„Die Anspannung ist immens“
Heimatlose Zeit geht dem Volleyball-Bundesligisten VfB Friedrichshafen an die Substanz
- Sie reißen Kilometer um Kilometer ab, sind ständig auf Achse, führen täglich wichtige Gespräche und investieren enorm viele Arbeitsstunden. Der momentane Aufwand, den Verantwortliche und Spieler des Volleyball-Bundesligisten VfB Friedrichshafen betreiben, ist hoch. Alles dient dazu, der schwierigen Lage Herr zu werden und die heimatlose Zeit so gut wie möglich zu überbrücken. Die Häfler Volleyballer stehen nach Schließung der baufälligen ZF-Arena nun seit über zwei Wochen ohne verlässliche Trainings- und Spielmöglichkeit da. Und am Samstag um 18 Uhr startet der deutsche Rekordmeister mit dem Spiel bei den Netzhoppers Königs Wusterhausen in die neue Bundesligasaison.
„Die Anspannung ist immens. Das merkt man an allen Ecken und Enden“, gesteht VfB-Pressesprecher Matthias Liebhardt. Ihn und das gesamte Team des Clubs beschäftigt die Heimatfrage und die Tatsache, dass der Prozess stockt. Zukunftssicherheit wäre ganz schön, die Friedrichshafener wollen in einer Messehalle unterkommen. Sie benötigen aber auch die Zustimmung der Stadt und der Messe, damit sich das realisieren lässt. Die Gespräche laufen nach wie vor, gerade VfB-Geschäftsführer Thilo Späth-Westerholt befindet sich in ständigem Austausch mit den Entscheidungsträgern. Neues kann aber auch der VfB nicht verkünden. „Wir wissen immer ein Millimeter mehr“, so Liebhardt.
Zugegeben: Mit innerer Unruhe oder Nervosität sind die Häfler in dieser unangenehmen Zeit nicht aufgefallen. Das haben sie bislang ganz gut kaschiert – und das darf als Kompliment angesehen werden. Schwache Momente sind in der aktuellen Situation nämlich das Letzte, das die Friedrichshafener gebrauchen können. Es würde nur Kraft und Energie rauben, die für Organisatorisches dringend benötigt wird. Die Leistungen in der Halle sollen darunter möglichst wenig leiden. An der Ambition, in dieser Saison um Titel mitzuspielen, hat sich demnach nichts verändert. „Das müssen wir schon trennen. Wir müssen eine Heimspielstätte finden, aber auch der Mannschaft gerecht werden“, sagt Liebhardt und betont auch die Wichtigkeit eines guten Beginns: „Im Falle eines Abbruchs zählt der Ist-Zustand.
Das bedeutet, du kannst nicht langsam reinstarten.“Trotz der Umstände ein vernünftiges Niveau zu erreichen, erfordert viel Einsatz. „Es ist ein Riesenmehraufwand für alle“, betont VfB-Trainer Michael Warm.
Wie es zurzeit aussieht, scheint der VfB aber tatsächlich in einer ordentlichen Verfassung zu sein. Zumindest lässt der 3:1-Testspielsieg gegen die WWK Volleys Herrsching in München darauf schließen. Gegen den Ligakonkurrenten gewann das Warm-Team mit 3:1. „Das Spiel hat uns vorangebracht, es wird stabiler. Angriff und Block haben wir gut gelöst“, lobt der VfB-Coach. So ganz genau, wo die Mannschaft steht, wisse er nach der „eigenartigen Vorbereitung“jedoch nicht. Jedenfalls gebe es genügend Verbesserungspotenzial: vor allem im Aufschlag können seine Spieler noch zulegen. Für die Optimierung fehle es aber sowohl an Trainingszeit als auch an geeigneten Bedingungen. In der Friedrichshafener Bodenseehalle, Brunnisachhalle Kluftern und auch in den Hallen in Ailingen und Ettenkirch kann ein Bundesligateam wichtige Schwerpunkte kaum effektiv üben. Auch die intensive Betreuung vielversprechender Volleyballer wie Ben-Simon Bonin, Linus Weber, Lukas Maase, Rares Balean und Joe Worsley falle aktuell herunter.
Ein Grund für Warm, Alarm zu schlagen. „Der VfB war in der Geschichte immer dafür bekannt, Toptalente zu Topspielern zu formen. Dafür braucht es Trainingsmöglichkeiten – hier ist der Bundesstützpunkt. Jeder auf der Welt kennt Friedrichshafen in Verbindung mit dem VfB und dem Volleyball, die Spieler entscheiden sich aber nicht wegen der Wellen am Bodensee hierherzukommen. Um die Infrastruktur ist der Verein beneidet worden. Ich sehe es als Verpflichtung, den Ruf für die Stadt fortzusetzen und auszubauen.“Das sei auch im Interesse der Politiker, versichert Monika Blank, Leiterin Kommunikation und Medien der Stadt Friedrichshafen und Zeppelin-Stiftung. „Stadt und Gemeinderat wissen um die Bedeutung des Volleyballs für die Stadt und sind sich ihrer Verantwortung bewusst: Der Verein und die Volleyball GmbH sind in diese Situation ebenso unverschuldet und überraschend gekommen wie die Stadt als Betreiberin der Halle und die anderen Nutzer. Niemand
hat sich diese Situation gewünscht“, antwortet sie auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Den Vorwurf der langsamen Lösungssuche, den der Friedrichshafener Volleyball-Fanclub Häfler Monsterblock zuletzt geäußert hat, weist die Pressesprecherin der Stadt unterdessen zurück. „In den städtischen Hallen gibt es nicht unbegrenzte Kapazitäten, sodass der Ausfall einer kompletten Halle immer zu Engpässen führt. Wir sind mit allen Nutzern im Gespräch, um möglichst schnelle Alternativen zu finden, das geht keineswegs schleppend voran. Dass eine Lösung für den Profisport nicht unmittelbar und auf die Schnelle präsentiert werden kann, liegt auch an den Anforderungen des Profisports, die berücksichtigt werden müssen. Dass aufgrund der anstehenden Champions-League-Spiele Zeitdruck besteht, ist allen bewusst.“Noch könne dem Wunsch des Bundesligisten, in einer Messehalle trainieren und spielen zu können, also nicht stattgegeben werden. „Es geht zunächst einmal um organisatorische und technische Fragen, die der VfB Friedrichshafen Volleyball zu klären hat“, so Blank.