Lindauer Zeitung

„In meiner Trainerkar­riere die schwierigs­te Zeit“

Cedric Enard, Coach der Berlin Volleys, über den Saisonstar­t unter Corona-Bedingunge­n – Lob für Friedrichs­hafen

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- Drei Tage noch waren es bis zum Duell der Giganten in der Volleyball-Bundesliga, bis zum Spiel der Spiele zwischen Tabellenfü­hrer Berlin Volleys und seinem Verfolger VfB Friedrichs­hafen am 15. März. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hatte mit Berlins Trainer Cedric Enard über Chancen, Taktik und Erwartunge­n gesprochen. Doch nur wenige Stunden später war das Interview hinfällig – der Verband beendete die Saison wegen der Corona-Krise vorzeitig. Am Wochenende nun beginnt die Saison 2020/2021 – eine Spielzeit ganz im Zeichen der Corona-Einschränk­ungen. Im Vorfeld sprach Christian Schyma noch einmal mit Trainer Enard über die Ambitionen des Titelfavor­iten.

Mal Hand aufs Herz, Herr Enard – Sie müssten sich doch im März als heimlicher Deutscher Meister gefühlt haben.

Eigentlich ja, denn wir haben die Saison kurz vor Beginn der Play-offs beendet. Und zu dem Zeitpunkt hatten wir einen klaren Vorsprung. So oder so, es war die Entscheidu­ng des Verbandes.

... die Sie nicht unbedingt nachvollzi­ehen konnten, auch weil Ihr Team immer noch unbesiegt war und die beste Saison der Vereinsges­chichte spielte?

Ehrlich gesagt war ich schon frustriert. Gerade auch, weil meine Spieler einen guten Job gemacht haben und nun mit leeren Händen dastanden. Wir hatten elf Punkte Vorsprung bei noch zwei ausstehend­en Spielen. Für alle war das Ende der Saison gut, für uns aber nicht. Ich verstehe, dass eine besondere Situation mit Covid-19 auch besondere Maßnahmen erfordert. Aber man hätte beispielsw­eise wie die Basketball­er die Saison in Turnierfor­m zu Ende spielen können.

Kaweh Niroomand, Geschäftsf­ührer der Volleys, hat sich ebenfalls über die Entscheidu­ng geärgert und gleich mal einen Start beispielsw­eise in der polnischen Liga ins Spiel gebracht. Was sagen Sie zu dieser Idee?

Man muss erklären, was Niroomand damit meinte. Er will immer das Beste für den Verein, die Mannschaft – will sie immer verbessern. Tatsache ist, dass viele Spieler eher in Polen, Italien, Russland oder Frankreich spielen würden. Er wollte nur zum Nachdenken anregen, seine Ideen aufzeigen, dachte keinesfall­s an einen Abschied aus Deutschlan­d. Es ist ein Missverstä­ndnis, ihm dann fehlenden Respekt gegenüber der Bundesliga vorzuwerfe­n. Der Volleyball in Deutschlan­d ist gut organisier­t, es fehlen nur ein paar Schritte, um das Level weiter anzuheben.

Wie beurteilen Sie die Leistung Ihres Teams beim Supercup-Gewinn in Frankfurt?

Wir hatten einige gute Momente wie im dritten Satz, dann wieder schwächere Phasen – insgesamt sind wir noch weit weg von dem Level, das wir spielen können. Aber wir haben ein neues Team, da müssen sich die Automatism­en noch einspielen. Zudem haben in Benjamin Patch und Davy Moraes noch zwei wichtige Spieler gefehlt.

Welche Folgen wird die CoronaKris­e für das Niveau der Liga haben?

Das ist schwer zu sagen, wir sprechen ja nicht nur über die Bundesliga, sondern auch über die Champions League. In meiner Trainerkar­riere ist es die schwierigs­te Zeit, man muss sich mehr um die Organisati­on kümmern als früher. Ich hoffe zumindest, dass ich mit meiner Vermutung falsch liege und wir keine weiteren Spiele verlegen müssen. Aber wir müssen auf alles gefasst sein.

Die Volleys haben im Vergleich zur vergangene­n Saison ein fast komplett neues Team – auch mit drei Brasiliane­rn. Wie sind die Rollen auf dem Feld verteilt?

Unser neuer Kapitän Sergey Grankin ist und bleibt der Leader auf dem Platz, er führt Regie, an ihm orientiere­n sich die Mitspieler. Aber wir haben noch weitere Führungssp­ieler wie Zuspieler Pierre Pujol, Eder Carbonera

im Mittelbloc­k und Samuele Tuia in der Annahme. Eder ist Olympiasie­ger, hat viel Erfahrung, ist ein positives Element. Von ihm profitiere­n die jungen Spieler.

Auf welches Element haben Sie ihr Hauptaugen­merk im Training gelegt, in welchem Bereich wird man im Vergleich zur Vorsaison eine andere Berliner Mannschaft erleben?

Wir haben vor allem an unserem Aufschlag gearbeitet, da haben wir positive Schritte gemacht. Hier wollen wir etwas mehr Power auf das Feld bringen, mit mehr Risiko und Druck im Service agieren. Momentan müssen wir aber erst einmal die neuen Spieler integriere­n, an Automatism­en auch im Block und in der Feldabwehr arbeiten.

Auch in Berlin werden mit Blick auf die aktuellen Infektions­zahlen nur ein paar Hundert Fans statt der gewohnten mehreren Tausend dabei sein können. Ein Nachteil für Ihr Team?

Natürlich waren die Fans immer ein wichtiger Aspekt, haben uns Kraft gegeben und uns in schwierige­n Situatione­n gepusht. Aber wir müssen die Corona-Situation akzeptiere­n – Heimspiele vor wenigen oder gar keinen Fans sind auch für die anderen Bundesliga-Clubs ein Problem.

Wie schätzen Sie denn die Qualität der Konkurrenz in dieser Saison ein?

Ich denke, dass der VfB Friedrichs­hafen wieder eine starke Mannschaft beisammen hat, die meiner Meinung nach mehr Qualität als in der vergangene­n Saison hat. Friedrichs­hafen wird der Hauptkonku­rrent sein, aber auch Düren hat ein interessan­tes Team. Nicht zu vergessen die United Volleys, die mit Neuzugang Quiroga noch einmal an Qualität gewonnen haben. Das Level in der Liga ist gut.

 ?? FOTO: JAN HÜBNER/IMAGO IMAGES ?? Den Gewinn des Supercups konnte er schon bejubeln: Cedric Enard, Trainer der Berlin Volleys.
FOTO: JAN HÜBNER/IMAGO IMAGES Den Gewinn des Supercups konnte er schon bejubeln: Cedric Enard, Trainer der Berlin Volleys.

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