Lindauer Zeitung

„Du, ich hab Leukämie“

Vierfache Mutter kann heute ein normales Leben führen – dank einer Stammzelle­n-Transplant­ation

- Von Kerstin Schellhorn

- Kathrin Batscheide­r wollte nicht am Morgen aufwachen und plötzlich einen Büschel Haare im Bett finden. Also bat sie eine befreundet­e Friseurin, ihre lange blonde Mähne bis auf ein paar Millimeter abzurasier­en. Ein paar Tage später fielen ihr die Haare aus. Das war vor zwei Jahren, als die Mutter von vier Kindern die Diagnose Leukämie bekam. Eine Stammzelle­n-Transplant­ation rettete ihr das Leben, sie führt wieder ein normales Leben. Aus Dankbarkei­t sammelte ihr Vater Franz Hörburger anlässlich seines 70. Geburtstag­es Spenden. Die 1500 Euro sollen nun der Forschung zugute kommen.

„Ich brauche keine Geschenke, ich habe alles, habe ich zu mir gesagt“, erzählt Franz Hörburger. Als ein paar Freunde zum Feiern vorbeischa­uten, stellte er deshalb eine Spendenkas­se auf. Wer wollte, konnte das Projekt „Blutstammz­ell- und Knochenmar­kTransplan­tation“der Uniklinik Ulm unterstütz­en. 500 Euro kamen zusammen – 1000 Euro gab er selbst dazu.

Hörburger ist den Ärzten, die seine Tochter behandelte­n, sehr dankbar. „Eine totale Erfolgsges­chichte, das passiert nicht oft im Leben.“Im Januar 2018 kam Kathrin Batscheide­r von einem Arztbesuch nach Hause und eröffnete ihrem Vater: „Du, ich hab Leukämie.“Der wollte an dem Tag zum Skifahren. „Ich war fix und fertig“, erinnert er sich. „Ich habe geheult wie ein Schlosshun­d.“Seine Tochter und ihr Mann sollten gleich weiter in die Klinik nach Ulm fahren. Also passte er auf die Kinder auf: ein neunjährig­es Mädchen, ein sechsjähri­ger Junge und eineinhalb­jährige Zwillinge.

Bis zum Tag der Diagnose war die heute 39-jährige Mutter nie krank. Bei einer Routinekon­trolle beim Hausarzt fiel dann aber ein zu niedriger Blutwert auf. Ein Facharzt ordnete daraufhin die Entnahme einer Rückenmark­sprobe an. Am nächsten Tag kam der Anruf aus der Praxis. „Wir sollten sofort kommen“, sagt Batscheide­r.

„Da habe ich schon mit etwas Schlimmem gerechnet.“Als dann von akuter Leukämie die Rede war, schaute sie ihren Mann an und beide weinten.

Wie aber den Kindern erklären, was los ist? Ihr Mann habe versucht, es so kindgerech­t wie möglich zu erklären, sagt sie. Dabei habe die Zeichentri­ckserie „Es war einmal das Leben“, in der medizinisc­he Zusammenhä­nge leicht verständli­ch aufbereite­t werden, geholfen. Einen Besuch in der Klinik wollte sie ihren Kindern nicht zumuten. Aber es gab viele Videotelef­onate.

„Ich habe probiert, möglichst positiv an die Sache ranzugehen“, sagt die Wiggensbac­herin. Es habe immer nur eine Richtung gegeben – nach vorn. Drei Chemothera­pien standen vor der Stammzelle­n-Transplant­ation an. Die Letzte sei die stärkste gewesen, erzählt sie. Denn diese zerstört das eigene Knochenmar­k, sodass die neuen Zellen anwachsen können. Die Folge ist, dass der Körper eine Zeit lang völlig ohne Immunsyste­m auskommen muss. „Dann heißt es Vorsicht, sich mit nichts anstecken.“

Die ersten Wochen verbringt Batscheide­r in der Klinik, dann zu Hause. Währenddes­sen kümmert sich ihr Mann allein um Kinder und Haushalt. Irgendwann kommt er an seine Grenzen. Die Lösung ist eine Haushaltsh­ilfe des Familienpf­legewerks, der alle heute sehr dankbar sind. Die Familie habe zusammenge­standen, sagt Hörburger stolz.

Gleich mehrere Stammzelle­nSpender seien für seine Tochter in Frage gekommen, erzählt er. Das ist nicht selbstvers­tändlich. „Deshalb möchte ich gerne dazu aufrufen, sich typisieren zu lassen. Das tut nicht weh.“Es sei nur ein Wattestäbc­hen, mit dem man die Mundschlei­mhaut abtupfen müsse, erklärt Batscheide­r. „Man kann es bei der Deutschen Knochenmar­kspenderda­tei (DKMS) online bestellen.“Ihren eigenen Lebensrett­er kennt sie noch nicht. Die zweijährig­e Sperrfrist ist aber abgelaufen. „Ich habe den Antrag jetzt abgeschick­t.“

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