Lindau ist auf dem Weg zum Corona-Risikogebiet
Der Landkreis bewegt sich seit Tagen kurz vor der Marke von 35 Infizierten auf 100 000 Einwohner
- Wenn die Infektionszahlen weiter so steigen, dann wird es im Landkreis Lindau bald erweiterte Maskenpflicht, Sperrstunden und andere Verschärfungen geben. Denn Lindau ist auf dem Weg zum Risikogebiet.
Entscheidend ist eine rechnerische Zahl: Wie viele Infizierte gibt es in einem Landkreis, berechnet auf 100 000 Einwohner? Da liegt Lindau seit einigen Tagen bei Werten um 30. Diese Werte verändern sich in dem kleinen Landkreis von Tag zu Tag deutlicher als woanders. So lag der Wert am Dienstag bei 32, um danach wieder auf knapp unter 30 zu fallen. Insgesamt liegt Lindau mit 29,3 über den Werten der Nachbarn auf deutscher Seite: Der Bodenseekreis meldet am Donnerstag 19,4, Ravensburg 13,3 und das Oberallgäu 22,4. Lindau liegt aber deutlich unter den Werten aus Vorarlberg, das am Donnerstag bei 100 lag, während der Bezirk Bregenz mit 113 die negative Spitze des Bundeslandes bildete.
Das Landratsamt bestätigt auf Anfrage der LZ, dass es sich auf entsprechende Maßnahmen vorbereitet, zumal die bayerische Staatsregierung den entsprechenden Katalog am Donnerstag verschärft hat. Demnach kann das Landratsamt nicht mehr abwägen, sondern muss beim Überschreiten des Wertes von 35 eine Maskenpflicht auch auf öffentlichen Plätzen sowie bei Konzerten und Theatervorstellungen anordnen. Hinzu kommen Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen, Sperrstunde für Gaststätten um 23 Uhr und ein Verkaufsverbot für Alkohol an Tankstellen.
Hinzu kommen Kontaktbeschränkungen, denn ab der Grenze von 35 Infizierten innerhalb einer Woche auf 100 000 Einwohner gerechnet dürfen sich nur noch Menschen aus zwei Hausständen treffen oder höchstens zehn Menschen. Da Ministerpräsident Markus Söder dies zwingend macht, bleibt dem Lindauer Gesundheitsamt da kein Spielraum.
Unklar ist vorerst, ob solche Maßnahmen dann wirklich zwingend für den ganzen Landkreis gelten oder sie örtlich beschränkt werden. So lassen die vom Landratsamt Ende September auf Anfrage der LZ veröffentlichten Zahlen erkennen, dass es derzeit Infizierte vor allem in den Städten Lindau und Lindenberg gibt. Manche Gemeinde im Westallgäu hatte seit dem Wiederaufflammen von Corona im Sommer noch keinen Fall. „Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein, und darum hängen diese von dem jeweiligen Infektionsgeschehen ab“, antwortet Sibylle Ehreiser, Pressesprecherin im Landratsamt deshalb auf Anfrage der LZ. So gelten andere Regeln, wenn es Corona-Ausbrüche in einer Unterkunft geben sollte, wie das in anderen Landkreisen bereits der Fall war.
Landrat Elmar Stegmann schließt sich den Warnungen von Kanzlerin Merkel und Ministerpräsident Söder an: „Die momentane Entwicklung bereitet uns große Sorge.“Er ruft jede und jeden auf,
„gut auf sich und seine Mitmenschen zu achten“. Jeder solle deshalb genau prüfen, ob private Treffen oder öffentliche Veranstaltungen wirklich nötig sind.
„Wir müssen alle versuchen, Ansteckungsmöglichkeiten zu reduzieren und Infektionsketten möglichst schnell zu durchbrechen.“Stegmann verweist auf Advent und Weihnachten, das die Menschen im Landkreis im Zeichen einer grassierenden Pandemie mit hohen Infektionszahlen sicher nicht so wie üblich feiern könnten. So haben IHK und Stadt Lindau das eigentlich für diesen Freitag geplante Pressegespräch zur Ankündigung der Lindauer Weihnachtsinsel kurzfristig abgesagt.
Grundsätzlich freut sich der Landrat darüber, dass die Mehrheit der Bürger Verständnis zeige für die
Maßnahmen zum Schutz. Leider gebe es aber auch wenige, die Mitarbeiter des Landratsamts beschimpfen oder Quarantänemaßnahmen verweigern und gegen Auflagen verstoßen. Stegmann widerspricht aber der Ansicht, dass viele Bürger unzufrieden sind mit den Auflagen: „Ich habe nicht den Eindruck, dass viele Bürgerinnen und Bürger mit den Maßnahmen unzufrieden sind – im Gegenteil. Die Gesundheit steht bei allen Entscheidungen immer an erster Stelle, dies müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen.“Er wirbt zudem um Verständnis, dass sich manche Regeln schnell ändern oder einige Tage in der Diskussion sind. Die Entwicklungen seien rasant, das gelte auch für Erkenntnisse über das immer noch neuartige Virus.
Eindeutige Hotspots gibt es im Landkreis Lindau laut Ehreiser nicht: „Es gibt derzeit viele unterschiedliche Infektionsherde.“Dazu gehören seit Mittwoch auch wieder Schulen. Zwei Infizierte seien jetzt in Schulen bekannt. Welche Schulen betroffen sind und welche Folgen das für diese Schulen hat, hat Ehreiser am Donnerstag bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.
Laut der Pressesprecherin gelte die ganze Konzentration des Landratsamts der Kontaktverfolgung, um die Menschen in Quarantäne zu bringen, die nahen Kontakt zu einem Infizierten hatten. Das gelte als wichtigste Maßnahme, um die weitere Ausbreitung von Corona einzudämmen. Doch wie aufwendig das ist, zeigt das Beispiel der Seaside-Bar. Zwar habe dort noch kein Gast einen positiven Corona-Befund. Doch die Recherchen der Behörde hinsichtlich der Gäste, die dort waren, als sich dort auch ein Corona-Infizierter aufgehalten hat, sind noch nicht abgeschlossen. Die Frage, wie viele Kontakte sich nicht verfolgen ließen, will Ehreiser nicht beantworten.
Insgesamt meldet das Landratsamt Lindau am Donnerstag 277 Menschen aus dem Landkreis, über die eine Quarantäne verhängt ist, darunter 75 im Zusammenhang mit der Seaside-Bar.
Klar ist auch, dass auch im Landkreis Lindau wieder die Zahl der Menschen steigt, die nach einer Infektion ernsthaft erkranken. So mussten am Donnerstag drei Menschen im Lindenberger Krankenhaus behandelt werden. Ob diese auf der Intensivstation liegen, darüber gab Ehreiser unter Verweis auf den Datenschutz keine Auskunft.
„Die Asklepios Klinik Lindau versorgt derzeit keinen Covid-19-Patienten“,
berichtet Pressesprecher Christopher Horn auf Anfrage der LZ. Allerdings bereite sich auch das Lindauer Krankenhaus darauf vor, wieder entsprechende Patienten versorgen zu müssen. „Wie im Frühjahr sind entsprechende Bereiche weiterhin zur Behandlung von Covid-19-Patienten und für Verdachtsfälle eingerichtet“, sagt Horn, diese Bereiche könnte die Klinik bei Bedarf auch erweitern.
Corona-Schutzmaßnahmen gelten seit dem Frühjahr: So tragen alle Beschäftigten durchgehend einen Mund-Nasen-Schutz, und alle Patienten werden auf Covid-19 getestet. Die Mitarbeiter in allen Bereichen bekämen derzeit Schulungen zur Auffrischung der Abläufe. Besuche im Krankenhaus sind weiterhin nur eingeschränkt und unter Einhaltung des Hygienekonzeptes möglich.
Horn betont zugleich, dass die Klinik auch alle anderen Patienten versorgt. So finden alle geplanten Operationen und andere Behandlungen statt. „Auch in Zeiten von Covid-19 sollten die Untersuchungen und Behandlungen für andere Erkrankungen nicht aufgeschoben werden“, sagt Horn: „Es ist wichtig, dass wir uns auch weiter um die Patienten kümmern, die eine Krankenhausbehandlung benötigen, die zwar nicht lebensnotwendig ist, aber trotzdem das Leid und die Beschwerden des Betroffenen deutlich reduziert.“