Wie das Virus die Geldanlage ändert
Angesichts der Zinsflaute wird der Fondssparplan zum neuen Sparbuch
- Verwundert rieben sich gestandene Börsianer die Augen: Ausgerechnet die deutschen Privatanleger haben sich nicht wieder enttäuscht vom Kapitalmarkt abgewandt, als die Kurse im Zuge der Corona-Pandemie um bis zu 40 Prozent in den Keller gingen. Im Gegenteil, Corona hat die Anleger eher in Kauflaune versetzt. Allein die 51 baden-württembergischen Sparkassen meldeten zum ersten Halbjahr ein Plus von 50 Prozent beim Wertpapierumsatz ihrer Kunden. Dabei überstiegen die Wertpapierkäufe in Höhe von 6,9 Milliarden Euro die Verkäufe mit 5,4 Milliarden Euro deutlich. Gleichzeitig nahm die Zahl der Wertpapierdepots um 2,6 Prozent auf 930 000 zu. „Die Kunden haben Wertpapiere als langfristige Anlagen wieder stärker im Blick“, sagt dazu Sparkassenpräsident Peter Schneider.
Die Ursache dieser Entwicklung verortet die Direktbank ING Deutschland in den starken Schwankungen am Kapitalmarkt. So haben die Kurseinbrüche im März vielen Verbrauchern eine Anlage in Aktien erst schmackhaft gemacht. Und man kann ihnen attestieren, dass sie damit bis dato alles richtig gemacht haben – sie sind am Tiefpunkt eingestiegen, als Aktien billig zu haben waren. Inzwischen haben die Kurse fast wieder das Rekordniveau vom Februar erreicht. Ein derartiges Glück hat man als Anleger zwar nicht alle Tage, schließlich sind auch wieder Rückschläge zu erwarten. Im Nachhinein ist man ohnehin immer schlauer. Dennoch scheint sich bei einer wachsenden Anlegergruppe allmählich die Erkenntnis zu verbreiten, dass die klassischen Geldanlagen wie Sparbuch, Tagesgeld oder Lebensversicherungen aufgrund der homöopathisch niedrigen Zinsen auf absehbare Zeit nahezu keine Rendite mehr abwerfen werden. So gesehen, zeigt die neu erwachte Liebe mancher Anleger zu Aktien auch exemplarisch, wie Corona zu einem anderen Anlageverhalten führen kann.
Dabei fällt auf, dass die Anleger nur selten dem Zocken verfallen, sondern vielfach systematisch über Fondssparpläne versuchen, dem Niedrigzins zu trotzen. Dafür sprechen die starken Zuwächse bei Fondssparplänen, mit denen Anleger feste Raten im Monats- oder Quartalsrhythmus ansparen. In deren Höhe werden regelmäßig Anteile des ausgewählten ETFs oder Fonds aufgekauft – egal, was die Börse gerade macht. Je stärker die Börsen nachgeben, desto mehr Anteile kauft der Sparplan, bei steigenden Kursen sind es dagegen weniger Fondsanteile. Der Anleger muss sich also nicht permanent Gedanken über den richtigen Kaufzeitpunkt und die Höhe des Anlagebetrages machen. Ein Fondssparplan schaltet außerdem Emotionen wie Angst und Gier aus. „Sparpläne besitzen also einen Disziplinierungseffekt und bringen Konstanz in den Vermögensaufbau“, heißt es dazu beim Fondsverband BVI. Das Modell funktioniert mit aktiv gemanagten Aktienfonds ebenso wie mit passiv gemanagten ETFs (Exchange Traded Funds), die schlicht einen Börsenindex nachbilden. Letztere sind im Übrigen deutlich günstiger, weil keine Gebühren für das aktive Management des Fonds anfallen. Abhängig von den Konditionen der Bank kann ein Fondssparplan bereits mit einem Sparbetrag von 25 Euro im Monat bespart werden. Der Fondssparplan ist auf diese Weise dabei, zu einem Ankerprodukt der Finanzwirtschaft zu werden – so, wie es früher das Sparbuch gewesen ist. Sicher, die Aussicht auf eine höhere Rendite ist auch an höhere Risiken gekoppelt. Letztere
gleichen sich aber über die Zeit aus, weshalb man mit einem Anlagehorizont von zehn bis 15 Jahren rechnen sollte.
Auch wenn man als Fondssparer nur indirekter Eigentümer von Aktien ist, fließen diese Anleger in die Statistik der Aktionäre mit ein. Ob nun die neue Liebe zu Aktien – direkt oder indirekt – eine lange währende sein werde, müsse sich freilich erst noch zeigen, sagt Uta-Bettina von Altenbockum, Sprecherin des Deutschen Aktieninstituts (DAI). Die letzte Erhebung des DAI hatte die Zahl der direkten Aktionäre 2019 auf 4,2 Millionen beziffert, hinzu kamen weitere 5,5 Millionen über Fonds. Und das war der niedrigste Stand seit 2014. Das Ausgangsniveau ist also niedrig, weshalb sich das Interesse an Aktien in der Breite immer noch in Grenzen hält. Denn das Gros der Anleger favorisiert weiterhin konservative Sparformen, die in Zeiten des Nullzinses eben einen Kaufkraftverlust bedeuten.