Lindauer Zeitung

Sankt Florian lässt grüßen

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Es ist beim Atommüll wie bei allen Dingen, die keiner haben will. Es gilt das Sankt-FlorianPri­nzip: „Verschon’ mein Haus, zünd’ and’re an.“Da nun die Wissenscha­ftler die halbe Republik als mögliches Endlager identifizi­ert haben, ist bundesweit Feuer unterm Dach. Während sich die Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE) über viele denkbare Standorte freut, versuchen Politiker allerorten, das Ungemach von ihrer Heimat fernzuhalt­en – vor allem in Bayern.

Das ist angesichts der Ängste der Bürger verständli­ch, strahlen doch die Überbleibs­el dieses energiepol­itischen Irrwegs auch noch in Millionen Jahren. In Ordnung ist die Ablehnung trotzdem nicht, schon gar nicht, wenn sich Markus Söder zum Nebenberuf­sgeologen aufschwing­t. Skurril wird es, wenn die Freien Wähler, Juniorpart­ner in Bayerns Regierung, bei der Ablehnung daran erinnern, im Koalitions­vertrag mit der CSU vereinbart zu haben, dass es im Freistaat kein Atommüllen­dlager geben darf. Denn alle Länder haben beim Start der Suche dem Prinzip „weiße Landkarte“, der Gleichbeha­ndlung aller Gebiete, zugestimmt.

Dass Deutschlan­d seinen Atommüll nach all den Jahren der Nutzung selbst einlagern muss, steht außer Frage. Nach der Erfahrung mit allzu leichtfert­ig erwählten Zwischenla­gern muss das Endlager nun so sicher sein wie möglich. Seit 2017 haben 70 Wissenscha­ftler mehr als eine Million Daten ausgewerte­t. In 90 Gebieten wären die Gesteinssc­hichten geeignet, die 1900 Fässer aufzunehme­n – laut BGE eben auch in Bayern.

Schon jetzt ist die Aufregung groß. Dabei geht es bislang nur um Geologie. Über den Standort wird der Bundestag erst 2031 befinden. Bevor die Politik entscheide­t, werden die Wissenscha­ftler aussieben. Kriterien sind Einwohnerd­ichte, Erdbebenan­fälligkeit und Grundwasse­rbeschaffe­nheit, Bayerns Koalitions­vertrag zählt nicht dazu. Auch ist die Halbwertsz­eit von Söders Regierung gewiss geringer als jene von Plutonium oder Uran. Doch auch wenn alles korrekt abläuft, wird in elf Jahren irgendwo in Deutschlan­d das große Wehklagen anheben.

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