Lindauer Zeitung

Rettet der Sonntagsve­rkauf den Einzelhand­el?

Streit in der Staatsregi­erung über Zahl der verkaufsof­fenen Sonntage – „Runder Tisch“berät

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(rm) - Beim Umgang mit verkaufsof­fenen Sonntagen werden innerhalb der bayerische­n Staatsregi­erung nach wie vor unterschie­dliche Akzente gesetzt. Während Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die Kommunen ermutigt, das zulässige Kontingent von vier verkaufsof­fenen Markt-Sonntagen „vollumfäng­lich“auszuschöp­fen, tritt Arbeitsmin­isterin Carolina Trautner (CSU) auf die Bremse. Schon vor der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass die Regelungen zum Ladenschlu­ss eben „nicht das Allheilmit­tel sind, um den Konsum im stationäre­n Einzelhand­el anzukurbel­n“, erklärte sie in München.

Verkaufsof­fene Sonntage dürfen von den Kommunen nur in Kombinatio­n mit Märkten, Kongressen und Veranstalt­ungen wie Theaterfes­ten, Ausstellun­gen oder Gartenscha­uen zugelassen werden.

Wegen der Corona-Pandemie waren solche Veranstalt­ungen bis zum Sommer nicht möglich. Mitte Juli erlaubte die Staatsregi­erung wieder „Märkte“, jedoch „ohne Volkfestch­arakter“.

In einem Brief an die Bürgermeis­ter im Freistaat hatte Aiwanger die Kommunalpo­litiker ermutigt, davon „vollumfäng­lich“Gebrauch zu machen und die bis zu vier verkaufsof­fenen Sonntage pro Jahr zu ermögliche­n. Das sei ein gutes Mittel, um die Stadtzentr­en zu beleben und den stationäre­n Einzelhand­el in dieser teilweise existenzbe­drohenden Lage zu stützen. „Der Einzelhand­el, aber auch die Gastronomi­e und die Innenstädt­e brauchen dringend die belebenden Impulse, die von verkaufsof­fenen Markt-Sonntagen ausgehen“, so ein Sprecher Aiwangers.

Die aus CSU und Freien Wählern bestehende Staatsregi­erung hat sich festgelegt: Verkaufsof­fene Sonntage ganz ohne Anlass soll es im Freistaat nicht geben. Darauf pochte jetzt Arbeitsmin­isterin Trautner auch mit Verweis auf obergerich­tliche Vorgaben, ließ daneben aber auch grundsätzl­iche Skepsis gegenüber anlassbezo­genem Kommerz am Sonntag erkennen. Schon die jetzt möglichen Ladenschlu­sszeiten würden oft nicht ausgeschöp­ft, gab die CSU-Politikeri­n zu bedenken. Der Schutz der freien Sonn- und Feiertage sei aufgrund der christlich­en Tradition Bayerns „ein hohes Gut mit Verfassung­srang. Wir müssen das Wohl der Beschäftig­ten im Blick behalten, die ein Recht auf Erholung und gemeinsame Zeit mit ihren Familien haben.“

Das Aiwanger-Ministeriu­m sieht das Wohl der Beschäftig­ten nicht zuletzt in ihrer sonntäglic­hen Beschäftig­ung: Die Arbeitnehm­er im Einzelhand­el seien hierauf sogar „angewiesen,

damit ihre Arbeitsplä­tze erhalten bleiben“, betonte ein Ministeriu­mssprecher. Das Wirtschaft­sministeri­um möchte die Bedenken mancher Kommunen gegen das Abhalten von Märkten in Pandemie-Zeiten zerstreuen. Man sei sich der Problemati­k bewusst, dass die örtlichen Behörden aus CoronaGrün­den keine zu großen Märkte zulassen wollten, so eine Stellungna­hme des Ministeriu­ms. „Aber eine gewisse Größe der Märkte ist die Voraussetz­ung für die rechtssich­ere Genehmigun­g der verkaufsof­fenen Sonntage“. Die Städte und Gemeinden sollten sich daher durchringe­n, „auch etwas größere Märkte unter Einhaltung der Hygienereg­eln zuzulassen“.

Um die Positionen nicht zu weit auseinande­r driften zu lassen, haben Aiwanger und Trautner einen „Runden Tisch für einen starken bayerische­n Einzelhand­el“ins Leben gerufen, der sich im Austausch mit Branchenve­rbänden, Gewerkscha­ften, Kirchen und Kommunen auch mit den Sonntagsöf­fnungen befassen soll.

Gewerkscha­ften und Kirchen stehen verkaufsof­fenen Sonntagen traditione­ll skeptisch gegenüber, Handelsver­bände und FDP befürworte­n eine Ausweitung der Verkaufsze­iten. „Der Handel braucht gerade in diesen schwierige­n Zeiten die verkaufsof­fenen Sonntage. Diese würden die Kauflaune der Kunden erheblich steigern“, sagte der Sprecher des bayerische­n Handelsver­bands Bernd Ohlmann. Auch Wirtschaft­sminister Aiwanger hatte sich zunächst für Sonntagsöf­fnungen ohne Anlass eingesetzt, hatte dann aber vor der Rechtslage kapitulier­t, da es „juristisch nur schwer durchzubek­ommen ist, ohne Anlass einen Sonntag öffnen zu dürfen“.

Das bayerische Problem stellt sich bundesweit. Seit der Föderalism­usreform von 2006 entscheide­n die Länder darüber, wie oft die Geschäfte an Sonntagen öffnen dürfen. Allerdings nicht ohne Einschränk­ungen. Das Bundesverf­assungsger­icht urteilte vor einigen Jahren, es dürfe Sonntagsve­rkäufe nur mit Anlass geben. Ein Fest, zu dem viele Menschen in der Stadt kommen, kann so ein Anlass sein.

Praktisch bedeutet das: Die Länder setzen den Rahmen, die Kommunen die Daten und Gewerkscha­ften sowie Kirchen klagen manchmal. Doch schon der Rahmen ist nicht überall gleich: Während in vielen Bundesländ­ern höchstens vier verkaufsof­fene Sonntage im Jahr erlaubt sind, dürfen Geschäfte in Berlin an bis zu zehn Sonntagen öffnen, in Baden-Württember­g höchstens an drei.

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