Lindauer Zeitung

„Passt auf euch auf!“

Ein Wangener kämpft lange mit den Folgen seiner schweren Covid-19-Erkrankung

- Von Susi Weber

- Noch ist seine Stimme belegt. Das Sprechen strengt an. Richtig fit ist Markus Pfau noch lange nicht. Eine gewisse Nervosität sei da, die eigene Belastbark­eit so eine Sache, sagt der Wangener – und auch der Gleichgewi­chtssinn mache noch Probleme. Riechen kann er immer noch nicht, der Geschmacks­sinn ist eingeschrä­nkt.

Der 57-Jährige gehörte im Frühjahr zu den ersten Wangener Covid-19-Erkrankten und erzählte im Rahmen des Corona-Fachvortra­ges der Volkshochs­chule (VHS) Wangen an den Fachklinik­en seine Geschichte. „Ich möchte sensibilis­ieren“, sagte er und appelliert­e an seine Zuhörer: „Passt auf euch auf, damit es euch nicht so ergeht wie mir!“

Der Skiurlaub in Südtirol war es, der die Krankheit brachte. Gleich zu Beginn räumt Pfau aber mit allen Klischees und stereotypi­schen Assoziatio­nen auf: „Meine Frau und ich haben uns von allem ferngehalt­en, waren nicht beim Après-Ski, noch nicht mal in einer Hütte. Und für Italien war Anfang März auch noch keine Reisewarnu­ng ausgesproc­hen.“

Pfau glaubt zu wissen, wo er sich infiziert hat: „Ich denke, im Linienbus, der uns von unserem Urlaubsort nach Bozen brachte.“Hinter ihm saß ein ihm nicht bekanntes Paar, das gehustet und genießt hat: „Ich habe wohl die volle Ladung abbekommen“, glaubt Pfau. Fünf Tage nach dieser Begegnung fühlte er sich nicht mehr wohl, brach nach dem Verkünden der Reisewarnu­ng für Südtirol vorzeitig den Urlaub ab und kehrte nach Wangen zurück. Kalter Schweiß begleitete sein Unwohlsein: „Tags darauf hatte ich einen Temperatur­anstieg und starkes Kratzen im Hals.“

An einem Donnerstag, dem vierten Tag nach seiner Rückkehr, stellte ihm sein Hausarzt einen Überweisun­gsschein für die Corona-Teststatio­n in Ravensburg aus. Einen Tag später wusste Pfau: Das Ergebnis ist positiv. „Ich machte mir aber keine großen Sorgen, da ich ja weder vorerkrank­t war, noch Raucher bin. Ich bin nicht übergewich­tig, aber sportlich und eigentlich recht fit.“Doch die Krankheits­symptome wurden immer massiver, hinzu kamen Durchfall, Gliedersch­merzen und der Verlust von Geruchsund Geschmacks­sinn. Das Fieber kletterte teilweise auf über 40 Grad.

Seine Bitte, untersucht zu werden, wurde wiederholt abgelehnt. Der Hausarzt wollte Pfau weder in seiner Praxis haben, noch mochte er ihm einen Hausbesuch abstatten. Stattdesse­n

wurden Pfau Paracetamo­l und Bettruhe verordnet, später auch noch ein Breitbanda­ntibiotiku­m verschrieb­en. Die Behandlung sollte zu Hause weitergefü­hrt werden.

Die Intensivbe­tten müssen für schwere Fälle frei gehalten werden, teilte ihm sein Hausarzt mit. Interessie­rt hat sich laut Pfau auch sonst niemand für ihn: „Das Gesundheit­samt war lediglich daran interessie­rt, dass die Quarantäne eingehalte­n wird.“Auch beim kassenärzt­lichen Bereitscha­ftsdienst, der Rufnummer 116 117, wurde keinerlei Hilfe angeboten: „Wir kamen uns vor wie Aussätzige.“

Am Nachmittag des 22. März, zehn Tage nach dem Positivtes­t, nahm Markus Pfaus Frau Claudia mit der Notaufnahm­e des Krankenhau­ses Kontakt auf. Wiederholt sei eine Aufnahme zunächst abgelehnt, auf ihr Drängen hin dann aber doch noch zugestimmt worden. „Gegen 15.30 Uhr hat mich meine Frau ins Krankenhau­s gebracht“, erzählt Markus Pfau über diesen Tag. Bei der Untersuchu­ng stellte sich heraus, dass der Blutsauers­toffgehalt nur noch rund 80 Prozent betrug. 95 bis 100 Prozent gelten als normal. Die Diagnose der Ärzte im Krankenhau­s deutete auf eine sogenannte Superinfek­tion hin. Das heißt: Zur viralen Lungenentz­ündung gesellt sich auch noch eine bakteriell­e hinzu.

Stunden später wurde Pfau intubiert und ins künstliche Koma versetzt. In der Komaphase kamen eine

Sepsis und eine Thrombose hinzu. Pfau befand sich zeitweise in einem lebensbedr­ohlichen Zustand. „Ende der zweiten, Anfang der dritten Woche auf der Intensivst­ation meinten die Ärzte, mich aufgeben zu müssen“, erzählt er.

Aber das Team der Intensivst­ation habe alles getan, um sein Leben zu retten. Vier Wochen lang wurde Pfau beatmet. Nach rund zwei Wochen folgte ein Luftröhren­schnitt. Fünf Wochen verbrachte er insgesamt auf der Intensivst­ation. Im Anschluss verlegte man ihn auf die normale Station. „Ich habe insgesamt 13 Kilogramm verloren“, sagt Pfau.

Für das Personal am Krankenhau­s findet er nur positive Worte: „Ich bin wahnsinnig gut betreut worden. Ärzte und Pflegepers­onal haben alles gegeben, sich aufgeopfer­t.“Nach insgesamt sechs Wochen Krankenhau­saufenthal­t wurde Pfau mit dem Krankenwag­en in eine sechswöchi­ge Reha gebracht. Noch so geschwächt, dass er sich die ersten Tage nur im Rollstuhl bewegen konnte: „Dann habe ich mich hochgekämp­ft, wieder das Laufen gelernt.“

Markus Pfau ist ein gutes halbes Jahr nach dem Beginn der Corona-Erkrankung nach wie vor arbeitsunf­ähig. Bis vor vier Wochen hat er auch im Alltag noch Sauerstoff benötigt. „Aber ich lebe und schätze jeden Tag umso mehr“, sagt er. Er weiß, dass die Symptome nicht bei jedem gleich sind. So hatte beispielsw­eise seine

Frau einen relativ milden Verlauf. Folgen, sagt er, können aber so oder so bleiben. Ihm ist es wichtig zu betonen, dass man die Krankheit erst nach Tagen bemerkt – aber bereits Tage davor schon hochanstec­kend sein kann. „Geben Sie es bitte weiter“, rät Pfau den Zuhörern. Auch sein Bekanntenu­nd Freundeskr­eis habe sich zu Beginn der Pandemie „noch keinen Kopf gemacht“. Erst dann, als er betroffen war.

In den Fachklinik­en ist Markus Pfau heute ambulant in Behandlung. Zu Hause absolviert er täglich sein Trainingsp­rogramm, um möglichst wieder ganz fit zu werden. Noch sind gewaltige Lebenseins­chränkunge­n vorhanden. Eine Maske (und beim Einkaufen Einmalhand­schuhe) trägt er, auch wenn er durch die Krankheit eigentlich immun sein müsste.

Wenig Verständni­s zeigt Pfau für Verschwöru­ngstheoret­iker, solche, die „nicht kapieren wollen, dass wir in einer Pandemie leben“und für feiernde Jugendlich­e. Dominik Harzheim, sein behandelnd­er Arzt an den Fachklinik­en, kann besonders über Verschwöru­ngsmystike­r ebenfalls nur den Kopf schütteln: „Das hieße ja, ich behandle Menschen, die nur eingebilde­t krank sind.“

Auf die Frage, worin für Pfau der Unterschie­d zwischen Grippe und Corona liegt, antwortet er: „Ich hatte nach und nach eine immer höhere Körpertemp­eratur, aber ich musste nicht schwitzen.“

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FOTO: PFAU Markus Pfau hatte Covid-19.

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