„Das Ideal des armen Poeten ist gesetzt“
Volker Klüpfel und Michael Kobr über ihren neuen Kluftinger-Roman „Funkenmord“
- Nach einer KluftingerPause, in der die Allgäuer Bestsellerautoren Volker Klüpfel und Michael Kobr den klassischen Thriller „Draußen“auf den Markt gebracht haben, erscheint heute der elfte Band der Reihe um den Altusrieder Kommissar – „Funkenmord“. Mit Katja Waizenegger haben die beiden über Homeoffice, die zunehmende Bequemlichkeit und Corona-Leugner gesprochen. Und darüber, warum sie keine Kluftinger-TShirts mehr verkaufen.
Sie arbeiten schon immer im Homeoffice. Insofern hat die Pandemie Ihre Arbeitsweise nicht verändert. Was ist dennoch anders?
Kobr: Unsere Lesungen fallen aus. Insofern hat sich unser Tagesablauf schon verändert. Wir konzentrieren uns mehr aufs Schreiben.
Fehlen Ihnen die Lesungen?
Klüpfel: Ja und nein. Ich vermisse das Unterwegssein. Aber man wird ja auch wahnsinnig bequem. Wenn ich heute weiß, dass ich nächste Woche einmal abends raus muss, denkt man sich schon vier Tage vorher Jessesgott!
Das Privatleben von Kommissar Kluftinger spielt in „Funkenmord“wieder eine stärkere Rolle als in den beiden letzten Bänden. Hatten Sie mal wieder Lust, dem Affen Zucker zu geben?
Kobr: Das Private hat auch vorher eine große Rolle gespielt, aber halt nicht in der leichteren Art wie früher. Einer von Kluftingers engsten Kollegen ist gestorben. Da war es gar nicht so leicht, die humoristische Linie wiederzufinden.
Der Fall selber scheint diesmal eher weniger wichtig.
Klüpfel: Wir bewegen uns ja ständig im Spannungsfeld zwischen Krimi und Humor. Den einen sind die lustigen Szenen zu viel Ablenkung vom Fall, den anderen ist es zu viel Ablenkung vom Privaten. Das hängt von den persönlichen Präferenzen ab.
In Realzeit gerechnet müsste Kommissar Kluftinger bald in Rente gehen. Immerhin ist der erste Band „Milchgeld“2003 erschienen.
Kobr: Kluftinger ist nun seit 17 Jahren Mitte, Ende 50 und hat schon noch ein paar Jährchen.
Der Kommissar bekommt in „Funkenmord“eine junge Kollegin an die Seite gestellt – und verhält sich für einen grantigen Allgäuer ganz fortschrittlich. Da haben Sie Ihrer Hauptfigur eine charakterliche Weiterentwicklung zugestanden.
Kobr: Nach dem zehnten Band haben wir Potenzial in Kluftingers charakterlicher Entwicklung gesehen. Es war uns wichtig, dass er nicht der, wie man heute sagt, schlimme alte, weiße Mann bleibt. Auch er soll sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzen müssen. Er soll eine Identifikationsfigur bleiben für unsere Generation.
Insgesamt entsprechen Sie nicht dem Bild, das man sich von Autoren macht. Die schreiben nämlich in ihrer Stube und überlassen die Vermarktung dem Verlag. Sie vertreiben jedoch selbst Fanartikel, vom T-Shirt bis zur Kaffeetasse. Gehört sich das?
Klüpfel: Wir haben deutlich zu spüren bekommen, dass es sich für deutsche Autoren wohl nicht gehört, einen Stand mit Merchandising-Produkten aufzustellen. Und deshalb werden wir das einstellen. Das Ideal des armen Poeten ist in Deutschland gesetzt. Jeder, der Geld mit Dingen verdient, die über das Buch hinausgehen, verscherzt Sympathien. In fast allen Artikeln und Interviews waren diese Merchandising-Produkte ein Thema. Medial hat es die Berichterstattung so überlagert, dass wir gesagt haben: Wir müssen das aufhören.
Betrifft das auch Ihre Lesetouren, die ja doch mehr Show-Elemente aufweisen als gemeinhin üblich?
Kobr: Sicher gibt es auch da Stimmen, die sagen, anno 2003 haben die noch bei uns in der Gemeindebücherei gelesen und da hat es bloß fünf Euro gekostet. Warum kostet es jetzt 22? Aber es gibt es auch das positive Feedback der Leser, die sich Karten kaufen.
Ihr Vater, Herr Klüpfel, bietet in Altusried Kluftinger-Touren an, auch in Kempten und an anderen Schauplätzen der Romane gibt es Führungen. Wie stehen Sie dazu?
Klüpfel: Damit haben wir nichts zu tun, bekommen dafür kein Geld. Die Fremdenverkehrsämter der Städte und Gemeinden bieten das an. Ich persönlich begebe mich aber auch auf die Spuren einer Romanfigur, die ich gerne mag.
Kobr: Es wäre vermessen, dafür etwas zu verlangen. Ich verstehe das unter Fan-Pflege. Wenn ich nach Ystad fahre, kann ich eine Wallander-Führung machen. Dann darf es in Altusried und Kempten auch eine Kluftinger-Führung geben.
Wie groß ist denn nun Ihr Kluftinger-Unternehmen? Haben Sie eine Assistentin, wer macht die Buchhaltung, wer bedient die sozialen Medien?
Klüpfel: Was die Autorengemeinschaft
Klüpfel und Kobr GbR betrifft, machen wir alles selber. Aber wir haben einen literarischen Agenten, das Marketing für die Bücher übernimmt der Verlag. Dennoch würde es nicht funktionieren, dass jemand für uns die sozialen Medien bedient. Das merken die Leute sofort, wenn da eine andere, vielleicht derbere Diktion herrscht.
Kobr: Wobei es manchmal schon schön wäre, jemand würde einem die Hotelzimmer, die Zugtickets buchen, die Telefonate abnehmen. Aber wir sind ja auch Allgäuer und machen es lieber selber.
Und sparen sich die Ausgaben. Was beschäftigt Sie derzeit am meisten?
Klüpfel: Die Sorge, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet. Denn bei allen Einschränkungen zu Beginn der Pandemie war zunächst doch eine große Verbundenheit zu spüren. Die gibt es nun nicht mehr. Kobr: Ich hatte noch nie so große Angst um den gesellschaftlichen Frieden. Es gibt offensichtlich keinen Konsens mehr darüber, dass das, was Politiker und Wissenschaftler sagen, wahr ist. Es ist erschreckend, dass Menschen bei Demonstrationen mitmarschieren, auf denen die Reichsflagge geschwenkt wird. Auch im persönlichen Umfeld tun sich schon mal Abgründe auf, wenn Leute, die man bislang als vernünftig eingeschätzt hat, Corona leugnen und Impfungen ablehnen. Klüpfel: Ich finde auch, dass man diesem Unsinn widersprechen muss. Da stehen dann schon mal Freundschaften auf dem Spiel.
Volker Klüpfel (49) und Michael Kobr (47) kennen sich seit ihrer Schulzeit in Kempten. Klüpfel hat später als Kulturredakteur bei der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“gearbeitet, Kobr als Realschullehrer in Memmingen. 2003 erschien ihr erster Krimi „Milchgeld“mit dem schrulligen Kommissar Kluftinger als Ermittler. Inzwischen haben die Schriftsteller ihre ursprünglichen Berufe an den Nagel gehängt. Die Kluftinger-Romane landen regelmäßig vorne auf den Bestsellerlisten.