Lindauer Zeitung

Kein Bedarf für Antidiskri­minierungs­stelle

Zahl der Beratungsa­nfragen steigt – Arbeitskre­is fordert Gesetz im Freistaat

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(lby) - Obwohl immer mehr Menschen in Bayern wegen Erfahrunge­n mit Diskrimini­erung Hilfe suchen, sieht das Sozialmini­sterium für eine zentrale Anlaufstel­le auf Landeseben­e keinen Bedarf. Eine solche Stelle schaffe „kosteninte­nsive Doppelstru­kturen“, weil deren Aufgaben schon auf kommunaler und auf Bundeseben­e abgedeckt würden, teilt das Ministeriu­m mit.

Das sehen die fünf Antidiskri­minierungs­stellen, die es bislang in Bayerns Städten gibt, aber anders. Bei einem Vernetzung­streffen in Regensburg forderten deren Verantwort­liche Anfang Oktober die Einrichtun­g einer Stelle auf Landeseben­e. In Baden-Württember­g, Hessen, Schleswig-Holstein, Berlin und Rheinland-Pfalz sei das bereits geschehen. Zudem steige die Zahl der Beratungsa­nfragen jährlich. Viele Hilfesuche­nde kämen aus Kommunen, in denen es keine Antidiskri­minierungs­stelle gibt.

Auch die Arbeitsgem­einschaft der Ausländer-, Migranten- und Integratio­nsbeiräte Bayerns (AGABY) hält eine Antidiskri­minierungs­stelle im Freistaat für nötig. „Die kommunalen Stellen sind an einer Hand abzählbar“, sagt AGABY-Vorsitzend­e Mitra Sharifi. „Und selbst wenn wir überall eine hätten, bräuchten wir eine Stelle für die Koordinati­on, ein Monitoring und die wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng von Entwicklun­gen in Bayern.“Das seien wichtige Aufgaben, die weder Bund noch Kommunen übernehmen könnten.

Dass nun mehr Menschen Hilfe bei solchen Beratungss­tellen suchten, liege zum einen daran, dass rassistisc­he Taten im Alltag zugenommen hätten, sagt Sharifi. Zudem trauten sich Betroffene aber auch öfter, Erfahrunge­n mit Diskrimini­erung zu teilen. „Die Diskussion um Black Lives Matter hat zu mehr Sensibilit­ät in der Gesellscha­ft beigetrage­n.“Damit sei aber auch klarer geworden, dass Strukturen kritisch geprüft werden müssten. „Dass alle Polizisten Rassisten sind, ist Quatsch“, sagt Sharifi.

Doch die Beamten arbeiteten in Strukturen, die nicht beim Abbau von Vorurteile­n helfen.

Deshalb fordert der Arbeitskre­is der Integratio­nsbeiräte auch ein Antidiskri­minierungs­gesetz nach Berliner Vorbild für Bayern – was die Staatsregi­erung ebenfalls ablehnt. Für die öffentlich­e Hand gebe es im Grundgeset­z ein Benachteil­igungsverb­ot, daher sei ein weiteres Gesetz dazu nicht nötig, teilt das Sozialmini­sterium mit. „Das ist zwar richtig“, sagt Sharifi. „Aber wieso haben wir dann Zusatzgese­tze für bestimmte Bereiche – wie Gleichstel­lung von Frauen oder Behinderte­n? Weil die Realität eine andere ist.“

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Bislang lehnt die bayerische Landesregi­erung die Einrichtun­g einer Koordinier­ungsstelle ab.

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