Söder und die Ideen der anderen
Viele Vorschläge des Ministerpräsidenten sind keine eigenen – Das behaupten die Freien Wähler
Von Ralf Müller
- Die Ironie war ätzend und nicht zu überlesen: Nach dem virtuellen CSU-Parteitag am vergangenen Samstag meldete sich der bayerische Koalitionspartner Freie Wähler (FW) mit einem doppelbödigen Lob für den CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder zu Wort. Der Ministerpräsident lasse sich „nicht von parteipolitischen Eitelkeiten hemmen“.
Den Freien Wählern passiert immer wieder das, was schon Generationen von Oppositionsfraktionen im bayerischen Landtag widerfahren ist: Sie bringen Vorschläge vor, stellen Anträge, die von der CSU als unnötig oder nicht zielführend abgelehnt werden. Nach einer gewissen Schamfrist, die von wenigen Wochen bis Jahre dauern kann, bringt die regierende CSU dann die Vorschläge als eigene wertvolle Ideen in die Landespolitik ein. Regierungschef Söder bestreitet das nicht einmal. Auch aus der Opposition kämen gute Anregungen, bescheinigte er einmal. Die aufzugreifen würde der CSU keinen Zacken aus der Krone brechen. Das Problem aus der Sicht der Freien Wähler ist nur: Söder verschweigt die Urheberschaft der Ideen diskret und gibt sie als seine eigenen aus.
So hatten sich FW-Fraktionsvorsitzender Florian Streibl und der Parlamentarische Geschäftsführer Fabian Mehring Anfang September für ein Expertengremium analog zum Runden Tisch Artenschutz ausgesprochen, um die Corona-Politik der Söder-Regierung einer institutionalisierten Kontrolle zu unterziehen. In einen Landtagsantrag mündete der Vorschlag nicht, weil der Koalitionspartner den Vorschlag nicht für gut befand: Brauchen wir nicht, hieß es, was solle das bringen. Umso erstaunter waren Streibl und Mehring, als Söder genau dies in seiner Rede zum virtuellen Parteitag am vergangenen Samstag ankündigte.
„Wir freuen uns, dass der Ministerpräsident unseren Vorschlag eines Runden Tisches zur fortlaufenden Evaluierung aller Corona-Regeln aufgreift und – trotz anfänglicher Skepsis vonseiten der CSU-Spitze – zur Umsetzung bringt“, erklärten Streibl und Mehring. „Dass wir trotz der ursprünglichen Zurückweisung unserer Idee durch die CSU-Fraktionsspitze nun zum Ziel gekommen sind, zeigt auch, dass unsere Bayernkoalition auf Augenhöhe funktioniert“, fügte Mehring ironietriefend hinzu. Söder wurde beim „Ideengeber“(Mehring über seine Fraktion) gleich noch einmal fündig. Im vergangenen August schlug FW-Fraktionschef Streibl eine Corona-Ampel nach österreichischem Vorbild vor, um lokale Infektionsherde zu bewerten und mehr Verlässlichkeit und Transparenz bei der Bekämpfung der Pandemie mit einschränkenden Maßnahmen herzustellen. Gar nicht schlecht, verlautete es nach Angaben aus regierungsnahen Kreisen vorletzte Woche aus Söders Staatskanzlei. Doch man möge den Vorschlag doch noch ein wenig zurückstellen. Zwischenzeitlich sprach Söder mit einer großen süddeutschen Zeitung und brachte die
Idee einer bundesweiten CoronaAmpel ein, wie die Medien gestern meldeten. „Wir brauchen jetzt ein verbindliches, verhältnismäßiges und verlässliches Regelwerk für den Winter“, sagte der CSU-Vorsitzende. Kern müsse die Einführung einer Warnampel für alle Bundesländer sein sowie Vorgaben, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, wenn die Zahl der Infizierten bestimmte Grenzwerte überschreite.
FW-Fraktionschef Streibl blieb nur, den Söder-Vorstoß zu unterstützen: „Es wäre ein großer und wichtiger Schritt im Kampf gegen die Pandemie und zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands, wenn die Ministerpräsidentenkonferenz die Corona-Ampel für die Bundesrepublik Deutschland beschließt.“Die Corona-Ampel würde damit nicht nur einen Beitrag zur Rechtssicherheit, sondern auch zum Schutz vor dem Virus leisten, da sie für jedermann einsehbar und nachvollziehbar wäre, so Streibl.
Am kommenden Donnerstag tritt das bayerische Kabinett zu seiner wöchentlichen Sitzung zusammen. Die FW dürften mit Interesse verfolgen, ob der Regierungschef in der anschließenden Pressekonferenz etwas über die Urheberschaft seiner jüngsten Initiativen verlauten lässt.