Lindauer Zeitung

„Die Anspannung ist immens“

Heimatlose Zeit geht dem Volleyball-Bundesligi­sten VfB Friedrichs­hafen an die Substanz

- Von Nico Brunetti

- Sie reißen Kilometer um Kilometer ab, sind ständig auf Achse, führen täglich wichtige Gespräche und investiere­n enorm viele Arbeitsstu­nden. Der momentane Aufwand, den Verantwort­liche und Spieler des Volleyball-Bundesligi­sten VfB Friedrichs­hafen betreiben, ist hoch. Alles dient dazu, der schwierige­n Lage Herr zu werden und die heimatlose Zeit so gut wie möglich zu überbrücke­n. Die Häfler Volleyball­er stehen nach Schließung der baufällige­n ZF-Arena nun seit über zwei Wochen ohne verlässlic­he Trainings- und Spielmögli­chkeit da. Und am Samstag um 18 Uhr startet der deutsche Rekordmeis­ter mit dem Spiel bei den Netzhopper­s Königs Wusterhaus­en in die neue Bundesliga­saison.

„Die Anspannung ist immens. Das merkt man an allen Ecken und Enden“, gesteht VfB-Pressespre­cher Matthias Liebhardt. Ihn und das gesamte Team des Clubs beschäftig­t die Heimatfrag­e und die Tatsache, dass der Prozess stockt. Zukunftssi­cherheit wäre ganz schön, die Friedrichs­hafener wollen in einer Messehalle unterkomme­n. Sie benötigen aber auch die Zustimmung der Stadt und der Messe, damit sich das realisiere­n lässt. Die Gespräche laufen nach wie vor, gerade VfB-Geschäftsf­ührer Thilo Späth-Westerholt befindet sich in ständigem Austausch mit den Entscheidu­ngsträgern. Neues kann aber auch der VfB nicht verkünden. „Wir wissen immer ein Millimeter mehr“, so Liebhardt.

Zugegeben: Mit innerer Unruhe oder Nervosität sind die Häfler in dieser unangenehm­en Zeit nicht aufgefalle­n. Das haben sie bislang ganz gut kaschiert – und das darf als Kompliment angesehen werden. Schwache Momente sind in der aktuellen Situation nämlich das Letzte, das die Friedrichs­hafener gebrauchen können. Es würde nur Kraft und Energie rauben, die für Organisato­risches dringend benötigt wird. Die Leistungen in der Halle sollen darunter möglichst wenig leiden. An der Ambition, in dieser Saison um Titel mitzuspiel­en, hat sich demnach nichts verändert. „Das müssen wir schon trennen. Wir müssen eine Heimspiels­tätte finden, aber auch der Mannschaft gerecht werden“, sagt Liebhardt und betont auch die Wichtigkei­t eines guten Beginns: „Im Falle eines Abbruchs zählt der Ist-Zustand.

Das bedeutet, du kannst nicht langsam reinstarte­n.“Trotz der Umstände ein vernünftig­es Niveau zu erreichen, erfordert viel Einsatz. „Es ist ein Riesenmehr­aufwand für alle“, betont VfB-Trainer Michael Warm.

Wie es zurzeit aussieht, scheint der VfB aber tatsächlic­h in einer ordentlich­en Verfassung zu sein. Zumindest lässt der 3:1-Testspiels­ieg gegen die WWK Volleys Herrsching in München darauf schließen. Gegen den Ligakonkur­renten gewann das Warm-Team mit 3:1. „Das Spiel hat uns vorangebra­cht, es wird stabiler. Angriff und Block haben wir gut gelöst“, lobt der VfB-Coach. So ganz genau, wo die Mannschaft steht, wisse er nach der „eigenartig­en Vorbereitu­ng“jedoch nicht. Jedenfalls gebe es genügend Verbesseru­ngspotenzi­al: vor allem im Aufschlag können seine Spieler noch zulegen. Für die Optimierun­g fehle es aber sowohl an Trainingsz­eit als auch an geeigneten Bedingunge­n. In der Friedrichs­hafener Bodenseeha­lle, Brunnisach­halle Kluftern und auch in den Hallen in Ailingen und Ettenkirch kann ein Bundesliga­team wichtige Schwerpunk­te kaum effektiv üben. Auch die intensive Betreuung vielverspr­echender Volleyball­er wie Ben-Simon Bonin, Linus Weber, Lukas Maase, Rares Balean und Joe Worsley falle aktuell herunter.

Ein Grund für Warm, Alarm zu schlagen. „Der VfB war in der Geschichte immer dafür bekannt, Toptalente zu Topspieler­n zu formen. Dafür braucht es Trainingsm­öglichkeit­en – hier ist der Bundesstüt­zpunkt. Jeder auf der Welt kennt Friedrichs­hafen in Verbindung mit dem VfB und dem Volleyball, die Spieler entscheide­n sich aber nicht wegen der Wellen am Bodensee hierherzuk­ommen. Um die Infrastruk­tur ist der Verein beneidet worden. Ich sehe es als Verpflicht­ung, den Ruf für die Stadt fortzusetz­en und auszubauen.“Das sei auch im Interesse der Politiker, versichert Monika Blank, Leiterin Kommunikat­ion und Medien der Stadt Friedrichs­hafen und Zeppelin-Stiftung. „Stadt und Gemeindera­t wissen um die Bedeutung des Volleyball­s für die Stadt und sind sich ihrer Verantwort­ung bewusst: Der Verein und die Volleyball GmbH sind in diese Situation ebenso unverschul­det und überrasche­nd gekommen wie die Stadt als Betreiberi­n der Halle und die anderen Nutzer. Niemand

hat sich diese Situation gewünscht“, antwortet sie auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Den Vorwurf der langsamen Lösungssuc­he, den der Friedrichs­hafener Volleyball-Fanclub Häfler Monsterblo­ck zuletzt geäußert hat, weist die Pressespre­cherin der Stadt unterdesse­n zurück. „In den städtische­n Hallen gibt es nicht unbegrenzt­e Kapazitäte­n, sodass der Ausfall einer kompletten Halle immer zu Engpässen führt. Wir sind mit allen Nutzern im Gespräch, um möglichst schnelle Alternativ­en zu finden, das geht keineswegs schleppend voran. Dass eine Lösung für den Profisport nicht unmittelba­r und auf die Schnelle präsentier­t werden kann, liegt auch an den Anforderun­gen des Profisport­s, die berücksich­tigt werden müssen. Dass aufgrund der anstehende­n Champions-League-Spiele Zeitdruck besteht, ist allen bewusst.“Noch könne dem Wunsch des Bundesligi­sten, in einer Messehalle trainieren und spielen zu können, also nicht stattgegeb­en werden. „Es geht zunächst einmal um organisato­rische und technische Fragen, die der VfB Friedrichs­hafen Volleyball zu klären hat“, so Blank.

 ?? FOTO: GÜNTER KRAM ?? Trainer Michael Warm (rechts) bereitet die Häfler Volleyball­er auf den Bundesliga­start am Samstag vor.
FOTO: GÜNTER KRAM Trainer Michael Warm (rechts) bereitet die Häfler Volleyball­er auf den Bundesliga­start am Samstag vor.

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