Lindauer Zeitung

Ehrung für Virenforsc­her

Drei Wissenscha­ftler entdeckten potenziell tödlichen Erreger – Millionen Menschen verdanken ihnen ihr Leben

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(dpa) - Der diesjährig­e Medizin-Nobelpreis geht an drei Virusforsc­her. Harvey J. Alter (USA), Michael Houghton (Großbritan­nien) und Charles M. Rice (USA) hätten mit ihren Entdeckung­en zum Hepatitis-C-Virus die Grundlage dafür gelegt, den Erreger nachweisen und beseitigen zu können, hieß es am Montag in Stockholm (Schweden) vom Nobelkomit­ee. Sie trugen demnach maßgeblich zur Entwicklun­g von Bluttests und neuen Medikament­en bei, die Millionen Menschen das Leben retteten.

Lange Zeit war Hepatitis C eine schlecht zu behandelnd­e chronische Erkrankung, viele der Betroffene­n entwickelt­en als Spätfolge Leberzirrh­ose und Leberkrebs. Heute ist es in den meisten Fällen möglich, das verursache­nde Virus zu beseitigen.

Der 1935 in New York geborene Harvey J. Alter hatte als Erster nachweisen können, dass ein bis dato unbekannte­s Virus eine chronische Hepatitis auslösen kann. Dem 1949 geborenen Briten Michael Houghton gelang es, das Genom des neuen Virus zu isolieren. Es bekam den Namen Hepatitis-C-Virus. Charles M. Rice, 1952 in Sacramento (USA) geboren, lieferte schließlic­h den Beweis dafür, dass das Hepatitis-C-Virus allein Hepatitis verursache­n kann.

Gerade mit Blick auf die Entwicklun­g von Medikament­en leistete zudem auch ein deutscher Wissenscha­ftler einen wichtigen Beitrag: Ralf Bartenschl­ager von der Universitä­t Heidelberg. Ihm gelang es, das Virus im Labor zu vermehren – eine wichtige Voraussetz­ung, um die Wirkung von Medikament­en zu untersuche­n. Den Nobelpreis, die höchste Ehrung in der Medizin, dürfen sich allerdings nicht mehr als drei Personen teilen.

Dass Bartenschl­ager nicht mit geehrt wurde, stieß bei Fachkolleg­en auf Bedauern: „Er hätte es auch absolut verdient“, sagte Michael Manns von der Medizinisc­hen Hochschule Hannover (MHH). Auch Reinhold Kreutz, Direktor des Instituts für Klinische Pharmakolo­gie und Toxikologi­e der Charité in Berlin, sagte, Bartenschl­ager sei „fundamenta­l“beteiligt gewesen. Der Nobelpreis an die ausgewählt­en Hepatitis-C-Forscher sei aber verdient, betonten beide Experten. Bartenschl­ager selbst sagte, dass es der Beitrag von vielen gewesen sei, dass man heute fast alle Betroffene­n heilen könne.

Das Hepatitis-C-Virus wird meist über infizierte­s Blut übertragen. Die akute Infektion verläuft oft unbemerkt, unbehandel­t nimmt sie häufig einen chronische­n Verlauf. Nach vielen Jahren können die Betroffene­n Leberzirrh­ose und Leberkrebs bekommen.

Nach WHO-Angaben sterben jährlich weltweit noch immer fast 400 000 Menschen infolge einer Hepatitis-C-Infektion, 71 Millionen Menschen sind chronisch infiziert. Europa gehört zu den stark betroffene­n Regionen. In Deutschlan­d erkrankten laut Robert Koch-Institut (RKI) im Jahr 2019 knapp 6000 Menschen, insgesamt sind schätzungs­weise 250 000 Menschen infiziert. Betroffen sind oft Menschen, die sich Drogen spritzen oder früher einmal gespritzt haben. Das Virus kann durch gemeinsame­s Benutzen von Spritzbest­eck übertragen werden.

„Mit der Identifika­tion der Hepatitis-C-Viren haben Alter, Houghton und Rice den Weg für die Entwicklun­g von Bluttests und Medikation­en geebnet, mit der sich die Erkrankung so gut behandeln lässt, dass sie in der Regel durch eine zwei- bis dreimonati­ge Therapie sicher ausgeheilt werden kann“, erklärte Frank Schuppert, Direktor der Klinik für Gastroente­rologie, Endokrinol­ogie, Diabetolog­ie und Allgemeine Innere Medizin am Klinikum Kassel.

Nobelpreis­träger Harvey J. Alter hat sich erst überhaupt nicht über die nächtliche Störung aus Stockholm gefreut. Als das Telefon bei ihm an der US-Ostküste gegen 4.45 Uhr klingelte, habe er gedacht, was denn zum Teufel los sei, sagte Alter in einem Telefonat, das am Montag auf dem offizielle­n Twitter-Account der Nobelpreis­e veröffentl­icht wurde. Fünf Minuten später habe es wieder geklingelt, wieder habe er nicht abgenommen, sagte Alter. „Beim dritten Mal bin ich dann

Mit dem Medizin-Preis startete der Nobelpreis-Reigen. Am Dienstag und Mittwoch werden die Träger des Physik- und des Chemie-Preises benannt. Am Donnerstag wird bekanntgeg­eben, wer den diesjährig­en Literatur-Nobelpreis erhält und am Freitag der Träger des diesjährig­en Friedensno­belpreises. wütend aufgestand­en, um ranzugehen - dann war Stockholm dran. Das war eine verrückte Erfahrung.“

Sein Ärger sei innerhalb einer Sekunde dem Schock gewichen. „Das ist etwas, von dem du denkst, dass es niemals passieren wird und manchmal, dass du nicht verdient hast, dass es passiert. Und dann passiert es in diesem verrückten Covid-Jahr, in dem alles ohnehin auf den Kopf gestellt worden ist.“Der Sekretär der Nobelversa­mm

Die Reihe der Bekanntgab­en endet am Montag, 12. Oktober, mit dem von der schwedisch­en Reichsbank gestiftete­n sogenannte­n Wirtschaft­s-Nobelpreis. Die Vergabe der Auszeichnu­ngen findet am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstift­ers Alfred Nobel. lung, Thomas Perlmann, hatte zuvor erzählt, er habe zwei der diesjährig­en Medizin-Nobelpreis­träger – Alter und den zweiten Amerikaner Charles M. Rice – wachgeklin­gelt, als er ihnen von ihrer Auszeichnu­ng berichtet habe. „Als ich sie einmal erreicht habe, waren sie extrem überrascht und wirklich glücklich und fast sprachlos“, sagte er während der PreisBekan­ntgabe in Stockholm. Es habe großen Spaß gemacht, mit ihnen zu sprechen.

 ?? FOTO: JONATHAN NACK/DPA ?? Harvey J. Alter (USA), Michael Houghton (Großbritan­nien) und Charles M. Rice (USA) bekommen in diesem Jahr den Nobelpreis für Medizin. Patrik Ernfors und Gunilla Karlsson Hedestam vom Nobelkomit­ee erläuterte­n am Montag die Leistung der drei Wissenscha­ftler: die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus.
FOTO: JONATHAN NACK/DPA Harvey J. Alter (USA), Michael Houghton (Großbritan­nien) und Charles M. Rice (USA) bekommen in diesem Jahr den Nobelpreis für Medizin. Patrik Ernfors und Gunilla Karlsson Hedestam vom Nobelkomit­ee erläuterte­n am Montag die Leistung der drei Wissenscha­ftler: die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus.

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