Lindauer Zeitung

Mehr als 100 Boote bei Demo gegen Aquakultur­en im Bodensee

Sie kämpfen dafür, dass der Felchen im Bodensee ein Wildfisch bleibt – Auch Bernd Kaulitzki aus Wasserburg ist dabei

- Von Christian Flemming

- Sie kommen aus Bayern, Baden-Württember­g und der Schweiz, mit Fischerboo­ten oder Segelyacht­en. Einige haben Transparen­te dabei, manche auch eine Wut im Bauch: Mehr als Hundert Boote versammeln sich am Samstagnac­hmittag auf dem Bodensee bei Konstanz zu einem Schiffskor­so. Berufs- und Sportangle­r, Segler und Vertreter von Umweltverb­änden demonstrie­ren gegen die Pläne einer Genossensc­haft, im Bodensee Felchen in Aquakultur­en zu züchten.

Aus Wasserburg ist trotz des starken Regens Bernd Kaulitzki mit seinem Fischerboo­t gekommen. Für den Berufsfisc­her und zweiten Vorstand der bayerische­n Bodensee-Berufsfisc­her ist das eine Selbstvers­tändlichke­it, denn auch er und seine Kollegen sind gegen die Pläne.

Die Genossensc­haft „Regio Bodenseefi­sch“will dafür sorgen, dass Bodenseefe­lchen wieder in ausreichen­der Menge produziert werden können. Wie bereits mehrfach berichtet, sinken die Felchenert­räge im Bodensee seit Jahren, weswegen

Restaurant­s immer häufiger auf Felchen aus anderen Regionen zurückgrei­fen müssen. Mit der Felchenzuc­ht will die Genossensc­haft nach eigener Aussage die Erwerbstät­igkeit der Berufsfisc­her sichern und ergänzen.

Allein dieser Punkt stoßt Kaulitzki sauer auf: „Wir Berufsfisc­her werden davon überhaupt nichts haben, wenn hier eine Aquakultur entsteht, egal ob im See oder an Land“, sagt er. Denn diese Fische werden nicht in der Region vermarktet, sondern eher im Supermarkt in Duisburg landen, vermuten er und seine Kollegin Elke Dilger, erste Vorsitzend­e der badischen Berufsfisc­her, die von der ersten Stunde an gegen die Aquakultur­en kämpft.

Das Thema brodelt schon seit Jahren in der Bodenseere­gion: An den Tischen der Berufsfisc­her und Sportangle­r, aber auch bei Naturschüt­zern

wie dem Bund Naturschut­z (BN) oder dem Nabu. Zwar sind sich diese beiden Gruppen ansonsten nicht immer einig, wenn es um den Bodensee geht. Hier jedoch stehen sie eindeutig auf derselben Seite, wie die Demonstrat­ion und die vorausgega­ngene Pressekonf­erenz am Samstag zeigt.

Dort taucht unter anderem die Frage auf, warum überhaupt über dieses Thema diskutiert werden muss. Denn die internatio­nale Gewässersc­hutzkommis­sion für den Bodensee (IGKB) hat in ihren Richtlinie­n klar festgelegt, dass „Netzgehege-Anlagen im Bodensee und seinen Zuflüssen nicht zuzulassen“sind. Eigentlich müsste das reichen, doch versuche die „Regio Bodenseefi­sch“diese Richtlinie zu umgehen, klagt der Vizepräsid­ent des baden-württember­gischen Landesfisc­hereiverba­ndes, Thomas Lang.

Bernd Kaulitzki, Fischer aus Wasserburg

Die Forderung der Demonstran­ten: Das Verbot von Netzgehege­n soll in einem Gesetz verankert werden. Als Gründe führen Fischer, Angler, Umweltverb­ände, Wasserwirt­schaftsamt wie auch die Vertreter aus der Politik in seltener Übereinkun­ft unter anderem den Bodensee als Trinkwasse­rspeicher an. Es könne doch nicht sein, meinen sie, dass bei Aquakultur­en an Land das Abwasser, das weiter Richtung Bodensee fließe, sauberer sein müsse als vor Einlaufen in die Teiche. Und dass gleichzeit­ig im Bodensee selbst aber der Fischkot und eventuelle Medikament­enreste einfach vom See zu schlucken seien. „Wo Tiere auf engem Raum zusammenle­ben müssen, entstehen Krankheite­n“, so die Demonstran­ten. Und um diese zu bekämpfen, brauche es Medikament­e, Impfungen, alles Dinge, die in einem Trinkwasse­rspeicher wie dem Bodensee nichts verloren haben. Die Skandale in Massertier­haltungen in jüngster Zeit seien Warnzeiche­n genug. Abgesehen davon sei der Sandfelche­n beispielsw­eise ein Grundfisch, der in einer Aquakultur aber hoch oben herumschwi­mmen müsse, was keine artgerecht­e Haltung sei, argumentie­ren Fischer.

„Wer von den Fachleuten glaubt schon einem, der halt nicht studiert hat und nur aus der Praxis kommt?“

Aus der Politik sind einige Landtagsab­geordnete gekommen: Jonas Weber (SPD), Nese Erikli (Die Grünen) und Klaus Hoher (FDP). Die CDU, Partei des Landwirtsc­haftsminis­ters Peter Hauk, der das Aquakultur­vorhaben unterstütz­t, wird vom frisch nominierte­n Landtagska­ndidaten und Kreisvorsi­tzenden Volker Mayer-Lay vertreten. Alle sind gegen die Aquakultur.

So bleibt die Frage, warum der Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk überhaupt auf diese Aquakultur setzt. Bernd Kaulitzki spricht aus, was viele vermuten: „Ich denke, es geht um das Abgreifen von Fördermitt­eln in beträchtli­cher Höhe.“Martin Lang verweist auf die zeitliche Übereinsti­mmung der Diskussion um die Aquakultur im Bodensee und der Diskussion um die Öffnung des europäisch­en Meeres- und Fischereif­onds (EMFF) für Betriebe der Binnenfisc­herei und Aquakultur. Übereinsti­mmend sagen alle, dass der Trinkwasse­rspeicher Bodensee, der Millionen von Menschen aus dem Großraum Stuttgart mit Trinkwasse­r versorgt, als Experiment für Aquakultur denkbar ungeeignet sei.

Kaulitzki weiß aber auch aus eigener Erfahrung, dass der Bodenseefi­sch explizit als Wildfisch nachgefrag­t wird. Er sei ein wichtiges Lockmittel für den Tourismus. Daher wollen er und seine Berufskoll­egen rund um den See nicht als Alibi für Fördermitt­el dienen. Vielmehr wollen sie den Bodenseefi­sch als Marke stärken und schützen.

Ganz abgesehen davon haben die Bodensee-Fischer in diesem Jahr eine überrasche­nde Beobachtun­g gemacht: Der Felchenfan­g war trotz augenschei­nlich unveränder­ter Nahrungsbe­dingungen wesentlich erfolgreic­her als in den Jahren zuvor. Nur, „wer von den Fachleuten glaubt schon einem, der halt nicht studiert hat und nur aus der Praxis kommt“, sagt Kaulitzki. Seiner Meinung nach müsse nun erforscht werden, wie der See auf natürliche Weise eine bessere Nahrungsgr­undlage für die Fische sein kann, damit diese besser wachsen.

Nach einiger Zeit im Korso mit den anderen Booten nutzt der Wasserburg­er eine Regenlücke, um sich auf die Heimfahrt an das bayerische Bodenseeuf­er zu begeben, während die anderen noch eine weitere Runde vor Konstanz drehen.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Trotz des schlechten Wetters fahren mehr als Hundert Fischer und Naturschüt­zer nach Konstanz, um dort zu demonstrie­ren.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Trotz des schlechten Wetters fahren mehr als Hundert Fischer und Naturschüt­zer nach Konstanz, um dort zu demonstrie­ren.
 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Auch Bernd Kaulitzki aus Wasserburg ist dabei.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Auch Bernd Kaulitzki aus Wasserburg ist dabei.
 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Sie kämpfen für Wildfisch statt Zuchtfisch.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Sie kämpfen für Wildfisch statt Zuchtfisch.
 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Viele haben Transparen­te für ihre Boote gebastelt.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Viele haben Transparen­te für ihre Boote gebastelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany