In 20 Stunden rauf und wieder runter
Rolf Schlachter aus Simmerberg hat mit seinem Sohn und einem Freund in einem Zug den Mont Blanc bestiegen
- Eigentlich wollte Rolf Schlachter einen Triathlon auf Taiwan bestreiten. Aufgrund der Pandemie wurde daraus aber nichts. Was also tun? Trübsal blasen? Nicht mit einem Vollblutsportler wie ihm. Der 58-Jährige suchte sich eine neue sportliche Herausforderung. Oder besser gesagt: ein halbes Dutzend Herausforderungen. „Die besonderen Umstände der Corona-Situation haben dazu geführt zu überlegen, was es alles in unserer Umgebung, ohne große Fernreisen, an Aktivitäten gibt – und die Limits etwas nach oben zu verschieben“, sagt er. Der Höhepunkt des Ganzen: Gemeinsam mit seinem Sohn und einem Freund hat er den Mont Blanc in einem Zug bezwungen: rauf und runter innerhalb von 20 Stunden.
Das Glücksgefühl, mal wieder auf dem Dach der Alpen zu stehen, hat eine Vorgeschichte. Denn die Tour war so gar nicht geplant. Alles begann während des Lockdowns im April, der Schlachter dazu bewogen hat, zum Wandern an den Hochgrat zu radeln. Bewegung an der frischen Luft und Sport waren damals ja nicht nur erlaubt, sondern als Beitrag zur Gesundheit sogar explizit erwünscht. Dieser Ausflug hat Schlachter, der 2003 in den USA seinen ersten Marathon absolviert hat, dazu ermuntert, seinen Radius etwas zu vergrößern. Anfang Juli radelte er zum Hochvogel, um dort den Sonnenaufgang zu genießen. Um 23 Uhr hin, um 5 Uhr wieder zurück. „Nachts ist man relativ ungestört unterwegs“, sagt er.
Der dreifache Familienvater fand Gefallen daran, sich selbst herauszufordern. Wenn schon keine Wettkämpfe sind, dann eben besondere Touren. Als nächstes radelte er mit dem Mountainbike zur Zugspitze und wieder zurück – inklusive Aufstieg zum höchsten Gipfel Deutschlands. 240 Kilometer, 4600 Höhenmeter und 15 Stunden unterwegs.
Und weil er schon so gut in Schwung war, plante er schließlich eine ganz besondere Feierabendtour: Am 31. Juli stieg er um 15.30 Uhr nach der Arbeit aufs Rennrad – und brach in Simmerberg auf nach Finale Ligure. „Die Herausforderung war es, die Nacht durchzuradeln“, erzählt er. Im Mondschein überquerte er um Mitternacht den San Bernardino – und 26 Stunden später, am Samstagabend, gab es dann italienische Pizza und Eis nach 570 Kilometern in den Beinen.
Auf dem Rückweg fiel sein Blick dann auf den Mont Blanc – und er bekam die entscheidende Idee: „Das wäre noch mal ein Ding“, dachte er sich. Ein halbes dutzend Mal hatte er den 4810 Meter hohen Berg schon bestiegen. Doch diesmal sollte es eine besondere Tour werden: Auf- und Abstieg in einem Zug. Unter anderem auch deshalb, weil man eine Hüttenübernachtung ein halbes Jahr im Voraus buchen müsste – und eine solche in Corona-Zeiten auch nur mäßig Spaß bedeutet.
Das Vorhaben war schnell ausgeklügelt, zwei sportliche fitte und bewährte Mitstreiter gefunden. Zur Vorbereitung auf das Projekt absolvierte der 58-Jährige noch die SechsPässe-Tour im Allgäu und Vorarlberg (280 Kilometer, 4100 Höhenmeter und elf Stunden im Sattel) sowie die Ötztaler Radrunde mit 230 Kilometern und 5200 Höhenmetern über Kühtai, Brenner, Jaufenpass und Trimmelsjoch.
Schließlich kam der große Tag. An einem Montagnachmittag um 15 Uhr fuhren Schlachter, sein Sohn Jonas und sein früherer Arbeitskollege Eugen Sinz aus Immenstadt mit dem Auto nach Chamonix. Nach einem gemütlichen Abendessen mit leckerem
Kartoffelauflauf („ein paar Kalorien braucht man schon“) starteten sie um 23 Uhr in Les Houches, das auf 1000 Metern Höhe liegt, den Aufstieg. „Mit einer guten Grundkondition ist das machbar“, sagt Schlachter. Mit Ausnahme eines kleinen Teilstücks kannte er den Weg, sodass auch die Dunkelheit kein Problem war. Über Fels und Schnee, mit leichtem Gepäck, aber inklusive Steigeisen, Gurt, Steigeisen und Pickel, ging es nach oben.
Dass sein Bekannter stürzte, sich die Hand aufschürfte und Rippen prellte, war eine Schrecksekunde. Doch er biss auf die Zähne. Und wurde belohnt: „Nach sieben Stunden Bergsteigen in der Dunkelheit standen wir dann um 9 Uhr morgens bei bestem Wetter und Sonne pur auf dem Dach der Alpen. Ein absolutes
Glücksgefühl“, sagt Schlachter. Was für ihn besonders ist: Als sein Sohnemann 13 Jahre alt war, habe er mit ihm diese Tour mit Hüttenübernachtung gemacht. Nun, 15 Jahre später, in einem Zug – mit Auf- und Abstieg in weniger als 20 Stunden.
Eine beachtliche sportliche Leistung, zumal er die Tour auch selbst organisiert hat. Das gehört für ihn aber dazu und macht den zusätzlichen Reiz aus. „Wenn ich bei einem Wettkampf mitmache, muss ich mich um nichts kümmern. Ich plane gerne selber“, sagt er.
Keine Frage also, dass er das nächste Projekt schon im Kopf hat. Das Jahr ist schließlich noch jung. Etwas im Schnee und mit Skiern soll es sein. Und bei Vollmond. Um die Limits weiter nach oben zu schieben.