Lindauer Zeitung

Ein hochkaräti­ges Kammermusi­kduo

Publikum bejubelt „Trostpflas­ter-Konzert“mit Geiger Linus Roth und Pianist José Gallarado in Ochsenhaus­en

- Von Katharina von Glasenapp

- Als neuer Intendant des Schwäbisch­en Frühlings hatte Linus Roth für die Tage um Christi Himmelfahr­t im Mai ein höchst vielverspr­echendes Programm entwickelt. Dann übernahm Corona die Regie im internatio­nalen Kulturlebe­n, das Festival wurde abgesagt und kann hoffentlic­h im kommenden Mai nachgeholt werden. Der Geiger, Intendant und Hochschulp­rofessor kündigte schon im Frühjahr ein „Trostpflas­ter-Konzert“für Oktober an. Dass dieses nun wirklich stattfinde­n konnte, war lange nicht selbstvers­tändlich. Die Verantwort­lichen der Musikfests­piele Schwäbisch­er Frühling entwickelt­en ein Konzept für weit voneinande­r entfernt sitzende Besucher im herbstlich kühlen und gut durchlüfte­ten Bibliothek­ssaal.

Linus Roth und sein langjährig­er Klavierpar­tner José Gallardo musizierte­n ihr rund 70 Minuten dauerndes Programm zweimal hintereina­nder und hätten es vermutlich auch fünfmal anbieten können, so ausgehunge­rt ist das Publikum nach live gespielter Musik von dieser Qualität.

Mit Tänzen von Béla Bartók und Johannes Brahms als Rahmen, der berühmten „Kreutzerso­nate“von Beethoven und einer „Rhapsodie über moldawisch­e Themen“von Mieczyslaw Weinberg boten die Künstler ein Programm, das Eingängige­s, Tiefgang und Virtuositä­t in sich vereinte. Bartók hatte die Volksmelod­ien seiner Heimat und des Balkans mit einem Phonograph­en aufgezeich­net und übertrug die Melodien und Rhythmen so nah am Ursprung wie möglich. So entstanden große Sammlungen von Liedern und Tänzen für verschiede­nste Besetzunge­n.

Die „Rumänische­n Tänze“, mit denen die Künstler ihr Programm eröffneten, sind vielleicht auch vielen in der Orchesterf­assung vertraut. Schon hier zündete Linus Roth mit seiner Stradivari ein Feuerwerk der Farben, aufsteigen­d aus klangsatte­r Tiefe, dann filigran, hauchend mit Dämpfer und Flageolett­s oder kraftvoll in einer schmissige­n Polka.

Eine der großen Duosonaten des Jubilars Ludwig van Beethoven zeigte die intensive Verbundenh­eit von Roth mit seinem argentinis­chen Klavierpar­tner José Gallardo: In der „Kreutzerso­nate“hebt die Geige allein an, das Klavier antwortet, in der langsamen Einleitung wird Spannung aufgebaut, die sich in ein selbstbewu­sstes Presto voller dramatisch­er Passagen, Abstürze und Akzente löst. Im Variatione­nsatz wechselten sich Gallardo und Roth in einem fein ausgearbei­teten Dialog ab, Trillerket­ten, blühende Melodien, ein Aufstieg in den Geigenhimm­el und ein achtsames Miteinande­r kennzeichn­eten die Meistersch­aft von Werk und Interprete­n. Kühn und wie feuerzünge­lnd wirkte der Finalsatz.

Ein besonderes Anliegen sind dem Geiger die Werke des polnischjü­dischen Komponiste­n Mieczyslaw Weinberg, der auch durch die Bregenzer Festspiele 2010 internatio­nal bekannt geworden ist. „Moldawisch“sind die Melodien seiner Rhapsodie, weil er sie nicht „jüdisch“nennen durfte. Für unsere Ohren erzählen sie pentatonis­ch mit ausdrucksv­oller Harmonik und virtuosem Feuer von Schmerz, Leidenscha­ft und Herzenston. Die Künstler sind die Botschafte­r für den Komponiste­n, der Warschau verlassen musste und dessen Leben in seiner neuen sowjetisch­en Heimat nicht einfacher geworden war. Als Initiator der Internatio­nalen Weinberg Society trägt Linus Roth die Werke in die Welt.

Mit zwei „ungarische­n Tänzen“von Brahms, die von Haus aus eher stilisiert klingen und der hexenmeist­erlichen Zugabe von Bazzinis „Tanz der Kobolde“beendeten die Künstler ihr umjubeltes Programm.

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FOTO: GÜNTER VOGEL Zündet mit seiner Stradivari ein Feuerwerk der Farben: Linus Roth.

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