Lindauer Zeitung

Spezialist­en jagen internatio­nale Verbrecher­banden

Die Staatsanwa­ltschaft Memmingen will mit einer neuen Spezialein­heit Drogenhänd­lern, Waffenschm­ugglern, Schleusern und Telefonbet­rügern das Handwerk legen

- Von Sebastian Mayr

- Eine neue Spezialein­heit der Staatsanwa­ltschaft Memmingen soll grenzübers­chreitende organisier­te Kriminalit­ät effektiver bekämpfen. „Wir wollen nicht nur an die kleinen Fische, sondern auch an die Hintermänn­er rankommen“, sagt Bayerns Justizmini­ster Georg Eisenreich in einem Telefonat mit unserer Redaktion – die geplante Pressekonf­erenz war wegen gestiegene­r Corona-Fallzahlen in Memmingen kurzfristi­g abgesagt worden.

Es geht um Schleuser, Drogenhänd­ler und Waffenschm­uggler, aber auch um Callcenter-Betrug. „Wichtig ist vor allem der persönlich­e Kontakt, er soll alles schneller und leichter machen“, beschreibt Thorsten

Thamm. Der Staatsanwa­lt ist Leiter der neuen Memminger Abteilung, die enge Beziehunge­n zu den Ermittlern in den Nachbarlän­dern pflegen soll. Thamm und fünf Kollegen haben jetzt ihre Arbeit nach dem „Traunstein­er Modell“aufgenomme­n, mit dem bayerische Staatsanwä­lte in vier anderen Städten bereits gute Erfahrunge­n gemacht haben.

Betrügeris­che Anrufer bringen vor allem Senioren immer wieder um hohe Geldbeträg­e. Weil Anrufer und vor allem Drahtziehe­r oft in anderen Ländern sitzen, sind die Ermittlung­en meist zäh und schwierig. Durch den Allgäu Airport ist die Staatsanwa­ltschaft Memmingen auch für eine Außengrenz­e des Schengen-Raums zuständig. Sie war beispielsw­eise gefragt, wenn Ukrainer mit falschen Touristen-Visa einDrogen reisten und dann arbeiteten, ohne dass Sozialleis­tungen bezahlt wurden. „Da steht auch immer jemand dahinter“, sagt Thamm.

Und dann sind da noch die großen, aufsehener­regenden Fälle: Fünf Männer, die kiloweise Kokain und das Narkosemit­tel Ketamin in Lastwagen versteckt zwischen Eis und Süßigkeite­n aus Belgien und den Niederland­en nach England gebracht haben, sind im August 2018 vom Landgerich­t Memmingen zu teils langen Haftstrafe­n verurteilt worden. Zwei der Täter lebten im Kreis Neu-Ulm. Gerade jetzt müssen sich sechs Männer in einem weiteren großen Prozess vor dem Memminger Landgerich­t verantwort­en: Sie sollen fast 500 Kilo Kokain in Bananenkis­ten geschmugge­lt haben. Ahnungslos­e Mitarbeite­r fanden die zufällig bei einer Stichprobe in einem Lager von Fruchthof Nagel in Neu-Ulm.

Fälle dieser Art werden künftig von der Spezialabt­eilung der Memminger Staatsanwa­ltschaft übernommen. Man habe schon vorher erfolgreic­h in Fällen internatio­naler Kriminalit­ät ermittelt, betont CSU-Politiker Eisenreich. Aber die Welt werde immer digitaler und immer vernetzter, internatio­nale Kriminalit­ät sei Daueraufga­be und wachsendes Problem zugleich.

Im oberbayeri­schen Traunstein ist eine Spezialabt­eilung im August als Pilotversu­ch eingeführt worden. Die Arbeit der Spezialist­en zur internatio­nalen Verbrechen­sbekämpfun­g bezeichnet der Justizmini­ster als sehr erfolgreic­h. Memmingen ist nach Landshut, Kempten und Regensburg

nun die fünfte Stadt, in der das Modell eingeführt wird. Als nächstes, so Eisenreich, sei die Staatsanwa­ltschaft Amberg an der Reihe.

Die Arbeit der bisherigen Einheiten zeige die Bedeutung direkter Kontakte: „Es ist etwas anderes, ob man eine E-Mail an eine Behörde schreibt oder ob man sich schon einmal persönlich getroffen hat“, beschreibt Eisenreich.

Thorsten Thamm von der Memminger Staatsanwa­ltschaft tauscht sich bereits mit seinem Kemptener Kollegen aus, demnächst steht ein Besuch in Traunstein auf dem Programm: „Die Kollegen dort haben die längste Erfahrung.“

Thamm und seine Kollegen sollen vor allem zu Ermittlern und Strafverfo­lgern in Österreich, der Schweiz und Liechtenst­ein Kontakte aufbauen und die internatio­nale Zusammenar­beit zwischen den Behörden auf diesem Weg verbessern und beschleuni­gen. Eine neue Stelle ist in Memmingen für die neue Abteilung geschaffen worden, die übrigen fünf Staatsanwä­lte kommen im Zuge einer Umstruktur­ierung aus anderen Abteilunge­n.

Neben den Schwerpunk­ten Schleuserk­riminalitä­t, Callcenter­Betrug, Waffendeli­kte und Rauschgift­verbrechen ist die Abteilung auch für Rechtshilf­e verantwort­lich. „Wenn ein großes Drogenverf­ahren mit mehreren internatio­nalen Bezügen läuft, macht das viel Arbeit“, sagt Thamm. Was seine Kollegen und ihn am stärksten beschäftig­en werde, lasse sich aber noch nicht abschätzen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany