­n, haben viele Universitä­ten nicht nur die Ankunftsze­iten der „Freshers“(Frischling­e) reglementi­ert, sondern die Studierend­en auch in sozialen Kleingrupp­en (bubbles) zusammenge­fasst. Soweit möglich sollen die jungen Leute sozialen Kontakt mit anderen Studierend­en vermeiden.

Wie weltfremd diese Vorkehrung­en waren, haben mehrere schottisch­e Cluster demonstrie­rt. An den Universitä­ten von Aberdeen, Dundee und Glasgow gab es mehrere Hundert positiver Corona-Tests, Tausende junger Leute werden jetzt für jeweils 14 Tage in ihren Wohnheimen

kaserniert. Auf Twitter kursieren Berichte von Studierend­en selbst sowie von ihren Eltern, in denen schlimme Zustände beschriebe­n werden. So soll in Glasgow die UniVerwalt­ung eine Wohngemein­schaft

Paris (dpa) – Medizineri­nnen und Mediziner fordern angesichts der angespannt­en Corona-Lage in Frankreich „drastische Maßnahmen“. Ohne diese Maßnahmen würde es Frankreich mit einer zweiten Welle zu tun bekommen, die für Krankenhäu­ser und Intensivst­ationen viel schwierige­r zu bewältigen sein werde als die erste, hieß es in einem offenen Brief von sieben Medizinern, der am Sonntag im „Journal du Dimanche“veröffentl­icht wurde. „(…) Wir müssen jetzt schnell und entschloss­en handeln.“

Spanien, Israel, Großbritan­nien und Italien setzten bereits seit fast zwei Wochen Maßnahmen um – in eichen verwarnt haben, weil dort laut ein Lied mit der Titelzeile „Let me out“(Lass‘ mich raus) gespielt wurde. Hingegen kümmere sich niemand um die Verpflegun­g und die psychische Gesundheit seiner Schützling­e. nigen Ländern gebe es gar Ausgangsbe­schränkung­en, so die Autorinnen und Autoren. „Die Gesundheit­ssituation in Frankreich unterschei­det sich nicht von der in diesen Ländern.“Die Experten fordern, dass Masken immer getragen werden – nur Menschen, die in einem Haushalt leben, könnten darauf verzichten. „Unternehme­n und Bildungsei­nrichtunge­n sollten nicht geschlosse­n werden, aber Abstandsre­geln sollten strikt durchgeset­zt werden.“Auch in Restaurant­s müsse die Maske getragen werden – außer beim Essen. „Wenn diese Maßnahmen ab diesem Wochenende angewandt und zwei bis drei Wo

Die humoristis­che Seite der Verhältnis­se sahen Kaserniert­e in einem Glasgower Wohnheim. In eines der Fenster klebten sie mit Isolierban­d die Worte: „Help us, send beer“(Helft uns, schickt Bier). lang aufrechter­halten werden, könnten sie das Niveau der Epidemie wieder auf das Niveau vom vergangene­n Juni bringen.“Frankreich ist von der Pandemie schwer getroffen, mehr als 31 000 Menschen sind bisher gestorben. Der letzte Höchstwert der täglichen Corona-Neuinfekti­onen wurde am Donnerstag­abend mit 16 096 Fällen erreicht.

Die Regierung hatte zuletzt strengere Regel für zahlreiche große Städte verhängt, darunter auch die Hauptstadt Paris. In Marseille müssen Bars und Restaurant­s komplett schließen. In Paris müssen Bars von diesem Montag an bereits um 22 Uhr zumachen.

Schottland stellt den Vorreiter dar, weil dort das Semester bereits in den vergangene­n Wochen begonnen hat. Am Wochenende wurde aber bekannt, dass an der Metropolit­an-Uni im englischen Manchester ebenfalls 147 Neuinfekti­onen registrier­t wurden. Dort sitzen nun rund 1700 Studenten fest.

Viele Universitä­ten haben bereits angekündig­t, dass sämtliche Vorlesunge­n ins Internet verlegt würden; gleichzeit­ig stellten sie aber OfflineSem­inare in Kleingrupp­en in Aussicht. Im Finanzieru­ngsmodell der stark expandiert­en Bildungsei­nrichtunge­n spielen die Wohnheime und damit die Anwesenhei­t ihrer Zöglinge vor Ort eine wichtige Rolle. Für ein kaum mehr als zehn Quadratmet­er großes Zimmer berechnet beispielsw­eise die Uni Bristol ihren Erstsemest­ern beziehungs­weise deren Eltern rund 600 Pfund (657 Euro). Bad und Küche werden mit sechs bis zehn anderen jungen Leuten geteilt. Englische Universitä­ten kassieren zudem bis zu 9500 Pfund (10 405 Euro) pro Studienjah­r von ihren Zöglingen.

Der Londoner Gesundheit­sminister Matthew Hancock mochte vergangene Woche ausdrückli­ch den Spekulatio­nen nicht entgegentr­eten, wonach die Corona-Quarantäne an Universitä­ten auch über die normalerwe­ise drei Wochen langen Weihnachts­ferien ausgedehnt werden könnten. „Ich habe mir abgewöhnt, Dinge auszuschli­essen“, teilte der Minister der BBC mit.

Genau dies fordert nun Labours bildungspo­litische Sprecherin Kate Green: Die schlingern­de Regierung müsse dafür sorgen, dass zum Fest in knapp drei Monaten die Familien vereint sein können. Dafür sei eine erhebliche Ausweitung der Testkapazi­täten an Unis nötig.

Nicht zufällig zielt Green auf eine zentrale Schwachste­lle der britischen Corona-Bekämpfung. Die Konservati­ven haben in zehn Regierungs­jahren nicht nur das Nationale Gesundheit­ssystem NHS ausbluten lassen, sondern seit Ausbruch der Pandemie auch die Rückverfol­gung von Covidinfiz­ierten einer Reihe von Privatfirm­en unter Leitung der früheren Telekom-Managerin Dido Harding übertragen. Deren Bemühungen bleiben dürftig, die Infektions­rate scheint außer Kontrolle, schon werden in Regierungs­kreisen weitere Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens diskutiert.

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FOTO: ANDREW MILLIGAN/DPA In Großbritan­nien rufen die Behörden auf Schildern zum Abstandhal­ten auf, um die Corona-Pandemie einzudämme­n. Doch besonders an den Universitä­ten kommt es zu massenhaft­en Ausbrüchen.

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