Entspannt auf Sand
Laura Siegemund trotzt in Paris der Kälte und Paula Badosa Gilbert – Jetzt wartet Kvitova
(SID/dpa) - Laura Siegemund hat lange für diese Glücksmomente in Paris gekämpft. „Ich versuche, es einfach zu genießen, und bin froh, dass es mir vergönnt ist“, sagte die 32 Jahre alte Schwäbin nach ihrem überraschenden Viertelfinaleinzug bei den French Open. Die Jahre einer nicht immer glitzernden Karriere erschienen ihr vor dem geistigen Auge, die Rückschläge, die sie verdauen musste: „Und jetzt hole ich mir die Belohnung“, sagte Laura Siegemund.
Kurz zuvor war der Profispielerin aus Metzingen mit dem 7:5, 6:2 gegen die Spanierin Paula Badosa Gilbert der größte Einzelerfolg ihrer langen Laufbahn bei einem Grand-Slam-Turnier gelungen. Siegemund schwimmt nach ihrem Triumph im Doppel bei den US Open vor dreieinhalb Wochen auf einer Erfolgswelle und steht plötzlich im Rampenlicht. Nicht die dreimalige Major-Siegerin Angelique Kerber, nicht Julia Görges, nicht Andrea Petkovic, die 2014 als letzte Deutsche in Paris das Halbfinale erreicht hat.
Laura Siegemund wird alles daran setzen, es ihr gleichzutun. Ihre Gegnerin Petra Kvitova aus Tschechien, an Nummer 7 gesetzte zweimalige Wimbledonsiegerin, wird am Mittwoch die Favoritin sein. Doch Laura Siegemund scheint bei dem Turnier in der französischen Hauptstadt mit etlichen Favoritenstürzen für vieles gewappnet. Weil sie ihre größte Stärke konsequent ausspielt: ihren Kopf.
Immer, wenn es eng wird, wenn der Druck auch oben auf den in Paris spärlich besetzten Tribünen zu spüren ist, performt die Athletin, die einen Bachelor in Psychologie besitzt. Ihre Abschlussarbeit mit der Note 1,3 schrieb die extrovertierte Siegemund zum Thema „Versagen unter Druck“.
Auch in ihrer Karriere spielten die Erwartungen eine größere Rolle, im Juniorinnenalter galt sie als neue Steffi Graf, auch wenn das mit Blick auf ihren Spielstil nicht wirklich passend erschien. Im Erwachsenenbereich lief es dann nicht wie erhofft, und Laura
Siegemund beschloss Ende 2012, etwas anderes zu machen. „Ich habe lediglich noch an kleinen Turnieren teilgenommen. Aufgrund meiner neuen Lockerheit war ich dort erfolgreich, fand auch den Spaß am Tennis wieder zurück“, berichtete sie einst.
Sie kehrte stärker zurück. „Ich habe ihr immer gesagt: ,Wenn du gut spielst, gehörst du auf Sand zu den besten 15, besten zehn Spielerinnen‘“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner bei Eurosport. „Sie hat auf dem Höhepunkt ihrer Sandplatzkarriere einen Kreuzbandriss gehabt.“2017 war das, nach dem Turniersieg vor der eigenen Haustür in Stuttgart, eine Komplexverletzung.
Laura Siegemund
Auch, wenn es laut Laura Siegemund nun in Paris „schweinekalt“ist – und auf dem Platz deshalb nicht immer leicht, ihren Höhenflug zu genießen –, soll der noch lange nicht vorbei sein. Die Deutsche schafft es beeindruckend, sich immer wieder neu auf die unangenehmen, ständig wechselnden Bedingungen einzustellen. Und sie ruht in sich. „Ich bin entspannt, ich bin relaxt“, sagt Laura Siegemund. „Ich habe das Gefühl, dass noch mehr in mir steckt.“
Da stören Kälte und Nässe nur bedingt, da hilft Gelassenheit: „Man hat sich entschieden, hier Tennis zu spielen. Dann kann man halt auch nicht jammern.“Tat Laura Siegemund auch nicht, obwohl sie in den vergangenen Tagen Rückenprobleme hatte. Am Montag, vor dem Match gegen Paula Badosa Gilbert, kämpfte sie zudem mit Magengrummeln: „Heute war es anstrengend, es war irgendwie eine
Nervenschlacht. Die Anspannung war höher, dazu der Wind.“
3:5 lag Laura Siegemund im ersten Durchgang zurück, ihre regelmäßige Trainingspartnerin aus Spanien servierte zum Satzgewinn. Doch Siegemund, die mit Leggins und langärmligem Oberteil spielte, blieb cool, konterte mit vier Spielgewinnen nacheinander, sicherte sich nach 52 Minuten den Satz. Im zweiten Durchgang musste Badosa am Rücken behandelt werden, Siegemund hielt sich mit Aufschlagbewegungen und Trippelschritten auf der Stelle warm. Nach 96 Minuten nutzte sie ihren ersten Matchball – und blickte wenig später ziemlich zuversichtlich in die nähere Zukunft. In ihre? „Ich habe schon viele Turniere erlebt, die ganz übel angefangen haben, unter ganz schwierigen Bedingungen, ganz ekelhaft. Und am Finaltag schien dann die Sonne, und es war ein wunderschöner Tag.“
„Ich habe das Gefühl, dass noch mehr in mir steckt.“