Früher lustig, heute rassistisch?
Comedians wie Kaya Yanar, Bernhard Hoëcker und Anke Engelke hinterfragen frühere Gags
(dpa) - „Eigentlich müsste man den ganzen Zeitgeist, der damals herrschte, angreifen“, sagt der Comedian Kaya Yanar. Nicht nur er, sondern auch Bernhard Hoëcker und zuvor schon Anke Engelke gehen mit früheren eigenen Sketchen hart ins Gericht. Meist geht es dabei um sogenanntes Blackfacing, also darum, dass sich weiße Menschen schminken, um schwarze Menschen stereotyp darzustellen, und die Hautfarbe damit zu einer Verkleidung degradieren.
Brownfacing wäre dann ein entsprechendes Wort, wenn es um Inder geht, Yellowfacing, wenn es um Menschen aus China, Thailand oder anderen Ländern Asiens geht. Blackfacing ist insbesondere in den USA sehr umstritten, weil dort lange Zeit ein Bühnenverbot für schwarze Menschen herrschte und Weiße an der systematischen Unterdrückung auch in der Kunst Geld verdienten.
Der Comedian Kaya Yanar stellt seine indische Kunstfigur Ranjid im Zuge dieser Rassismusdebatte infrage. „Ich finde es schade, Ranjid eventuell nicht mehr zu spielen. Es ist, wie einen alten Freund zu verlieren. Aber letztendlich entscheiden natürlich die Inderinnen, Inder und Indischstämmigen in Deutschland, ob Ranjid weiterhin gespielt werden darf“, so Yanar.
Deshalb stellte er seiner Facebook-Community auch die Frage: „Darf ich weiterhin Ranjid spielen oder ist das nun ein Tabu? Was meint Ihr? Interessant wären vor allem die Meinungen von InderInnen oder Deutschen mit indischem Migrationshintergrund zu dem Thema.“Darunter begann eine Diskussion mit Tausenden Beiträgen.
Yanar fasst die Beiträge zusammen und sagt, er bekomme viel Zustimmung für seinen Ranjid, viele Indischstämmige würden seine Figur nicht als rassistisch empfinden. Die Stoßrichtung, Klischees offenzulegen und mit ihnen zu spielen und sich nicht über Inder oder Akzent und Aussehen lustig machen zu wollen, sei immer sein Ziel gewesen.
„Schließlich ist Ranjid eine Kunstfigur, die zwar einen indischen Migrationshintergrund hat, den aber kaum noch thematisiert.“
Yanar, der selbst türkische Vorfahren hat, hatte sich in der Sendung „Walulis Woche“geäußert. In der am Sonntag im SWR Fernsehen ausgestrahlten und in der ARD-Mediathek verfügbaren Sendung sagte er: „Diese ganze Diskussion, die finde ich großartig. Die zwingt uns Komiker dazu zu reflektieren. Darüber nachzudenken: ,Was haben wir da eigentlich gemacht?’ Was gar nicht so einfach ist.“
Außerdem sagte er in der Sendung: „Vor 20 Jahren galten ganz andere gesellschaftliche Maßstäbe. Damals waren Sachen akzeptiert beziehungsweise auch gewünscht, wo man heute sagt: ,Geht das überhaupt noch?’ Aber das ist ja der Job eines Komikers! Ja: An der Grenze des politisch Inkorrekten herumzutänzeln. Oder auch mal politisch unkorrekt zu sein. Grenzen neu zu ziehen, zu definieren, zu testen. Und 20 Jahre später zu sagen: ,Hey, das, was du damals gemacht hast, das geht nicht mehr.’“
Auch Bernhard Hoëcker macht sich Gedanken über frühere Sketche. „Eine Möglichkeit wäre: Wir löschen das Ganze“, sagte Hoëcker in „Walulis Woche“. „Aber dann gibt es keinen Grund mehr, darüber nachzudenken. Aber genau das ist es, was Comedy, was Parodie, was Unterhaltung auch soll – das Gehirn anregen.“Hoëcker bezieht sich auf einen Sketch der ProSieben-Sendung „Switch reloaded“mit Michael Kessler als Florian Silbereisen und Hoëcker als Rapper 50Cent – schwarz geschminkt. Darin fallen auch rassistische Begriffe für Schwarze.
Anke Engelke hatte vor zwei Wochen in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung“gesagt: „Blackfacing, Yellowfacing – einige Parodien würde ich nicht mehr machen.“Heute würde sie diese Rollen anders angehen, immer abchecken, ob Menschen betroffen seien, die struktureller Ausgrenzung oder Rassismus ausgesetzt seien. „Ich finde es gut, wenn wir heute ein anderes Bewusstsein haben.“
Auch die 90er-Jahre-Comedians Erkan und Stefan kritisieren sich selbst. Sie sagen: „Wir haben damals mal öfter das Wörtchen schwul verwendet für Dinge, die uncool waren oder die uns nicht männlich genug waren. Das würden wir heutzutage natürlich nicht mehr so tun. Heute sagen wir nicht mehr schwul, sondern etwas viel Differenzierteres: nicht schwul, sondern vegan.“