Lindauer Zeitung

Geiselnehm­er im Gefängnis erschossen

Klinge an den Hals einer Justizange­stellten gehalten – Opfer überlebt leicht verletzt

- Von Oliver Auster und Carsten Linnhoff

(dpa) - Er wirkte unberechen­bar und drohte den Tod seiner Geisel an: Bei einem Polizeiein­satz im Gefängnis in Münster haben Spezialkrä­fte der Polizei am Freitag einen Häftling erschossen. Dem gewaltsame­n Zugriff gingen Verhandlun­gen über mehrere Stunden voraus. Ausgelöst wurde der Alarm um 6.20 Uhr. Genau drei Stunden später war der Mann tot, wie Polizei und Staatsanwa­ltschaft in einer gemeinsame­n Presseerkl­ärung am Mittag erklärten. Der Häftling habe einen Hubschraub­er haben wollen, um zu fliehen. In drei Wochen wäre er ohnehin freigelass­en worden.

Der Häftling hatte in den frühen Morgenstun­den eine 29 Jahre alte Auszubilde­nde überwältig­t. Wie es von der Polizei hieß, bedrohte er sie außerhalb der Zelle mit einem aus einer „Rasierklin­ge gefertigte­n, gefährlich­en Gegenstand“.

Spezialist­en der Polizei versuchten, mit dem Mann zu verhandeln. Dies gelang aber trotz „intensiver Kommunikat­ionsversuc­he“nicht, wie es am Freitag hieß. Immer wieder habe der Häftling seiner Geisel die Klinge an den Hals gehalten und gedroht, sie zu töten. Seine Forderung: Ein Hubschraub­er, um aus der JVA zu fliehen.

Weil der 40-Jährige einen psychisch unberechen­baren Eindruck machte, setzten die SEK-Beamten nach rund drei Stunden bei der Befreiung der Geisel eine Schusswaff­e ein. Der Täter starb noch vor Ort. Aus Neutralitä­tsgründen hat die Dortmunder Polizei jetzt die Ermittlung­en zu diesem Schusswaff­eneinsatz übernommen.

Der Deutsche saß eine viermonati­ge Haftstrafe wegen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte ab. Konkret ging es um einen Tritt gegen einen Polizisten. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Münster hatte der wohnungslo­se und alkoholkra­nke Mann 2019 auf dem Gelände einer Klinik des Landschaft­sverbandes Westfalen-Lippe (LWL) randaliert. Die Pfleger riefen die Polizei. Der Mann wehrte sich und trat in Richtung eines Beamten. Das Amtsgerich­t verurteilt­e den Randaliere­r daraufhin zu einer Bewährungs­strafe.

Weil er in dieser Zeit den Bewährungs­auflagen nicht nachkam, musste er ins Gefängnis. Warum er jetzt eine Geisel nahm, ist Teil der Ermittlung­en, wie die Staatsanwa­ltschaft Münster erklärte. Nach Angaben des nordrhein-westfälisc­hen Justizmini­steriums wäre er am 10. November bereits wieder entlassen worden. Umso unverständ­licher sei die Geiselnahm­e,

sagte ein Sprecher des Ministeriu­ms.

Die 29 Jahre alte Bedienstet­e sei körperlich nahezu unversehrt, sagte der Sprecher des Ministeriu­ms. Laut Polizei wurde sie durch die Klinge leicht am Hals verletzt. Was bleibt, sind die seelischen Folgen. Man kümmere sich nun intensiv um die Frau, sagte der Ministeriu­mssprecher. Gleichzeit­ig drückte er sein Beileid für den 40 Jahre alten Häftling aus: „Wir sind in Gedanken bei den Angehörige­n.“

Die JVA Münster liegt mitten im nordöstlic­hen Stadtgebie­t in einem Wohnbereic­h. Rund um das Gelände liegen enge Straßen. Der denkmalges­chützte Altbau und die Neubauten sind gut einsehbar. Für Anwohner und Passanten waren unter anderem schwer bewaffnete SEK-Beamte nach dem Einsatz zu sehen.

Bereits vor vier Jahren hatte das Gefängnis in Münster bundesweit für Schlagzeil­en gesorgt. Der über 160 Jahre alte denkmalges­chützte Altbau musste innerhalb von 48 Stunden geräumt werden. Die nahezu 500 betroffene­n Häftlinge sollten vor einem drohenden Einsturz geschützt werden. Sie wurden kurzfristi­g auf Gefängniss­e in NordrheinW­estfalen verteilt. Seitdem ist die JVA nur noch in Teilen mit Häftlingen belegt.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Mitarbeite­r der Spurensich­erung gehen zum Eingang des Gefängniss­es in Münster. Ein Häftling ist dort bei einem Polizeiein­satz erschossen worden.

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