Spezialisten jagen internationale Verbrecherbanden
Die Staatsanwaltschaft Memmingen will mit einer neuen Spezialeinheit Drogenhändlern, Waffenschmugglern, Schleusern und Telefonbetrügern das Handwerk legen
- Eine neue Spezialeinheit der Staatsanwaltschaft Memmingen soll grenzüberschreitende organisierte Kriminalität effektiver bekämpfen. „Wir wollen nicht nur an die kleinen Fische, sondern auch an die Hintermänner rankommen“, sagt Bayerns Justizminister Georg Eisenreich in einem Telefonat mit unserer Redaktion – die geplante Pressekonferenz war wegen gestiegener Corona-Fallzahlen in Memmingen kurzfristig abgesagt worden.
Es geht um Schleuser, Drogenhändler und Waffenschmuggler, aber auch um Callcenter-Betrug. „Wichtig ist vor allem der persönliche Kontakt, er soll alles schneller und leichter machen“, beschreibt Thorsten
Thamm. Der Staatsanwalt ist Leiter der neuen Memminger Abteilung, die enge Beziehungen zu den Ermittlern in den Nachbarländern pflegen soll. Thamm und fünf Kollegen haben jetzt ihre Arbeit nach dem „Traunsteiner Modell“aufgenommen, mit dem bayerische Staatsanwälte in vier anderen Städten bereits gute Erfahrungen gemacht haben.
Betrügerische Anrufer bringen vor allem Senioren immer wieder um hohe Geldbeträge. Weil Anrufer und vor allem Drahtzieher oft in anderen Ländern sitzen, sind die Ermittlungen meist zäh und schwierig. Durch den Allgäu Airport ist die Staatsanwaltschaft Memmingen auch für eine Außengrenze des Schengen-Raums zuständig. Sie war beispielsweise gefragt, wenn Ukrainer mit falschen Touristen-Visa einDrogen reisten und dann arbeiteten, ohne dass Sozialleistungen bezahlt wurden. „Da steht auch immer jemand dahinter“, sagt Thamm.
Und dann sind da noch die großen, aufsehenerregenden Fälle: Fünf Männer, die kiloweise Kokain und das Narkosemittel Ketamin in Lastwagen versteckt zwischen Eis und Süßigkeiten aus Belgien und den Niederlanden nach England gebracht haben, sind im August 2018 vom Landgericht Memmingen zu teils langen Haftstrafen verurteilt worden. Zwei der Täter lebten im Kreis Neu-Ulm. Gerade jetzt müssen sich sechs Männer in einem weiteren großen Prozess vor dem Memminger Landgericht verantworten: Sie sollen fast 500 Kilo Kokain in Bananenkisten geschmuggelt haben. Ahnungslose Mitarbeiter fanden die zufällig bei einer Stichprobe in einem Lager von Fruchthof Nagel in Neu-Ulm.
Fälle dieser Art werden künftig von der Spezialabteilung der Memminger Staatsanwaltschaft übernommen. Man habe schon vorher erfolgreich in Fällen internationaler Kriminalität ermittelt, betont CSU-Politiker Eisenreich. Aber die Welt werde immer digitaler und immer vernetzter, internationale Kriminalität sei Daueraufgabe und wachsendes Problem zugleich.
Im oberbayerischen Traunstein ist eine Spezialabteilung im August als Pilotversuch eingeführt worden. Die Arbeit der Spezialisten zur internationalen Verbrechensbekämpfung bezeichnet der Justizminister als sehr erfolgreich. Memmingen ist nach Landshut, Kempten und Regensburg
nun die fünfte Stadt, in der das Modell eingeführt wird. Als nächstes, so Eisenreich, sei die Staatsanwaltschaft Amberg an der Reihe.
Die Arbeit der bisherigen Einheiten zeige die Bedeutung direkter Kontakte: „Es ist etwas anderes, ob man eine E-Mail an eine Behörde schreibt oder ob man sich schon einmal persönlich getroffen hat“, beschreibt Eisenreich.
Thorsten Thamm von der Memminger Staatsanwaltschaft tauscht sich bereits mit seinem Kemptener Kollegen aus, demnächst steht ein Besuch in Traunstein auf dem Programm: „Die Kollegen dort haben die längste Erfahrung.“
Thamm und seine Kollegen sollen vor allem zu Ermittlern und Strafverfolgern in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein Kontakte aufbauen und die internationale Zusammenarbeit zwischen den Behörden auf diesem Weg verbessern und beschleunigen. Eine neue Stelle ist in Memmingen für die neue Abteilung geschaffen worden, die übrigen fünf Staatsanwälte kommen im Zuge einer Umstrukturierung aus anderen Abteilungen.
Neben den Schwerpunkten Schleuserkriminalität, CallcenterBetrug, Waffendelikte und Rauschgiftverbrechen ist die Abteilung auch für Rechtshilfe verantwortlich. „Wenn ein großes Drogenverfahren mit mehreren internationalen Bezügen läuft, macht das viel Arbeit“, sagt Thamm. Was seine Kollegen und ihn am stärksten beschäftigen werde, lasse sich aber noch nicht abschätzen.