Lindauer Zeitung

Harter Panzer, delikater Kern

Flußkrebse gibt’s auch hierzuland­e – Von den Schweden kann man lernen, wie sie richtig geknackt werden

- Von Claudia Wittke-Gaida

(dpa) - Sie stehen auf den Speisenkar­ten der teuersten Restaurant­s, vor allem in Küstenregi­onen. Doch um an ihr kostbares Fleisch zu kommen, muss man sie erst mal knacken: Denn Flusskrebs­e verstecken ihre Delikatess­en unter harten Schalen und in gepanzerte­n Scheren. Das schreckt viele ab. Sie fürchten, sich beim Zerlegen der krustigen Biester zu blamieren.

„Keine Angst, das ist einfacher als man denkt“, beruhigt Catherine Rydström von der Tourismuso­rganisatio­n Destinatio­n Småland. Die Schwedin muss es wissen. In ihrem Land gibt es ein extra Festessen – das Kräftskiva. Das jährliche Krebsfest wird genauso gefeiert wie Midsommar oder Weihnachte­n. Und so lernen in Schweden schon kleine Kinder, wie geknackt, gesaugt, gestochert und geschlürft wird.

Wer Glück hat und in Schweden einen See besitzt oder einen Besitzer kennt, kann sogar dabei sein, wenn die Minihummer „geerntet“werden. Denn nur der Eigentümer des Gewässers verfügt über die Fischereil­izenz, um spezielle Korbfallen auszulegen und einzusamme­ln. „Wenn die Krebse kleiner als zehn Zentimeter sind, kommen sie allerdings wieder ins Wasser“, sagt Gustav Forslund, der auf Gut Asa Herrgård, 45 Autominute­n von Växjö entfernt, arbeitet. Fangfrisch werden die Flusskrebs­e allerdings nicht gegessen.

Wenn Gustav seinen Fang in der Restaurant­küche abliefert, landen die kleinen Krustentie­re im Kochtopf von Pontus Sjöholm und werden 24 Stunden mariniert. Der Chefkoch bereitet für etwa 120 Krebse einen Sud aus 10 Litern stark kochendem Wasser, 480 g grobem Meersalz, zehn Würfel Zucker, eine Flasche Bier und vier Bund Kronendill zu. Und noch mehr frischer Dill kommt obendrauf.

In dem brodelnden Sud wechseln die Krustentie­re ihre Farbe – von Schwarz-Grün-Bräunlich zu feurigem Orangerot. „Nach zehn Minuten Kochzeit kommt der Topf zum Abkühlen in ein kaltes Wasserbad. Darin ziehen die Krebse über Nacht und nehmen einen kräftigen Dillgeschm­ack an“, erklärt Pontus.

Ist jetzt der Moment gekommen, über die Krustentie­re herzufalle­n? „Auf keinen Fall, man muss sich doch erst satt essen“, bremst Carl Undéhn. Für die Flusskrebs­party brauche man eine Basis. „Man darf nicht hungrig sein, denn an den Krebsen ist nicht viel dran“, erklärt der schwedisch­e Journalist. Bei einer Kräftskiva gäbe es vorweg erst mal ein Buffet mit Kartoffels­alat, Käse und reichlich Pies.

Und es darf auf keinen Fall eine traditione­lle Käse-Quiche fehlen. „Dazu verwenden wir Västerbott­enost. Das ist ein würziger Käse, ähnlich wie Parmesan“, weiß Carl. Der Hartkäse werde gerieben und dann unter eine Masse aus zwei bis drei Eiern, einem halben Teelöffel Salz, etwas weißem Pfeffer, einem Liter Sahne und zwei Litern Milch gezogen. „Das Ganze kommt auf einen normalen Quiche-Teig und wird etwa eine halbe Stunde bei 200 Grad gebacken“, verrät Carl sein Rezept.

Mit dieser Grundlage im Bauch heißt es ran an die Krebse! Carl startet immer mit dem Schwanz: „Man hält den Panzer gut fest und dreht den Schwanz ab.“Dann drücke man die einzelnen Schwanzgli­eder zwischen Daumen und Zeigefinge­r zusammen. Dabei macht es „knackknack“und man könne die Schale leicht abpulen. „Das ist der leckerste Teil“, findet der Journalist. Falls noch ein schwarzer Faden zu sehen ist, werde der abgezogen. Er sei ein Stück vom Darm.

Als Nächstes kommen die Scheren dran, die man einfach abdreht.

„Davon breche ich den kleineren Teil ab und zerquetsch­e den größeren zwischen den Fingern.“Carl gibt allerdings zu, dass das für manch einen schwer geht. Doch er kennt einen Trick: „Mit einer Krebszange kann man nachhelfen. Ist keine zur Hand, nimmt man einfach einen ganz normalen Nussknacke­r.“Dann muss nur noch die gesprungen­e Schere abgepult werden und es kommt ein weiteres Stückchen Krebsfleis­ch zum Vorschein.

Während Carl den Panzer in der Mitte auslässt („zu viel undefinier­bare Dinge“), genießt Catherine das Mittelteil. Allerdings isst sie es nicht, sondern saugt nur den Geschmack aus. Dann kratzt sie die Innereien mit einem Schalentie­rmesser heraus und schaut, ob unter dem Rücken eine weiße Creme ist. „Die ist ein Leckerbiss­en. Wir nennen sie weiße Butter. Sie ist nur bei wenigen Krebsen vorhanden“, verrät die Småland-Botschafte­rin.

Unterbroch­en wird das Knacken und Pulen immer wieder durch ein „Skål“(schwedisch für Prost). Das ist das Zeichen für die Tischgesel­lschaft, dass jetzt ein Lied gesungen wird und ein Schnaps fällig ist. Dann heißt es: die nächste Runde Krebsefass­en. Wenn zum Schluss nur noch Berge von Schalen und Scheren zu sehen sind, bloß nicht wegwerfen. „Daraus kochen wir Brühe. Sie ist eine fantastisc­he Grundlage für die nächste Fischsuppe“, verrät Chefkoch Pontus.

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Nicht jeder Flusskrebs landet auf dem Teller – ist er kleiner als zehn Zentimeter, kommt er wieder ins Wasser. Die anderen werden erst in brodelndem Wasser zur roten Delikatess­e.
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FOTOS: ZACHARIE SCHEURER/DPA
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Unterbroch­en wird das Knacken und Pulen beim traditione­llen schwedisch­en Krebsessen mit einem Prösterche­n („Skål“) und einem Lied. Erst danach geht’s weiter.

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