Nach Sturz: Mutter und Kind geht es besser
27-Jährige und ihr Baby aus dem Krankenhaus entlassen – Abschiebung stand nicht bevor
- Der 27 Jahre alten Frau, die am Sonntag vor knapp zwei Wochen mit ihrem fünf Monate alten Säugling aus dem Fenster einer Asylbewerberunterkunft in Weingarten gestürzt ist, geht es den Umständen entsprechend gut. Das hat das Ravensburger Landratsamt auf SZ Nachfrage erklärt. Gleiches gilt für ihr Kind, welches beim Sturz – wohl in den Armen der Mutter geschützt – unverletzt geblieben war. Mittlerweile haben beide das Elisabethenkrankenhaus (EK) in Ravensburg, wohin sie nach dem Unfall gebracht worden waren, wieder verlassen. Eine besondere Tragik erlangt der Fall nun aber, weil die Frau, die aus Sorge vor einer Abschiebung aus dem Fenster kletterte, gar nicht abgeschoben werden sollte.
Doch der Reihe nach: Am Sonntag, 6. September, klopft es an der Tür der 27 Jahre alten Frau. Weil sie glaubt, dass die Polizei vor der Tür steht, um sie abzuschieben, nimmt sie ihren Säugling und klettert aus dem Fenster im 1. Stock. Doch der panikartige Fluchtversuch, wie es die Polizei im Nachgang festhält, endet in einer Katastrophe. Denn die Frau stürzt aus knapp vier Metern Höhe in die Tiefe und verletzt sich dabei schwer am Rücken. Glücklicherweise bleibt das Baby unverletzt.
Ein Rettungswagen bringt Mutter und Kind ins EK, während die nun hinzugezogene Polizei den Fall aufnimmt. Zuvor waren keine Beamten vor Ort. Der Partner der 27-Jährigen hatte an die Tür geklopft und damit die fatale Kettenreaktion ausgelöst. Wie die Frau der Polizei sagte, sei ihr mitgeteilt worden, dass sie abgeschoben werden solle. Doch ist die Situation weitaus komplizierter.
Wie das für Abschiebungen zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe auf Anfrage erklärt, fand im Oktober 2019 bereits ein Abschiebeversuch nach Italien statt. „Die Abschiebung konnte aufgrund medizinischer Belange nicht durchgeführt werden“, schreibt die Pressestelle des Regierungspräsidiums.
Doch bereits im Februar 2020 lief die sogenannte Überstellungsfrist für das Dublin-Verfahren nach Italien ab, weswegen nun Deutschland für den Asylantrag zuständig ist. Aktuell liege der Fall beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), erklärt die Pressestelle des RP. Eine abschließende Entscheidung über den Antrag sei noch nicht gefallen. „Die Betroffene befindet sich daher aktuell in der Aufenthaltsgestattung und ist nicht vollziehbar ausreisepflichtig“, heißt es vonseiten des Regierungspräsidiums.
Vereinfacht gesagt bedeutet das: Die 27 Jahre alte Frau darf aktuell in Deutschland leben und kann nicht ausgewiesen werden. Daher seien aktuell auch keine Abschiebungsmaßnahmen geplant, erklärt das RP. Der panikartige Fluchtversuch war also auf mehreren Ebenen ein folgenschweres Missverständnis.
Doch auch wenn konkret keine Abschiebung bevorstand, verdeutlicht der Fall abermals, wie groß die Ängste und Sorgen von Geflüchteten vor einer Abschiebung sind.
Erst im vergangenen Jahr war ein 39 Jahre alter algerischer Asylbewerber in Baienfurt ums Leben gekommen, als er bei einem Fluchtversuch vor der Polizei – die ihn tatsächlich abholen wollte – aus dem dritten Stockwerk acht Meter in die Tiefe fiel.