Eine Saison voller Fragezeichen
Corona-Krise hat den Profi-Volleyball voll getroffen – Friedrichshafen ohne Hallenlösung
(SID/ sz) - Die Uhr tickt, der Countdown läuft – doch wenige Stunden vor dem Saisonstart der Volleyball-Bundesliga am Samstag ist in diesem Jahr alles anders. Statt von neuen Titeln und alten Rivalitäten reden sie in Berlin und Friedrichshafen dieser Tage vor allem über die schwere Krise, die den Sport erfasst hat. Der VfB hat zudem die Hypothek, dass er nach der Sperrung der ZF-Arena momentan noch ohne Halle dasteht. Keine einfachen Aufgaben also für die Volleyballer.
„Oberstes Ziel ist es, dass uns das Virus nicht in die Knie zwingt, wir die Saison zu Ende spielen können und der Volleyball überlebt“, sagt Kaweh Niroomand. Der Manager des Vorzeigeclubs und Abomeisters Berlin Recycling Volleys, sonst um kecke Sprüche und sportliche Kampfansagen nicht verlegen, wirkt nachdenklich. „Ich mache mir große Sorgen“, sagt Niroomand, der auch Präsidiumsmitglied des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ist, angesichts steigender Infektionszahlen. Die Rettung seiner Sportart und der Clubs stehe angesichts der noch längst nicht absehbaren Folgen der Corona-Pandemie aktuell im Vordergrund.
In der gesamten Szene herrscht ein mulmiges Gefühl. Die Folgen eines weiteren Saisonabbruchs wie zuletzt, als sich im Frühjahr gleich drei Clubs (Rottenburg, Alpen Volleys Tirol und Eltmann) zurückgezogen hatten, sind nur zu erahnen. Im großen Tamtam um den Fußball und angesichts der Schlagzeilen im Handball und Eishockey war das Schicksal der Volleyballer zuletzt ein wenig untergegangen. „Je größer die Haushalte, desto größer scheinen die Probleme. Aber die Qualität der Probleme ist bei uns dieselbe“, betont Niroomand. Durch die geringe Hallenauslastung mache sein Club jeden Spieltag einen Verlust im fünfstelligen Bereich: „Die Kosten sind bei Heimspielen momentan doppelt so hoch wie die Einnahmen.“
Die Krise ist Gift für den nationalen Wettbewerb. Denn während die Berliner mit einem Etat von rund drei Millionen Euro als unangefochtener Branchenprimus wirtschaftlich zwar (noch) gut aufgestellt sind, könnte es bei anderen Vereinen aufgrund ausfallender Zuschauer- und Sponsoringeinnahmen schnell eng werden. Die Kluft zwischen Arm und Reich dürfte weiter auseinandergehen. „Die Gefahr besteht, dass wir weiter auseinandergerissen werden“, bestätigt Niroomand. Die Pläne eines möglichen Wechsels in die polnische Liga, wo die sportliche Leistungsdichte als deutlich höher gilt, wurden beim Hauptstadt-Club im Sommer – mal wieder zum öffentlichen Thema – und liegen noch immer in der Schublade. „Wir stehen weiterhin im Dialog mit den Polen“, sagt Niroomand, unterstreicht aber sein Interesse an einer positiven Entwicklung der Bundesliga: „Wir gehören nach Deutschland.“In einem ligaweiten Arbeitskreis wurde zuletzt ein Austausch mit den anderen Teams in Gang gesetzt. „Wir müssen Solidarität zeigen und uns gegenseitig unterstützen“, meint Niroomand.
Rekordmeister VfB Friedrichshafen hat es in der Vorbereitung doppelt erwischt. Zu den Corona-Sorgen kam ein Hallenproblem. Weil die ZFArena wegen baulicher Mängel plötzlich gesperrt worden ist, musste der VfB seine Vorbereitung in unterschiedlichsten Hallen absolvieren. Der VfB wich etwa in die alte Bodensee-Sporthalle aus, nach Kluftern oder sogar nach Stuttgart. Die ersten Saisonspiele finden allesamt auswärts statt – los geht es am Samstag in Bestensee. „Auch abgesehen von der Hallensituation war die Vorbereitung eine, die so bislang keiner kannte“, sagt Trainer Michael Warm. „Die Spieler hatten sieben Monate keinen Wettkampf mehr und zehn Wochen Vorbereitung.“
Warm nimmt den Umstand zumindest äußerlich gelassen hin. Topfavorit seien zwar die Berliner, doch in der kommenden Saison werde ohnehin „der Meister der Flexibilität am Ende ganz oben stehen“. Und seine Friedrichshafener, fügt Warm mit einem Grinsen an, seien momentan so etwas wie die „Chefs der Improvisation“. Die Vorfreude ist daher auch in Friedrichshafen groß. Die Sorgen allerdings auch – nicht nur beim Thema Halle.
Der VfB Friedrichshafen ist zum Auftakt der Bundesligasaison 2020/21 am Samstag (18 Uhr/ Sporttotal.tv) bei den Netzhoppers Königs Wusterhausen Bestensee zu Gast.