Ein hochkarätiges Kammermusikduo
Publikum bejubelt „Trostpflaster-Konzert“mit Geiger Linus Roth und Pianist José Gallarado in Ochsenhausen
- Als neuer Intendant des Schwäbischen Frühlings hatte Linus Roth für die Tage um Christi Himmelfahrt im Mai ein höchst vielversprechendes Programm entwickelt. Dann übernahm Corona die Regie im internationalen Kulturleben, das Festival wurde abgesagt und kann hoffentlich im kommenden Mai nachgeholt werden. Der Geiger, Intendant und Hochschulprofessor kündigte schon im Frühjahr ein „Trostpflaster-Konzert“für Oktober an. Dass dieses nun wirklich stattfinden konnte, war lange nicht selbstverständlich. Die Verantwortlichen der Musikfestspiele Schwäbischer Frühling entwickelten ein Konzept für weit voneinander entfernt sitzende Besucher im herbstlich kühlen und gut durchlüfteten Bibliothekssaal.
Linus Roth und sein langjähriger Klavierpartner José Gallardo musizierten ihr rund 70 Minuten dauerndes Programm zweimal hintereinander und hätten es vermutlich auch fünfmal anbieten können, so ausgehungert ist das Publikum nach live gespielter Musik von dieser Qualität.
Mit Tänzen von Béla Bartók und Johannes Brahms als Rahmen, der berühmten „Kreutzersonate“von Beethoven und einer „Rhapsodie über moldawische Themen“von Mieczyslaw Weinberg boten die Künstler ein Programm, das Eingängiges, Tiefgang und Virtuosität in sich vereinte. Bartók hatte die Volksmelodien seiner Heimat und des Balkans mit einem Phonographen aufgezeichnet und übertrug die Melodien und Rhythmen so nah am Ursprung wie möglich. So entstanden große Sammlungen von Liedern und Tänzen für verschiedenste Besetzungen.
Die „Rumänischen Tänze“, mit denen die Künstler ihr Programm eröffneten, sind vielleicht auch vielen in der Orchesterfassung vertraut. Schon hier zündete Linus Roth mit seiner Stradivari ein Feuerwerk der Farben, aufsteigend aus klangsatter Tiefe, dann filigran, hauchend mit Dämpfer und Flageoletts oder kraftvoll in einer schmissigen Polka.
Eine der großen Duosonaten des Jubilars Ludwig van Beethoven zeigte die intensive Verbundenheit von Roth mit seinem argentinischen Klavierpartner José Gallardo: In der „Kreutzersonate“hebt die Geige allein an, das Klavier antwortet, in der langsamen Einleitung wird Spannung aufgebaut, die sich in ein selbstbewusstes Presto voller dramatischer Passagen, Abstürze und Akzente löst. Im Variationensatz wechselten sich Gallardo und Roth in einem fein ausgearbeiteten Dialog ab, Trillerketten, blühende Melodien, ein Aufstieg in den Geigenhimmel und ein achtsames Miteinander kennzeichneten die Meisterschaft von Werk und Interpreten. Kühn und wie feuerzüngelnd wirkte der Finalsatz.
Ein besonderes Anliegen sind dem Geiger die Werke des polnischjüdischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg, der auch durch die Bregenzer Festspiele 2010 international bekannt geworden ist. „Moldawisch“sind die Melodien seiner Rhapsodie, weil er sie nicht „jüdisch“nennen durfte. Für unsere Ohren erzählen sie pentatonisch mit ausdrucksvoller Harmonik und virtuosem Feuer von Schmerz, Leidenschaft und Herzenston. Die Künstler sind die Botschafter für den Komponisten, der Warschau verlassen musste und dessen Leben in seiner neuen sowjetischen Heimat nicht einfacher geworden war. Als Initiator der Internationalen Weinberg Society trägt Linus Roth die Werke in die Welt.
Mit zwei „ungarischen Tänzen“von Brahms, die von Haus aus eher stilisiert klingen und der hexenmeisterlichen Zugabe von Bazzinis „Tanz der Kobolde“beendeten die Künstler ihr umjubeltes Programm.