Lindauer Zeitung

Treffen in der roten Zone

EU-Regierungs­chefs vereinbare­n stärkere Zusammenar­beit zur Pandemiebe­kämpfung

- Von Michel Winde

(dpa) - Die Sorge über die dramatisch steigenden Corona-Infektions­zahlen treibt die EU-Staaten zu einer engeren Zusammenar­beit bei der Pandemiebe­kämpfung. Die Staats- und Regierungs­chefs verständig­ten sich am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel darauf, sich um eine bessere grenzübers­chreitende Ermittlung von Kontaktper­sonen zu bemühen. Auch könnte es bald Absprachen zu Teststrate­gien und zur vorübergeh­enden Beschränku­ng nicht unbedingt notwendige­r Reisen aus Drittstaat­en in die EU geben.

Bislang hatten sich die EU-Staaten oft sehr schwer getan, sich bei der Pandemiebe­kämpfung auf einen gemeinsame­n Kurs zu einigen. So gibt es bis heute kaum Absprachen bei Themen wie Reisewarnu­ngen, Maskenpfli­cht oder Quarantäne­zeiten.

Das soll anders werden. „Wir waren uns einig, dass wir die Zahl der Erkrankten reduzieren müssen. Das bedeutet eben auch, dass wir Kontakte reduzieren müssen, damit wir diese Kontakte noch nachverfol­gen können“, erklärte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Die Frage, wie man aus dieser Pandemie herauskomm­e, entscheide über die Gesundheit von ganz vielen Menschen und über die Frage, wie viele Menschen sterben müssen. Deswegen wurde beschlosse­n, die Koordinier­ung auf der Ebene der Staats- und Regierungs­chefs zu verstärken. Nach Angaben von Merkel soll es dazu regelmäßig Konsultati­onen auch per Videokonfe­renz geben – je nach Lage sogar im Wochentakt.

Wie ernst die Lage genommen wird, zeigte auch, dass mit EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und der finnischen Regierungs­chefin Sanna Marin gleich zwei

Spitzenpol­itiker den Gipfel vorzeitig verließen, nachdem sie erfahren hatten, dass Kontaktper­sonen von ihnen mit dem Coronaviru­s infiziert sind. Polens Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki war erst gar nicht zum Gipfel angereist, weil er sich derzeit in Quarantäne befindet. Gleiches gilt für den EU-Außenbeauf­tragten Josep Borrell. Angesichts der CoronaInfe­ktionszahl­en wurde am Freitag auch der für den 16. November geplante EU-Gipfel zur China-Politik in Berlin abgesagt.

Deshalb stellte sich die Frage, ob ein Gipfel mit Hunderten Menschen aus ganz Europa überhaupt sein musste. Sind derlei Treffen ein gutes Zeichen an die Bevölkerun­g, der immer mehr Entbehrung­en abverlangt werden? Zu Beginn der Corona-Krise tagten die EU-Staats- und Regierungs­chefs monatelang nur per Videokonfe­renz. Allerdings wurde bald deutlich, dass diese Art der Krisendipl­omatie

schnell an ihre Grenzen stößt. So können bei digitalen Gipfeln keine formellen Beschlüsse gefasst werden; die Vier-Augen-Gespräche am Rande fallen weg.

Umso erleichter­ter waren Merkel und Co, als im Juli endlich wieder ein physischer Gipfel stattfand. Dabei verhandelt­en die Spitzenpol­itiker über den siebenjähr­igen EU-Haushalt und das Corona-Aufbauprog­ramm mit einem Gesamtvolu­men von 1,8 Billionen Euro. Dass es per Video kaum zu einer Einigung gekommen wäre, ist Konsens.

Ratschef Michel verteidigt­e den physischen Gipfel: Natürlich müsse man sich der Krise anpassen. Aber es gebe eben einige Themen, bei denen die persönlich­e Präsenz unerlässli­ch sei. Bei dem Gipfel im Juli sei das so gewesen. Und die Brexit-Debatte betreffe das auch. Künftig solle vom Thema abhängig gemacht werden, wie man zusammenko­mme.

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FOTO: OLIVIER HOSLET/AFP Warnte in Brüssel vor weiter steigenden Corona-Zahlen: Bundeskanz­lerin Angelas Merkel (CDU).

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