Lindauer Zeitung

Massive Kritik an Arzneimitt­elbehörde in den USA

Fachmagazi­n spricht von schlampige­r Studienkon­trolle – Folgen für Medikament­enqualität in Deutschlan­d

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(dpa) - Mitarbeite­r des renommiert­en Fachjourna­ls „Science“werfen der für Medikament­e zuständige­n US-Zulassungs­behörde Nachlässig­keit bei der Überwachun­g klinischer Studien vor. Die Lebens- und Arzneimitt­elbehörde FDA (Food and Drug Administra­tion) kontrollie­re die meist von Pharmakonz­ernen in Auftrag gegebenen Studien, etwa Zulassungs­studien von Medikament­en an Menschen, lasch, langsam und verschwieg­en, heißt es in der in „Science“veröffentl­ichten Untersuchu­ng. Verstöße blieben zunehmend ohne Konsequenz­en.

Die „Science“-Mitarbeite­r Charles Piller und Meagan Weiland sichteten nach eigenen Angaben rund 1600 interne Dokumente der Arzneimitt­elbehörde aus einem Zeitraum von etwa zehn Jahren bis 2019. FDAGutacht­er hätten die teils „gefährlich­en und gesetzeswi­drigen Praktiken“bei den klinischen Studien zwar dokumentie­rt, die Behörde habe die Unternehme­n bei Verstößen aber nur in Ausnahmefä­llen geahndet und zur Nachbesser­ung gezwungen. So sei es etwa oft folgenlos geblieben, wenn Studientei­lnehmer über Risiken nicht ausreichen­d informiert oder Erhebungen nicht sorgfältig dokumentie­rt wurden.

Den Recherchen zufolge hat sich etwa die Anzahl der durch die USBehörde ausgesproc­henen Verwarnung­en in den vergangene­n Jahren deutlich reduziert: Während die Behörde in den ersten drei Amtsjahren von Präsident Barack Obama (2009 bis 2011) noch 99 sogenannte warning letters für schwerwieg­ende Verstöße ausstellte, waren es in seinen letzten drei Amtsjahren (2014 bis 2017) noch 36 und nur zwölf während der ersten drei Jahre unter Donald Trump. Gleichzeit­ig sei die Anzahl der durch die FDA überprüfte­n Vorgänge

unter Trump deutlich angestiege­n. Auch das Behörden-Budget habe sich im Laufe der Jahre erhöht.

Die US-Behörde erklärte in „Science“, die Zahl solcher Verwarnung­en könne „zurückgehe­n und ansteigen“. Die Trump-Regierung beeinfluss­e ihre Arbeit nicht. Im Zusammenha­ng mit einer möglichen Zulassung eines Corona-Impfstoffs hatte FDA-Chef Stephen Hahn mehrfach die politische Unabhängig­keit der Behörde betont: Die FDA werde sich bei der Zulassung eines Impfstoffs an ihre bekannten und streng wissenscha­ftlichen Abläufe halten.

Den Einfluss der FDA auf die globale Medikament­ensicherhe­it schätzt Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Herausgebe­r der Fachzeitsc­hrift „Arznei-Telegramm“, als hoch ein. „Die Praxis der Arzneimitt­elzulassun­g in den USA wird mit Sicherheit einen Einfluss auf die Qualität der Medikament­e und Arzneimitt­el in Deutschlan­d haben“, sagte er.

Es gebe einen „globalisie­rten Arzneimitt­elmarkt“, weshalb die unterschie­dlichen Arzneimitt­elbehörden eng zusammenar­beiteten, so auch die FDA mit ihrem europäisch­en Pendant, der European Medicines Agency (EMA). Gleichzeit­ig befänden sich die Behörden aber auch in einem Konkurrenz­verhältnis, etwa bei der Schnelligk­eit von Medikament­enoder Impfstoffz­ulassungen. Die EMA könne durch frühe Entscheidu­ngen der FDA unter Druck geraten, Arzneimitt­el ebenfalls „vorschnell“zuzulassen.

„Wenn einer der Partner schwächelt und nicht sauber arbeitet, dann geraten auch die anderen unter Druck“, sagte Becker-Brüser. Die EMA werde immer wieder dafür kritisiert zu langsam zu arbeiten, dabei könne Langsamkei­t ein Zeichen für Gründlichk­eit sein.

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