Mehr als 100 Boote bei Demo gegen Aquakulturen im Bodensee
Sie kämpfen dafür, dass der Felchen im Bodensee ein Wildfisch bleibt – Auch Bernd Kaulitzki aus Wasserburg ist dabei
- Sie kommen aus Bayern, Baden-Württemberg und der Schweiz, mit Fischerbooten oder Segelyachten. Einige haben Transparente dabei, manche auch eine Wut im Bauch: Mehr als Hundert Boote versammeln sich am Samstagnachmittag auf dem Bodensee bei Konstanz zu einem Schiffskorso. Berufs- und Sportangler, Segler und Vertreter von Umweltverbänden demonstrieren gegen die Pläne einer Genossenschaft, im Bodensee Felchen in Aquakulturen zu züchten.
Aus Wasserburg ist trotz des starken Regens Bernd Kaulitzki mit seinem Fischerboot gekommen. Für den Berufsfischer und zweiten Vorstand der bayerischen Bodensee-Berufsfischer ist das eine Selbstverständlichkeit, denn auch er und seine Kollegen sind gegen die Pläne.
Die Genossenschaft „Regio Bodenseefisch“will dafür sorgen, dass Bodenseefelchen wieder in ausreichender Menge produziert werden können. Wie bereits mehrfach berichtet, sinken die Felchenerträge im Bodensee seit Jahren, weswegen
Restaurants immer häufiger auf Felchen aus anderen Regionen zurückgreifen müssen. Mit der Felchenzucht will die Genossenschaft nach eigener Aussage die Erwerbstätigkeit der Berufsfischer sichern und ergänzen.
Allein dieser Punkt stoßt Kaulitzki sauer auf: „Wir Berufsfischer werden davon überhaupt nichts haben, wenn hier eine Aquakultur entsteht, egal ob im See oder an Land“, sagt er. Denn diese Fische werden nicht in der Region vermarktet, sondern eher im Supermarkt in Duisburg landen, vermuten er und seine Kollegin Elke Dilger, erste Vorsitzende der badischen Berufsfischer, die von der ersten Stunde an gegen die Aquakulturen kämpft.
Das Thema brodelt schon seit Jahren in der Bodenseeregion: An den Tischen der Berufsfischer und Sportangler, aber auch bei Naturschützern
wie dem Bund Naturschutz (BN) oder dem Nabu. Zwar sind sich diese beiden Gruppen ansonsten nicht immer einig, wenn es um den Bodensee geht. Hier jedoch stehen sie eindeutig auf derselben Seite, wie die Demonstration und die vorausgegangene Pressekonferenz am Samstag zeigt.
Dort taucht unter anderem die Frage auf, warum überhaupt über dieses Thema diskutiert werden muss. Denn die internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) hat in ihren Richtlinien klar festgelegt, dass „Netzgehege-Anlagen im Bodensee und seinen Zuflüssen nicht zuzulassen“sind. Eigentlich müsste das reichen, doch versuche die „Regio Bodenseefisch“diese Richtlinie zu umgehen, klagt der Vizepräsident des baden-württembergischen Landesfischereiverbandes, Thomas Lang.
Bernd Kaulitzki, Fischer aus Wasserburg
Die Forderung der Demonstranten: Das Verbot von Netzgehegen soll in einem Gesetz verankert werden. Als Gründe führen Fischer, Angler, Umweltverbände, Wasserwirtschaftsamt wie auch die Vertreter aus der Politik in seltener Übereinkunft unter anderem den Bodensee als Trinkwasserspeicher an. Es könne doch nicht sein, meinen sie, dass bei Aquakulturen an Land das Abwasser, das weiter Richtung Bodensee fließe, sauberer sein müsse als vor Einlaufen in die Teiche. Und dass gleichzeitig im Bodensee selbst aber der Fischkot und eventuelle Medikamentenreste einfach vom See zu schlucken seien. „Wo Tiere auf engem Raum zusammenleben müssen, entstehen Krankheiten“, so die Demonstranten. Und um diese zu bekämpfen, brauche es Medikamente, Impfungen, alles Dinge, die in einem Trinkwasserspeicher wie dem Bodensee nichts verloren haben. Die Skandale in Massertierhaltungen in jüngster Zeit seien Warnzeichen genug. Abgesehen davon sei der Sandfelchen beispielsweise ein Grundfisch, der in einer Aquakultur aber hoch oben herumschwimmen müsse, was keine artgerechte Haltung sei, argumentieren Fischer.
„Wer von den Fachleuten glaubt schon einem, der halt nicht studiert hat und nur aus der Praxis kommt?“
Aus der Politik sind einige Landtagsabgeordnete gekommen: Jonas Weber (SPD), Nese Erikli (Die Grünen) und Klaus Hoher (FDP). Die CDU, Partei des Landwirtschaftsministers Peter Hauk, der das Aquakulturvorhaben unterstützt, wird vom frisch nominierten Landtagskandidaten und Kreisvorsitzenden Volker Mayer-Lay vertreten. Alle sind gegen die Aquakultur.
So bleibt die Frage, warum der Landwirtschaftsminister Peter Hauk überhaupt auf diese Aquakultur setzt. Bernd Kaulitzki spricht aus, was viele vermuten: „Ich denke, es geht um das Abgreifen von Fördermitteln in beträchtlicher Höhe.“Martin Lang verweist auf die zeitliche Übereinstimmung der Diskussion um die Aquakultur im Bodensee und der Diskussion um die Öffnung des europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF) für Betriebe der Binnenfischerei und Aquakultur. Übereinstimmend sagen alle, dass der Trinkwasserspeicher Bodensee, der Millionen von Menschen aus dem Großraum Stuttgart mit Trinkwasser versorgt, als Experiment für Aquakultur denkbar ungeeignet sei.
Kaulitzki weiß aber auch aus eigener Erfahrung, dass der Bodenseefisch explizit als Wildfisch nachgefragt wird. Er sei ein wichtiges Lockmittel für den Tourismus. Daher wollen er und seine Berufskollegen rund um den See nicht als Alibi für Fördermittel dienen. Vielmehr wollen sie den Bodenseefisch als Marke stärken und schützen.
Ganz abgesehen davon haben die Bodensee-Fischer in diesem Jahr eine überraschende Beobachtung gemacht: Der Felchenfang war trotz augenscheinlich unveränderter Nahrungsbedingungen wesentlich erfolgreicher als in den Jahren zuvor. Nur, „wer von den Fachleuten glaubt schon einem, der halt nicht studiert hat und nur aus der Praxis kommt“, sagt Kaulitzki. Seiner Meinung nach müsse nun erforscht werden, wie der See auf natürliche Weise eine bessere Nahrungsgrundlage für die Fische sein kann, damit diese besser wachsen.
Nach einiger Zeit im Korso mit den anderen Booten nutzt der Wasserburger eine Regenlücke, um sich auf die Heimfahrt an das bayerische Bodenseeufer zu begeben, während die anderen noch eine weitere Runde vor Konstanz drehen.