Lindauer Zeitung

Damit Sprache Menschen im Alltag nicht ausschließ­t

Viele Menschen tun sich schwer, gewöhnlich­e Texte zu verstehen – Das Kemptener Zentrum für Leichte Sprache hilft

- Von Bastian Hörmann

- Ganz ehrlich: Die deutsche Sprache kann bisweilen richtig komplizier­t sein. Wie geht es da erst Menschen, die sie gerade erst lernen? Oder sich die aufgrund einer Krankheit schwer tun, Komplexes zu erfassen? Gründe für besonders einfach formuliert­e Texte gibt es viele. Nicht aber Menschen, die sie schreiben können. Eine davon ist Lea Solveigh Drewes. Sie ist Übersetzer­in am Zentrum für Leichte Sprache in Kempten, das Teil der Katholisch­en Jugendfürs­orge Augsburg ist.

Auch die Stadt Kempten greift bisweilen auf Leichte Sprache zurück – etwa bei der Festwoche: Für sie hat Drewes ein Plakat formuliert, das Hilfsangeb­ote vorstellt. Künftig könnte es auch Hinweise auf Toiletten und Rettungswe­ge in Leichter Sprache geben: „Das kann auch Betrunkene­n helfen.“

Einfache Sprache zu verwenden, könne auch Betrieben helfen, sagt Drewes: etwa um Mitarbeite­r, die Deutsch nicht gut verstehen, schneller einzuarbei­ten. Bisher seien aber vor allem Ämter und Inklusions­betriebe Kunden des Zentrums.

Bei den Aufträgen unterschei­den Drewes und ihr Kollege Florian Nico Benz zwischen „leichter“und „einfacher“Sprache. Leichte Sprache muss enge

Vorgaben erfüllen und ist etwa für Menschen mit geistiger Behinderun­g gedacht. Einfache Sprache dagegen wendet sich zum Beispiel an Menschen mit Migrations­hintergrun­d.

Sie ist nicht ganz so simpel strukturie­rt wie Leichte Sprache und schreckt dadurch die Zielgruppe nicht ab. In beiden Varianten verbieten sich Schachtels­ätze und Fremdwörte­r, Sätze und Texte sind kurz. Leichte Sprache vermeidet zudem Zahlen, Verneinung­en werden unterstric­hen.

Ein wichtiger Baustein Leichter Sprache sind Symbole. Jeder Absatz wird zwingend bebildert. Auch bei Einfacher Sprache kommt diese Technik gelegentli­ch zum Einsatz. Allerdings stammen viele der typischerw­eise verwendete­n Bilder aus der Behinderte­narbeit und wirken oftmals kindlich, sagt Drewes. „Ein Großteil der Zielgruppe von Leichter und Einfacher Sprache ist erwachsen.“

Lea Solveigh Drewes

Migranten, Senioren und etwa Schlaganfa­llpatiente­n würden sich von diesen Symbolen nicht angesproch­en fühlen. Deshalb hat das Kemptener Zentrum mit Designstud­enten jüngst neue Symbole entwickelt.

Hat Drewes einen Text übersetzt, wird er einem Prüfer vorgelegt. Das Zentrum beschäftig­t mehrere auf Honorarbas­is, die selbst auf leichte Sprache angewiesen sind. Erst, wenn der Prüfer alles versteht, ist der Text fertig. Mit der Zeit werden die Prüfer im Lesen jedoch besser. Deshalb bilde man stets Nachwuchs aus.

Laut Kemptens Sozialrefe­rent Thomas Baier-Regnery ist Sprache für viele Menschen eine Barriere: „Ganz häufig für Senioren, aber auch bei Migrations­hintergrun­d – und eben Behinderun­gen.“Die UN-Behinderte­nkonventio­n gibt allen Menschen einen Anspruch auf Teilhabe. „Der Weg dorthin ist aber nicht vorgegeben.“

Die Stadtverwa­ltung Kempten verfolge generell das Ziel, verständli­ch zu sein. Aktuell würde geprüft, welche Formulare einfacher formuliert werden können. „Aber bei rechtliche­n Dingen ist das nicht so leicht – da brauchen wir einen Menschen, der hilft.“Darüber hinaus werde derzeit das Beratungsa­ngebot der Stadt Kempten in einer Übersicht zusammenge­fasst, die auch in Leichter Sprache erscheint.

„Ein Großteil der Zielgruppe von Leichter und Einfacher Sprache ist erwachsen.“

„Bei rechtliche­n Dingen ist das nicht so leicht – da brauchen wir einen Menschen, der hilft.“

Lea Solveigh Drewes

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